Schulbeginn, Reiserückkehrer und Disziplinlosigkeiten einzelner: diese Faktoren haben die Verantwortlichen als Hauptursachen für steigende Corona-Zahlen ausgemacht. Grund zur Sorge besteht nicht – der Landrat appelliert aber, weiterhin vorsichtig zu sein.

Digital Desk: Michael Bosch (mbo)

Kreis Ludwigsburg - Über die 45 Neuinfektionen am vergangenen Samstag waren auch die Verantwortlichen im Landratsamt erschrocken. Wie sich zeigte, war es ein Ausreißer. Ein Überblick:

 

Aktuelle Zahlen und Entwicklungen

Das Landratsamt als zuständige Behörde beobachtet die steigenden Corona-Zahlen im Kreis Ludwigsburg mit Sorge. Am Dienstag meldete das Gesundheitsamt 22 Neuansteckungen, am Mittwoch 20 und am Donnerstag 14. Darunter befanden sich mindestens vier Urlauber aus den Niederlanden, aus der Türkei und Österreich. Die Reiserückkehrer sind laut Landrat Dietmar Allgaier neben dem Schulbeginn und der Unvernunft einzelner die Hauptursache für den Anstieg.

Seit Beginn der Pandemie sind im Kreis 2701 Menschen an Covid-19 erkrankt. Davon sind 2422 wieder genesen, 73 Menschen, bei denen das Coronavirus festgestellt worden war, sind gestorben – der letzte am 24. September. Zuvor hatten die Behörden über Wochen keine neuen Verstorbenen gemeldet. Das liege auch daran, dass derzeit vor allem junge Menschen erkrankt seien, so Dietmar Allgaier. Bei ihnen verlaufe die Krankheit meist milde. Die Verantwortlichen im Landratsamt erwarten aber, dass es zunehmend wieder mehr ältere Infizierte geben wird – und deshalb auch wieder mehr schwere Krankheitsverläufe. Auch deshalb bittet der Landrat, weiterhin die Abstands- und Hygieneregeln einzuhalten und eine Maske zu tragen. Den Herbsturlaub solle man am besten daheim verbringen. „Bisher hatten wir die Situation gut unter Kontrolle“, so Allgaier. „Wir müssen gerade jetzt, vor der kalten Jahreszeit, weiter zusammenhalten.“

Die Nachverfolgung bei Infektionen

Um die Infektionsketten möglichst schnell zu unterbrechen und etwaige Kontaktpersonen zu informieren, stockt das Landratsamt das zuständige Team um zehn Mitarbeiter auf. Weil der Informationsbedarf vieler Bürger immer noch sehr groß ist, hat das Landratsamt auf seiner Internetseite einen Chatbot eingerichtet, der Fragen vom Schulunterricht über Reiseregeln bis hin zu Einschränkungen in Restaurants oder bei Hochzeiten beantwortet. So werden auch die Mitarbeiter, die Fragen per Telefon beantworten, entlastet.

Besonders betroffene Kommunen

Das Landratsamt weist für den Kreis lediglich die Gesamtzahl der Infizierten seit Beginn der Pandemie aus. Ludwigsburg als größte Stadt verzeichnet auch die meisten Fälle (506, Stand: 30. September). Es folgen Bietigheim (247), Kornwestheim (198) und Remseck (130). In der letzten Septemberwoche verzeichneten Ludwigsburg (18) und Großbottwar (13) die meisten Neuinfizierten. In elf der 39 Kommunen im Kreis gab es in diesem Zeitraum keine Neuansteckungen.

Die 7-Tage-Inzidenz

Auch der Wert, der angibt, wie viele Personen sich innerhalb der letzten sieben Tage pro 100 000 Einwohner angesteckt haben und nach dem sich die Politik zurzeit richtet, steigt. Die Schwelle, ab der Maßnahmen ergriffen werden müssen, liegt bei 50. Im März und April lag der Landkreis mit einem Höchstwert von 80,8 Neuinfizierten je 100 000 Einwohner weit über der kritischen Marke. Im Vergleich dazu ist die Situation momentan – am Donnerstag betrug die 7-Tage-Inzidenz 24,9 – noch entspannt.

Der Handlungsspielraum der Städte und Gemeinden

Städte und Gemeinden können in Absprache mit dem Gesundheitsamt eigene Maßnahmen treffen. Der Stab Außergewöhnliche Ereignisse der Stadt Ludwigsburg evaluiert die Situation deshalb regelmäßig. „Wir würden auch schon reagieren, bevor der Wert der 7-Tage-Inzidenz die 50er-Marke erreicht“, sagt der Erste Bürgermeister Konrad Seigfried. Dann könnte die Stadt beispielsweise die Maskenpflicht ausweiten oder ein Alkoholverbot aussprechen. Wie volatil die Situation ist, zeigte sich am 20. September, als der entscheidende Wert in der Barockstadt auf mehr als 41 kletterte. „Wichtig ist aber auch, ob es sich um einen Trend handelt oder um ein einmaliges Ereignis“, so Seigfried.

Die Entscheidungen auf Bundes- und Landesebene

Konrad Seigfried hält die Beschlüsse der Bundesregierung in Abstimmung mit den Landeschefs, die in dieser Woche getroffen wurden, für „absolut angezeigt“. Verzeichnet ein Landkreis 35 Infektionen pro 100 000 Einwohner, dürfen nicht mehr als 50 Personen in der Öffentlichkeit oder in angemieteten Räumen zusammen kommen. Im privaten Bereich gilt dann die Empfehlung, eine Teilnehmerzahl von 25 nicht zu überschreiten. Bei mehr als 50 Infektionen pro 100 000 Einwohnern greift die nächste Stufe mit 25 Menschen im öffentlichen Raum und zehn im privaten.

Seigfried sieht das Problem, dass die Obergrenzen relativ schnell erreicht sind. „Wenn wir an sieben Tagen in Folge sieben Neuinfizierte in der Stadt haben, dann sind die 50 erreicht.“ Der Erste Bürgermeister wünscht sich zudem, dass die Beschlüsse der Bundes- und Landesregierungen in eine Verordnung umgesetzt werden. Auch im Landratsamt begrüßt man den Vorstoß. „Unter Umständen hätte man die Regeln sogar noch strenger formulieren können. Das wird eventuell noch notwendig, je nachdem, wie sich die Lage weiter entwickelt“, heißt es auf Nachfrage.

Die Situation in den Kliniken

In den Krankenhäusern im Kreis ist die Zahl der Covid-19-Patienten derzeit überschaubar. Lediglich in Ludwigsburg liegen drei Patienten, die mit dem Virus infiziert sind. Sie müssen laut Sprecher Alexander Tsongas aber nicht beatmet werden. Man sei vorbereitet, falls man mehr Patienten aufnehmen müsse, so Tsongas.

Die Disziplin

Die Entscheidungsträger loben zwar die Disziplin der überwiegenden Mehrheit, wer zur Mittagszeit durch die Ludwigsburger Innenstadt läuft, dem bietet sich aber ein vielschichtiges Bild. Mütter, die mit weit über 1,50 Meter Abstand vor Kindergärten warten und nur einzeln ins Gebäude gehen, um ihre Sprösslinge abzuholen, stehen Schülerhorden gegenüber, die sich nach Schulschluss in völlig überfüllten Dönerbuden quetschen. „Wir wissen von diesen Läden. Sie werden auch sanktioniert“, sagt Konrad Seigfried.

Dass einige die Pflicht, eine Maske zu tragen, nicht mehr wirklich ernst nehmen, zeigte sich bei einer Polizeikontrolle im Kreis. Die Beamten erwischten Anfang der Woche an den Bus- und S-Bahnhöfen in Bietigheim, Ditzingen, Kornwestheim, Ludwigsburg, Marbach und Vaihingen knapp 600 Menschen, die keine Maske aufhatten oder die Mund-Nase-Bedeckung nicht richtig trugen. Wie bei den beiden vorangegangen groß angelegten Kontrollen stießen die Beamten jedoch auf „große Akzeptanz“, teilt die Polizei mit. Lediglich drei Personen erhielten eine Anzeige.