Die Stadt Stuttgart gibt Ausnahmegenehmigungen für Dieselfahrzeuge aus. Die Mitarbeiter stehen vor tausenden Einzelfallprüfungen. Bei einem Informationsabend gaben Experten Tipps. Einige Zuhörer ließen jedoch ihrem Frust freien Lauf.

Stuttgart - Stadtverwaltung und Verkehrsministerium Baden-Württemberg haben am Dienstag im Rathaus bei einer Infoveranstaltung die Bedingungen für Ausnahmegenehmigungen vom Diesel-Fahrverbot erläutert. Einige der Besucher stellten konkrete Fragen zu ihrem Fall und erhofften sich Hilfe, andere zeigten ihren Frust über die Regelung durch empörte Zwischenrufe. Viele Bürger sehen sich von der Autoindustrie getäuscht. Die Politik schone zudem die Hersteller zum Beispiel beim Thema Nachrüstung.

 

Das Fahrverbot für Diesel bis einschließlich Euro 4 trifft die Stuttgarter zum 1. April, Euro 5 könnte 2020 folgen. Zum Jahresende 2018 waren in Stuttgart rund 21 000 Diesel bis einschließlich Euro 4 und 25 600 mit Euro 5 zugelassen. 3083 Stuttgarter und 4938 Auswärtige hatten bis Montag einen Ausnahme-Antrag gestellt (online unter www.stuttgart.de), 2571 wurden positiv beschieden, 2980 abgelehnt.

Euro-5-Verbot in der Schwebe

Die Landesregierung sehe vor, dass es das auf Euro 5 erweiterte Fahrverbot „nicht brauche“, sagte Christoph Erdmenger, Abteilungsleiter im Verkehrsministerium. Dazu müsste die Stickstoffdioxidbelastung im Jahresmittel (2018: 71 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft) auf 50 Mikrogramm sinken. Der EU-Grenzwert liegt bei 40, die EU hat der Bundesrepublik aber unter dem Begriff Verhältnismäßigkeit einen Spielraum von 10 Mikrogramm zugebilligt. „Ich bin optimistisch, dass wir das Euro-5-Verbot vermeiden werden“, sagte Erdmenger.

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Eine Möglichkeit könnte sich für Euro-5-Fahrer auch durch die Nachrüstung von Reinigungssystemen eröffnen. SPD und FDP im Gemeinderat stellen sich dazu eine Frist von zwei Jahren vor. Noch ist nicht klar, für welche Fahrzeugtypen es Nachrüstsätze geben wird, Bedingung für die dauerhafte Verbotsbefreiung ist laut Bundesverkehrsministerium ein Stickoxidwert von 270 Milligramm pro Kilometer im Realbetrieb. Sie habe ein Zertifikat des schwedischen Herstellers ihres Autos, dass dies der Fall sei, sagte eine Besucherin der Info-Veranstaltung. Volvo Deutschland teilte auf Anfrage mit, dass keine Bescheinigungen ausgegeben würden. Die Werte stünden seit 2005 in den Zulassungspapieren (COC-Dokument). Doch damals wurde nicht im Realbetrieb gemessen.

Neue Aspekte für Ordnungsamt

Für das Genehmigungs-Team im Ordnungsamt ist das Zertifikat neu, so Leiterin Dorothea Koller. Koller und Sachgebietsleiterin Gisa Gaietto konnten Tipps geben. Wer zum Beispiel Angehörige pflege oder für sie Versorgungsfahrten übernehme, könne mit einer Arztbescheinigung eine Ausnahme erhalten. Wer Kinder oder Enkel zum Sportverein fahre, für den seien dagegen Bus und Bahn zumutbar. Vereine erhalten nicht generell eine Ausnahme, im Spezialfall (Ballonsportgruppe mit speziellen Fahrzeugen) könnte das aber möglich sein, genauso für einen Studenten, der mit Öffentlichen mehrere Stunden zur Uni bräuchte. „Das Ausnahmeteam macht einen harten Job, es gibt viele Gespräche“, sagte Bürgermeister Martin Schairer. Sie werden auch nach dem 1. April andauern.