Strafe muss sein, wenn man Saiten nicht von Seitan unterscheiden kann. Unser Kolumnist Ingmar Volkmann berichtet über einen schmerzhaften Lernprozess.

Freizeit & Unterhaltung : Ingmar Volkmann (ivo)

Stuttgart - Eine sehr zuvorkommende Leserin hat mir kürzlich den Begriff des Kollateralwissens geschenkt, nicht zu verwechseln mit dem Kollateralschaden, als der man in die Geschichte eingeht, wenn man – zum Beispiel im Abenteuerurlaub mit einem Taliban – Bekanntschaft mit einer Drohne der CIA macht.

 

Nützliches Kollateralwissen erlange sie, schrieb Leserin N. aus H., wenn sie die Stuttgarter Zeitung lese und dann zufällig in ein Ressort gerate, in dem sie nicht unbedingt ein Heimspiel habe. Dabei treffe einen im besten Fall der Blitz der Erkenntnis. Anschließend wisse man etwas, von dem man zuvor gar nicht ahnte, dass es einen interessieren könnte. Um an den Türstehern dieser Pforten der Wahrnehmung vorbeizukommen, braucht es keine Rauschmittel und keinen Algorithmus aus dem Silicon Valley, sondern eine Vintage-Retro-Patina-Oldschool-Tageszeitung.

Würstchen-Gate Berliner Abenteurer

Kollateralwissen kann einen abseits der Gazette auf schmerzhafte Art schlauer machen. Eine Berliner Bloggerin war kürzlich nach Diktat verreist, um im wunderschönen Württemberg einen Vortrag zu halten. Mit im Gepäck nicht nur gefährliches Halbwissen – nicht zu verwechseln mit Kollateralwissen –, sondern auch Mann und Kind. Laut Artikel 1 der Berliner Verfassung muss man zwischen Kreuzberg und Mitte entweder Englisch sprechen oder vegan leben. Die Familie hatte sich für Letzteres entschieden und bestellte in einer schwäbischen Wirtschaft Linsen mit Spätzle und Saiten, verbunden mit der standesgemäßen Hauptstadtarroganz, dass die schwäbischen Eingeborenen nicht nur die letzten bezahlbaren Eigentumswohnungen in Friedrichshain weggekauft haben, sondern nicht einmal wissen, dass man den Fleisch-Ersatz Seitan gar nicht Saiten schreibt. Um es vorwegzunehmen: Das Würstchen-Gate der Berliner Abenteurer ging nicht gut aus. Die unschuldigen Wurstwaren blieben unangetastet am Tellerrand liegen.

Während eines Ayurveda-Selbsterfahrungstrips fühlte ich mich einst ähnlich arm wie die zuvor beschriebenen Würstchen. Das Essen im Ressort auf Sri Lanka war mit dem Begriff genussfeindlich noch freundlich umschrieben. Zu den jüngsten Gerichten wurde ein Getränk von undefinierbarem Geschmack gereicht. Die Textur hatte etwas von pelziger Zunge und einem längst überschrittenen Mindesthaltbarkeitsdatum im Abgang. Der Kellner kündigte das Gebräu mit dem Wort „Penalty“, also Strafe an, was ich ich nur konsequent fand. Bis ich nach einigen Mahlzeiten begriff, dass er Fenneltea, Fencheltee gemeint hatte. Fenchel, Pardon, Strafe muss eben manchmal sein.