Ingrid Strähle verkauft am 10. August zum letzten Mal Obst, Gemüse und Blumen in Stuttgart-Kaltental. Damit setzt sich das Ladensterben in dem Stadtteil rasant fort. Dennoch gibt es Hoffnung, denn die Stadt ist auf der Suche nach einem Standort für einen Supermarkt.

Klima und Nachhaltigkeit: Julia Bosch (jub)

Kaltental - Wahrscheinlich reicht es ihr einfach. So viele Jahre hat Ingrid Strähle in Kaltental Obst, Gemüse und Blumen verkauft. Nun mag sie offenbar nicht mehr; vielleicht fühlt sie sich zu alt oder hat keinen Nachfolger gefunden. Mit unserer Zeitung über die genauen Gründe zu sprechen, warum sie ihren Obst-, Gemüse- und Blumenladen schließt, das will Ingrid Strähle nicht. Klar ist jedenfalls: Am 10. August kann man zum letzten Mal bei ihr einkaufen. Danach ist Schluss an der Fuchswaldstraße 63.

 

Für die Bürger von Kaltental ist das bitter, denn es bedeutet eine Fortsetzung des Ladensterbens in dem Stadtteil. Erst Ende Mai hatte die Schwarzwald-Apotheke dicht gemacht, 2016 die Metzgerei Fais, und im selben Jahr wurde auch der Schalter der BW-Bank abgeschafft. Schaut man weiter in die Vergangenheit, sieht es noch düsterer aus: Den Gemischtwarenladen an der Feldbergstraße gibt es schon seit Jahren nicht mehr, früher war dort sogar einmal ein Edeka drin. Übrig geblieben ist in Kaltental nur wenig: Es gibt noch den Feinkostladen Khalil an der Hirsauer Straße, die Bäckerei Schrade an der Fuchswaldstraße, die Backstube an der Burgstraße sowie den Schreibwarenladen mit Post an der Böblinger Straße.

Die Trauer über die Schließung ist groß

Trotzdem betrachtet der Bezirksvorsteher von Stuttgart-Süd – und damit auch zuständig für Kaltental – Raiko Grieb den Stadtteil nicht als Sorgenkind: „Diese Entwicklung, dass kleine Läden zumachen, gibt es überall. Im Stuttgarter Süden beobachte ich das zum Beispiel genauso in Südheim und in Heslach.“ Lediglich in den Stadtteilen Karlsvorstadt und Lehen, die sehr nahe an der Innenstadt liegen, sei die Situation noch nicht ganz so dramatisch. Dort gebe es zwar hin und wieder einen Wechsel in den Läden, jedoch relativ wenig Leerstand.

Auch an dem Laden von Ingrid Strähle hätte es durchaus Nachfolge-Interessenten gegeben. Daraus wurde aber nichts, sagt Grieb. Viel mehr weiß er auch nicht. Jedoch seien unzählige Reaktionen bei ihm angekommen: „Ganz viele Kaltentaler bedauern die Schließung, die Trauer ist groß. Bei Frau Strähle gab es immer super Lebensmittel und Blumen, außerdem herrschte stets eine freundliche Stimmung dort. Die Schließung tut weh.“

Viele kaufen in Stuttgart-Vaihingen oder Heslach ein

Dennoch mahnt er, den Teufel nicht an die Wand zu malen und verweist auf die Stadtteilsanierung. „Es gibt eine Arbeitsgruppe, die sich ausschließlich mit der Nahversorgung im Stadtteil befasst.“ Dieses Engagement sei auch deshalb nötig, weil Nahversorgung sozialen Austausch ermögliche. Die Stadt und die Wirtschaftsförderung versuchen deshalb alles, um den Einzelhandel am Leben zu erhalten. Damit dies gelinge, müssten die Kaltentaler aber auch ihr eigenes Konsumverhalten hinterfragen, sagt Grieb: „Viele erledigen ihre Einkäufe beim Aldi in Heslach oder in Vaihingen, statt in die kleinen Läden vor Ort zu gehen.“

Dieses Verhalten sei auch ein Grund, warum die Schwarzwaldapotheke kürzlich habe schließen müssen, sagt Torsten von Appen, Stadtteilmanager der Stuttgarter Wirtschaftsförderung: „Die Umsätze in der Apotheke waren zuletzt stark zurückgegangen, außerdem gab es einen Investitionsstau seitens der Betreiberin. Sie wollte deshalb in eine Anstellung wechseln, statt die Apotheke weiterhin zu betreiben.“ Um so etwas in Zukunft zu verhindern, dürften die Bürger also nicht nur neue Angebote fordern, sondern müssten eben auch die vorhandenen kleinen Läden vor Ort unterstützen, sagt er.

Neuen Standort für Supermarkt gesucht

Obwohl in den vergangenen Jahren mehrere Läden geschlossen haben, findet auch er nicht, dass Kaltental schlechter dastehe als andere Stadtteile: „Der Kräherwald oder die Karlshöhe sind vergleichbar mit Kaltental, diese Stadtteile haben auch etwa 6000 Einwohner und sind in sich geschlossen. Das Nahversorgungsangebot dort ist nicht besser.“ Und es gibt Grund zur Hoffnung, sagt von Appen: Zum einen ist da das Sanierungsprogramm. Mit ihm soll der Stadtteil mit Fördermitteln von Bund und Land aufgewertet werden. Zum anderen sei klar, dass mehrere Händler Interesse hätten, in Kaltental einen Lebensmittelladen zu eröffnen, sagt er: „Es ist jetzt an der Stadt, einen passenden Standort zu finden.“

Stadt achtet auf Einzelhändler

Diese Suche sei nicht ganz einfach, weil sichergestellt sein müsse, dass die Anlieferung für den Supermarkt problemlos funktioniere. Außerdem müsse es ausreichend Platz für Parkplätze geben. Und es gibt noch ein weiteres Kriterium, worauf die Mitarbeiter der Wirtschaftsförderung achten: „Der Standort sollte eher im oberen Teil Kaltentals liegen, also näher an Vaihingen als an Heslach, damit dem Feinkostladen Khalil keine Kunden weggenommen werden. Wir wollen auf jeden Fall vermeiden, dass ein Einzelhändler aufgeben muss, weil daneben ein Vollsortimenter aufmacht“, sagt von Appen.