Autos weg, Sitzbänke her: Anwohner der Liststraße in S-Süd wollen es wohnlicher haben. Dank Corona ist ein älteres Konzept für die Prachtstraße im Süden plötzlich aktuell geworden. Diesen Sommer nämlich haben die Menschen ihr Umfeld bewusster wahrgenommen.

Aus den Stadtteilen: Kathrin Wesely (kay)

S-Süd - Eine alte Idee hat durch Corona wieder Fahrt aufgenommen: Klein-List. Das 2015 ersonnene Projekt sieht eine Verkehrsberuhigung und Begrünung der Liststraße von der Römerstraße bis zum Strohberg vor. In diesem Bereich soll Schrittgeschwindigkeit gelten, Parkplätze sollen Aufenthaltsflächen und Bäumen weichen. Bänke und Straßencafés laden zum Verweilen, Marktstände und die Auslagen von Geschäften beleben die Straße. In dieser Art, als grobe Skizze, hatten der Apotheker Berthold Stelzer und der Architekt Heinz Lermann ihre Idee im Bezirksbeirat Süd vorgestellt und breite Zustimmung erhalten. Auch das Stadtplanungsamt zeigte sich damals angetan, und es fanden sich im Quartier um die 60 Unterstützer, erinnert sich Heinz Lermann. Doch dann wurde es erst einmal recht windstill um Klein-List.

 

Initiative von unten

Dank der Wanderbaumallee, die im Sommer in der Liststraße Station gemacht und die Diskurse über den öffentlichen Raum im Lehenviertel wieder neu entfacht hatte, wurde nun auch die Idee von Klein-List wiederbelebt. Und so sollte es auch laufen, meint Architekt Lermann: „Ein solches Projekt muss sich von unten entwickeln und belebt werden“, es lasse sich nicht von der Verwaltung verordnen.

Die Zeit des Corona-Lockdowns hat sich als Katalysator erwiesen für dieses aber auch für andere Quartiersprojekte in der Stadt: „Die Leute haben den Raum vor der Tür bewusster wahrgenommen“, sagt Lermann. Sie hatten mehr Zeit als sonst und konnten nicht weg. Da traf man sich auf der Straße, fand Zeit für einen Schwatz beim Bäcker, im Tabakladen am Eck, stellte Klappstühle aufs Trottoir, ging ins Café oder hockte sich bei der Wanderbaumallee dazu. Man kann die Seufzer beim Gläschen Wein in warmer Sommernacht förmlich hören: „Ach, wenn’s bloß immer so nett wär’.“ Die zivilgesellschaftliche Verbrüderung im Corona-Sommer 2020 hat einigen Lehenviertelbewohnern so viel Schwung gegeben, dass sie nun ihr Wohnumfeld, da sie seine Aufenthaltsqualität so sehr schätzen gelernt haben, freundlicher gestalten möchten. So gibt es fürs Quartier die Internetseite lehenideen.de, wo sich die Nachbarschaft darüber austauscht, wie gemeinsame Wünsche Realität werden könnten, die da lauten: mehr Sicherheit für Fußgänger und Radler, gemütlicher Außenraum, mehr Grün, Linderung der Parkplatznot.

Wie zur Gründerzeit

Das Projekt Klein-List trägt dabei die konkretesten Züge. Jetzt, so Lermann, gehe es darum, „Überzeugungsarbeit zu leisten“, mehr Mitstreiter zu gewinnen, denn bei der Gestaltung des eigenen Quartiers gehe es auch um das Gefühl von Identität, deshalb sei es wichtig, viele Anwohner mitzunehmen. Auch wäre es schön, wenn Klein-List nicht weitere fünf Jahre „zwischen Sehnsucht und Realität hängt“.

Allerdings, mahnt der Architekt, der seinerzeit den Marienplatz gestaltete: „Wenn man das macht, muss es einfach sein.“ Also keine überbordende, kleinteilige Möblierung der Liststraße, nur „ein paar Bänke, Gehwegplatten, kleinkronige Bäume, die die gründerzeitlichen Fassaden nicht verstellen“, führt Lermann aus. Einerseits bleibe auf diese Weise der großzügige Charakter der Straße gewahrt. Andererseits lege man den Straßenraum nicht fest auf bestimmte Arten der Nutzung. Er kann von den Anwohnern immer wieder neu definiert werden, gemäß ihren sich wandelnden Bedürfnissen. Heinz Lermann hat errechnet, dass die Neugestaltung etwa 13 Parkplätze kosten würde. Entschärfen ließe sich das konfliktträchtige Thema durch Querparkplätze oder besser noch durch Plätze für Share-Autos.

Im Grunde ist Klein-List auch eine Annäherung an die ursprünglich um die Jahrhundertwende vorgesehene architektonische Struktur des Viertels mit seinen zahlreichen Ladengeschäften, die lange schon nicht mehr betrieben werden.