Weil Hähne zum Eierlegen nicht gebraucht werden, werden sie meist direkt nach dem Schlüpfen aussortiert und getötet. Die Praxis ist umstritten. Nach der Bio-Branche wollen vermehrt auch konventionelle Geflügelhalter Hähnen eine Chance geben.

Bräunlingen/Gengenbach - Es geht geschäftig zu auf dem Geflügelhof von Mathias Friedrich in Bräunlingen. Stolze Hähne, umringt von gackernden Hennen. Die Hennen sind zum Eierlegen hier. Die Hähne dürfen einfach nur Hähne sein. Da sie keine Eier legen, sind sie wirtschaftlich nicht von Bedeutung. Sie werden in der Regel direkt nach dem Schlüpfen getötet. Eine Praxis, die auf Kritik stößt. Landwirte im Südwesten wollen dies ändern. Sie geben auch Hähnen eine Überlebensgarantie - nicht nur zu Ostern.

 

Das idyllische Bild, wie es in Bräunlingen (Schwarzwald-Baar-Kreis) zu sehen ist, sieht man selten. Denn der Breghof von Friedrich und seiner Familie ist ein Naturland-Betrieb. Er fühlt sich dem ökologischen Landbau und der artgerechten Tierhaltung verpflichtet. Er lässt nicht nur Hennen, sondern auch Hähne leben. Alle Hühner, unabhängig vom Geschlecht, haben Platz im großen Freigehege.

Geflügelhöfe schließen sich zusammen

Hähne sind in Geflügelbetrieben nicht oft zu sehen. Einige Landwirte wollen dies nicht mehr hinnehmen. In Baden-Württemberg haben sie die Initiative „Huhn und Hahn“ gegründet. In der Bio-Haltung gab es schon zuvor solche Initiativen. „Huhn und Hahn“ will alle erreichen. Denn nur zehn Prozent aller deutschen Eier kommen aus der Bio-Haltung, so der Verband der Geflügelwirtschaft Baden-Württemberg. Der Rest ist Freiland- oder konventionelle Haltung.

Zu „Huhn und Hahn“ mit Sitz in Gengenbach (Ortenaukreis) gehören in Baden-Württemberg nach Angaben der Organisatoren 42 Geflügelhöfe. Hinzu kommen rund zwölf in Bayern. Sie ist damit den Angaben zufolge deutschlandweit die größte Initiative, die sich gegen das Töten männlicher Küken stellt.

Meist Familienbetrieb

„In Baden-Württemberg ist die Hühnerhaltung noch vorwiegend in Familienbetrieben zu Hause“, sagt Christoph Hönig, Mitbegründer der Initiative: „Man hilft sich gegenseitig, anders geht es nicht.“ Hönig hat auf seinem Hof in Mühlingen (Kreis Konstanz) am Bodensee Hühner in Boden- und Freilandhaltung. „Früher sprangen die Hähne bis zu ihrem Lebensende auf dem Hof herum“, sagt er: „Erst, wenn sie in die Geschlechtsreife kamen und anfingen, Rangordnungskämpfe auszutragen und Chaos anzurichten, gab es meist einen Sonntagsbraten.“

Heute, in Zeiten von Massentierhaltung und wirtschaftlichem Druck, ist für Hähne meist kein Platz. Anders als bei den Masthühnern, wo Hahn und Henne für die Fleischproduktion 32 Tage gemeinsam aufgezogen werden, gibt es in der Legehennen-Haltung zur Eierproduktion keine Verwertung für die Hähne. Sie legen keine Eier. Und auch ihr Fleisch lässt sich schlecht vermarkten.

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Bei den Landwirten der Initiative dürfen Hähne dennoch am Leben bleiben. Aber auch nicht auf Dauer. „Wenn sie in die Pubertät kommen, nach rund drei Monaten, werden sie aggressiv und wollen sich behaupten“, sagt Hönig. Dann werde das Zusammenleben unmöglich: „Aber bis dahin dürfen sie alle zusammen in einer Männer-WG oder gemeinsam mit den Hennen wohnen.“ Das funktioniere in der Regel sehr gut.

Die Mehrkosten sind überschaubar, sagt Martin Zapf, Geflügelhalter in Gengenbach und Gründungsmitglied der Initiative: „Drei Monate Aufzucht eines Hahnes kosten vier Euro.“ Finanziert werde dies über den Verkauf der Eier der Henne. Etwa drei Cent mehr kostet das den Verbraucher pro Ei. „Bis Ende des Jahres soll für jedes Freilandhuhn auch ein Hahn großgezogen werden“, sagt Hönig: „Das ist ein wichtiger Schritt für eine bessere und gerechtere Tierhaltung.“

Eier werden teurer

Mit ihrem Engagement wollen die Landwirte ein Umdenken auch bei Verbrauchern, Handel und Politik erreichen, sagt Zapf. Jeder könne seinen Teil dazu beitragen, das unnötige Kükentöten zu stoppen. Er müsse jedoch bereit sein, dafür etwas mehr Geld pro Ei zu bezahlen.

Der Verband der Geflügelwirtschaft im Südwesten steht hinter dem Plan. „Solange die Früherkennung des Geschlechts in den Eiern noch nicht praxisreif ist, und wir die Küken nicht töten wollen, ist die Aufzucht der Hähne eine gute Alternative“, sagt Anton Weiß, Vorsitzender des Verbandes. In Baden-Württemberg gebe es rund drei Millionen Legehennen. Zu jeder Henne gehöre statistisch ein Hahn. Laut der Initiative leben aktuell 500 000 Hähne bei „Huhn und Hahn“.

Bewussterer Einkauf

Die Corona-Krise hat bei den Verbrauchern etwas bewegt, sagt Zapf: „Wir merken die Krise im Verkauf von unseren Eiern. Die Verbraucher kaufen bewusster ein. Sie achten viel mehr auf Herkunft und Haltung.“

Das Ostergeschäft sorge jedes Jahr für ein Verkaufsplus von fünf bis sechs Prozent, sagt Weiß vom Geflügelverband. Nur die bunten Ostereier werden in diesem Jahr, im Gegensatz zu früheren Jahren, kaum verkauft: „Die Leute färben selbst, zu Hause mit der Familie.“ Viele Menschen seien wegen Corona daheim und nutzten die Zeit.