Vielfalt von sexuellen Orientierungen und Geschlechtern im Bildungsbereich sichtbar machen: Dafür setzt sich die Initiative #TeachOut ein. Viele queere Pädagogen machen mit – darunter auch ein Mitarbeiter einer Hochschule im Südwesten.

Volontäre: Annika Mayer (may)

Stuttgart - Bei seiner Arbeit trägt Klemens Ketelhut ein schwarzes Jackett, das eine kleine Regenbogenfahne ziert. In seinem Beruf sei er geoutet, erzählt er. Ketelhut ist ein schwuler Mann und Mitarbeiter an der pädagogischen Hochschule in Heidelberg. Seit 20 Jahren engagiert er sich ehrenamtlich in der queeren Bildungsarbeit, beispielsweise in außerschulischen Projekten oder durch Workshops zum Thema queere Schulbildung. Vor einiger Zeit stieß er auf Instagram auf den Hashtag #TeachOut: Dieser steht für eine gleichnamige Initiative von queeren Pädagogen. Da ihn die Aktion überzeugte, trat Ketelhut mit den Initiatoren in Kontakt und teilte selbst ein Bild von sich auf Instagram unter diesem Hashtag.

 

Er und die anderen Unterstützer der Initiative setzen sich damit für mehr Sichtbarkeit der Vielfalt von sexuellen Orientierungen und Geschlechtern im Bildungsbereich ein. Begonnen hat die Aktion im Februar mit dem Post eines Grundschullehrers auf Instagram. Dieser teilte ein Foto von sich und seinem Ehemann und sprach sich unter anderem dafür aus, Schülern nicht nur heterosexuelle Beziehungen als Normalität zu vermitteln. In Anlehnung an die Aktion #ActOut von queeren Schauspielern setzte er unter seinen Beitrag den Hashtag #TeachOut.

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Wie aus einem Post eine Initiative entstand

Schließlich wurde die queere Lehrerin Gun Overesch auf den Post aufmerksam. „Ich fand den Gedanken toll und habe selbst einen Beitrag abgesetzt“, erzählt sie. „Dann habe ich alle meine Kontakte aus dem Bildungsbereich auf Instagram angeschrieben, um mehr Aufmerksamkeit zu generieren.“ So sei die Aktion ins Rollen gekommen. Overesch erstellte schließlich einen eigenen Account auf der Plattform und sammelte dort die Posts mit dem Hashtag. Als sie die Anregung erhielt, mehr aus der Aktion zu machen als nur Bilder in den Sozialen Medien zu teilen, gründete sie mit zwei weiteren Personen ein Organisationsgremium und veranstaltete ein offenes Treffen. Dort formulierten die Teilnehmer laut Overesch Forderungen für den Bildungsbereich, planten den Social Media Auftritt von #TeachOut und kümmerten sich um eine Homepage.

Mittlerweile seien zwischen 20 und 25 Personen aktiv in den Arbeitsgruppen der Initiative beteiligt. Außerdem gebe es zahlreiche Unterstützer in den Sozialen Medien, die aber nicht an den Treffen teilnehmen. Inzwischen haben laut der Lehrerin 114 Personen ein Foto mit dem Hashtag auf Instagram geteilt. Dabei fokussiert sich die Aktion nicht nur auf Lehrkräfte: „Wir versuchen, den ganzen pädagogischen Bereich abzudecken“, so Gun Overesch. Auch queere Erzieher in Kitas oder Dozenten an Universitäten werden laut ihr mit einbezogen.

Ketelhut engagiert sich für queere Sichtbarkeit an Hochschulen

Klemens Ketelhut sieht großes Potential in der Initiative: „Der Hashtag kann Leute verbinden, die die gleiche Idee davon haben, wie Schule queerfreundlicher werden kann.“ Für ihn sei es wichtig gewesen, bei der Aktion mitzumachen. „Ich würde mir wünschen, dass Bildungsorte ein Gefühl dafür bekommen, dass es queere Menschen gibt, die dort beispielsweise durch Mobbing oder Diskriminierung benachteiligt werden können.“ Er selbst sei bei den Planungstreffen von #TeachOut nicht dabei. Aber er poste Beiträge mit dem Hashtag auf Social Media, stehe für Pressefragen zur Verfügung und setze sich weiter für queere Sichtbarkeit ein. An Hochschulen, an denen er einen Lehrauftrag hat, wie beispielsweise in Halle, bringe er aktiv queere Themen mit ein oder veranstalte spezifische Seminare.

Vor allem an Schulen sieht Ketelhut aber noch Handlungsbedarf. In den Schulmedien und -büchern müsse seiner Meinung nach die Vielfalt von sexuellen Orientierungen und Geschlechtern mehr thematisiert werden: „Man sollte auch andere Familien- und Beziehungsformen aufgreifen“, erläutert er. Das gelte auch für den Sexualkundeunterricht. Denn laut Ketelhut ist es nicht nur für queere Schüler ein Nachteil, wenn die Vielfalt unter den Tisch fällt. „Das ist auch für die Mehrheitsgesellschaft blöd“, meint er. „Nur Kontakt und Wissen kann zu einem guten Miteinander führen.“

Das muss sich laut #TeachOut verändern

Auch die Initiative #TeachOut hat einige konkrete Forderungen für den Bildungsbereich. Diese wurden am 17. Mai, dem Internationalen Tag gegen Homo-, Bi- und Transphobie (IDAHOBIT), auf Social Media und der Homepage vorgestellt. Die Liste ist lang, einige Punkte sind für Initiatorin Gun Overesch besonders wichtig. „An Schulen und Bildungseinrichtungen sollte es eine Ansprechperson geben, die für Diversitäts-Fragen zuständig ist und Hilfestellung geben kann“, erläutert sie. Außerdem müsse Vielfalt auch verstärkt in den im Bildungsbereich verwendeten Materialien, den Lehrwerken in der Schule und den Kinderbüchern in Kitas abgebildet sein. Zudem fordert die Initiative auch eine Anpassung der Bildungs- und Lehrpläne, damit mehr Wissen über queere Personen vermittelt wird. Um eine strukturelle Veränderung herbeizuführen sei es aber auch zentral, dass sexuelle Vielfalt auch Bestandteil der Ausbildung von Lehrkräften und Erziehern werde.

Klemens Ketelhut findet gut, dass die Organisation nun konkrete Forderungen formuliert hat: „Es ist wichtig, dass es eine laute Stimme gibt, die sagt, dass es mehr als freundliche Worte braucht.“ Und auch Overesch sieht die Forderungen als notwendig an. Denn nicht nur bei Schülern gebe es viel Unwissen. „Viele Lehrkräfte haben auch oft zu wenig Ahnung und so entstehen Unsicherheiten“, schildert sie. „Dann trauen sich viele nicht, über diese Themen zu sprechen.“

So geht es mit der Initiative weiter

Mit der Formulierung von konkreten Forderungen am IDAHOBIT ist die Initiative aber noch nicht beendet. Anfang Juni werden sich laut Overesch die Beteiligten wieder zusammensetzen und planen, wie es weiter geht. Dann stehe beispielsweise auch die Internetseite im Fokus, die weiter ausgestaltet werden und Anlaufstellen sichtbar machen solle, an die sich Pädagogen bei Beratungsbedarf wenden können. Außerdem sei geplant, in der Zukunft weitere Aktionen zu starten. „Wir wollen die Sichtbarkeit aufrechthalten in der Hoffnung, mehr Menschen anzusprechen und dazu zu bringen, sich mit uns zu vernetzen“, erläutert Gun Overesch. Mittlerweile habe sich die Initiative zu einem deutschlandweiten Netzwerk entwickelt, allerdings gebe es noch nicht überall aktive Mitglieder. Das soll sich in der kommenden Zeit ändern.

Auch Klemens Ketelhut blickt mit einigen Erwartungen in die Zukunft. Als queere Lehrperson wünscht er sich mehr Raum für Themen wie sexuelle Orientierung und Vielfalt der Geschlechter im Bildungsbereich. Auch Schulen sollten sich Ketelhuts Meinung nach zukünftig im Sinne der Inklusion verstärkt mit diesen Themen auseinandersetzen: „Ich wünsche mir für meine jungen queeren Geschwister, dass sie keine Angst mehr vor der Schule haben müssen.“