Eltern und Lehrer sind unzufrieden damit, wie die Inklusion von Kindern mit Förderbedarf in den Regelschulen umgesetzt wird. Es mangelt an Personal. Susanne Eisenmann will Hauptschullehrer fortbilden, um den Mangel an Sonderpädagogen zu beheben.

Stuttgart - Die Inklusion sei mit einem zu hohem Anspruch und zu wenig Vorbereitung und Ressourcen gestartet, sagt Michael Hirn, Leiter eines Sonderpädagogischen Bildungs- und Beratungszentrums (SBBZ) in Stuttgart mit dem Förderschwerpunkt Sprache. Der Südwesten sei „weit entfernt von systematischer Inklusion“, so Hirn.

 

Baden-Württemberg ist kein Sonderfall. Der Präsident des Deutschen Lehrerverbands, Heinz-Peter Meidinger, hat ein Aussetzen der Inklusion gefordert. „In vielen Bundesländern haben wir den zweiten Schritt vor dem ersten gemacht, also Förderschulen geschlossen, ohne die Regelschulen auf Inklusion vorzubereiten“, klagt er. Nötig sei eine Bestandsaufnahme. Dann werde man erkennen, dass es ohne massive zusätzliche Finanzmittel nicht gehe. „Im Endeffekt braucht jede Klasse, die Inklusionsschüler hat, eine Zweitlehrkraft“, sagt Meidinger. Wenn die Leistungsfähigkeit der Schüler zu unterschiedlich sei, werde „der Lernfortschritt aller gefährdet“. Schulleiter Hirn, zugleich Funktionär der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), hält es für sinnvoll, sich bei der Inklusion zunächst auf funktionierende Standorte zu beschränken, auch auf die Gefahr hin, die Fläche zu benachteiligen.

800 Lehrer sollen als Förderlehrer fortgebildet werden

Baden-Württembergs Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU) weiß um die Probleme: „Es ist uns bewusst, dass noch nicht alles perfekt läuft“, sagte sie gegenüber unserer Zeitung, „das Projekt eines inklusiven Bildungssystems“ sei eine „eine langfristige Aufgabe“. Gemeinsam mit Fachleuten arbeite das Ministerium an konkreten Verbesserungen. Das Land will vor allem zusätzliche Sonderpädagogen ausbilden. Die Anzahl der Studienanfängerplätze wurde von 320 im Jahr 2013 auf 520 zum Wintersemester 2016/17 erhöht. Kurzfristig sollen die personellen Engpässe dadurch beseitigt werden, dass Haupt- und Werkrealschullehrer sich fortbilden. So können 800 Lehrer in einjährigen Qualifizierungen für einen der sonderpädagogischen Förderschwerpunkte fortgebildet werden.

Darüber hinaus werden bereits Lehrer in einem SBBZ eingesetzt, dieses Programm hat laut Ministerium in diesem Schuljahr mit 115 Teilnehmern begonnen. Für weitere 400 Lehrer soll ein zweijähriges Aufbaustudium an den Pädagogischen Hochschulen angeboten werden, das im Herbst dieses Jahres mit den ersten 100 Lehrern starten soll. Allein dafür gibt das Land 13,8 Millionen Euro aus. Eisenmann kündigte auch an, „das differenzierte Angebot und damit das Elternwahlrecht gezielt zu stärken“. Viele Eltern wünschten sich, so die Ministerin, „dass ihr Kind weiterhin die besondere Förderung im geschützten Bereich eines SBBZ erhält“. Das Land arbeite derzeit an der regionalen Schulentwicklung der Beratungszentren.

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