Innenminister Gall wird eigentlich viel gelobt. Doch der Start der Polizeireform ist vermasselt. Nach einem Gerichtsentscheid dürfen die meisten Polizeipräsidenten in ihren Ämtern vorläufig nicht arbeiten.

Innenminister Gall wird eigentlich viel gelobt. Doch der Start der Polizeireform ist vermasselt. Nach einem Gerichtsentscheid dürfen die meisten Polizeipräsidenten in ihren Ämtern vorläufig nicht arbeiten.

 

Stuttgart - Ausgerechnet bei seinem Prestigeprojekt Polizeireform muss Innenminister Reinhold Gall (SPD) einen Tiefschlag hinnehmen: Die neuen Polizeipräsidien im Südwesten brauchen zumindest teilweise vorläufig andere Chefs. Grund ist eine Entscheidung des Verwaltungsgerichts Karlsruhe. Danach dürfen die Polizeipräsidenten, die im Zuge der Polizeireform vom Ministerium kommissarisch berufen wurden, wegen des noch anhängigen Rechtsstreits ihre Ämter zunächst nicht mehr ausführen. Gall lässt nun eine Beschwerde prüfen. Opposition und Beamtenbund werteten den Gerichtsentscheid als Klatsche für Grün-Rot. Die FDP sieht Gall als Minister angezählt. Die SPD verteidigte ihren Minister. Sie stellte sich - ebenso wie die Grünen - hinter die Polizeireform.

Nach Auffassung des Innenministeriums können nur acht der zwölf Polizeipräsidenten ihre Ämter vorläufig nicht ausüben. Der Vorsitzende Richter am Verwaltungsgericht, Henning Jaeckel-Leight, hatte hingegen erklärt, dass alle kommissarisch besetzten Führungsposten in den zwölf Polizeipräsidien eine neue vorläufige Führung bräuchten. Dies ergebe sich aus der einstweiligen Anordnung des Gerichts vom Dienstag. Das Ministerium sieht hingegen nur die Polizeipräsidenten-Posten betroffen, die von der Klage berührt sind. Ausgenommen seien deshalb die Polizeipräsidenten in Stuttgart, Freiburg, Ulm und Heilbronn.

Lautensack hatte Klage eingereicht

Der Chef der Deutschen Polizeigewerkschaft im Südwesten, Joachim Lautensack, hatte gegen die Auswahl der Führungskräfte geklagt, nachdem er sich vergeblich um Chefposten beworben hatte. Wegen der Anfang Dezember eingereichten Klage konnten die Präsidenten und ihre Stellvertreter in den zwölf neuen Großpräsidien des Landes ihr Amt zum 1. Januar zunächst nur kommissarisch antreten. Das Gericht hatte die Besetzung der Führungsposten gestoppt. Die Richter bemängelten, das Ministerium habe die Beamten nach „Augenmaß“ und nicht auf Grundlage einer transparenten Beurteilung ausgewählt.

Die Polizeireform, die sich über Jahre hinziehen wird, beinhaltet die Zusammenlegung der vier Landespolizeidirektionen mit den 37 Polizeidirektionen zu zwölf Großpräsidien im Südwesten.

Kritik aus der Opposition

Beamtenbundchef Volker Stich sieht in der Gerichtsentscheidung in seiner Kritik an dem Auswahlverfahren bestätigt. Die beförderten Beamten seien dafür belohnt worden, dass sie die Polizeireform mitgetragen hätten. Stich warf Gall vor, sich von führenden Juristen falsch beraten lassen zu haben. Anlass für einen Rücktritt Galls sah Stich aber nicht. Der Minister werde hoch geschätzt.

Hingegen sagte FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke über Gall: „Bei weiteren Fehlern ist sein Rücktritt unausweichlich.“ CDU-Innenexperte Thomas Blenke sprach von einem „Riesenskandal“, hielt sich aber mit Rücktrittsforderungen zurück. Gall müsse nun den Schlamassel, den er angerichtet habe, beseitigen. „Dafür muss er im Amt bleiben.“

Vize-Regierungschef Nils Schmid (SPD) sieht die langjährige Besetzungspraxis infrage gestellt - also auch die der CDU-geführten Vorgängerregierungen. Die Gerichtsentscheidung habe Auswirkungen auf die Besetzungsverfahren im öffentlichen Dienst allgemein. Grünen-Innenexperte Uli Sckerl mahnte mit Blick auf die „langjährige Berufungspraxis“ in Spitzenämter: „CDU und FDP sind gut beraten, die Angelegenheit mit weniger Schaum vor dem Mund zu behandeln.“

SPD-Fraktionschef Claus Schmiedel wies den Vorwurf zurück, Grün-Rot habe bei der Polizeireform „Gefälligkeitsbeförderungen“ gewährt. „Das sind durch die Bank leistungsstarke Beamte, die sich in polizeilichen Führungspositionen bewährt haben.“ Das Gericht habe nicht die Auwahl der Spitzenbeamten an sich kritisiert, sondern die Form. Die verlangte Dokumentation des Auswahlverfahrens lasse sich in einem überschaubaren Zeitraum nachholen, meinte er.