Der Landesinnenminister Reinhold Gall befürwortet die Vorratsdatenspeicherung. Aber er mahnt: neue Sicherheitsgesetze könnten Terroranschläge nicht völlig verhindern.

Politik/Baden-Württemberg: Rüdiger Bäßler (rub)

Stuttgart - Der baden-württembergische Innenminister Reinhold Gall befürwortet die Vorratsdatenspeicherung. Aber er mahnt: Sicherheitsgesetze könnten Terroranschläge nicht verhindern.

 
Herr Gall, haben Sie die Wucht der Bilder aus Paris schon verdaut?
Ich habe natürlich nicht nur Fernsehen geschaut, sondern ich war auch immer zeitnah über unser Lagezentrum über den Fortgang informiert. Die Bilder kann man nicht einfach verdauen. Das war von einer Brutalität, die wir so, jedenfalls in jüngster Zeit, nicht wahrgenommen haben. Was dort an Angst und Schrecken erzeugt worden ist, das war enorm und wird auch noch einen Nachhall haben, überhaupt keine Frage.
Welche Maßnahmen müssen jetzt in Baden-Württemberg getroffen werden?
Selbstverständlich haben wir uns bemüht, über unsere Kanäle beim Gemeinsamen Terrorabwehrzentrum in Berlin und dem gemeinsamen deutsch-französischen Zentrum in Kehl immer sehr nah an den Informationen zu sein. Wir haben, in Absprache mit den Bundesbehörden, einen Lagebericht und eine Gefährdungsanalyse erstellt. Fakt ist, dass aus all diesen Informationen eine unmittelbare Auswirkung auf die Gefährdungslage in Deutschland nicht erkennbar war und auch heute noch nicht ist. Gleichwohl ist es so, dass eine abstrakte Gefährdung durchaus besteht.
Und doch: in Baden-Württemberg sind die Wohnsitze der bekannten „Gefährder“ überprüft worden.
Sicher verstehen Sie, dass wir nicht alle Einzelheiten öffentlich darlegen können. Aber es ist so: Es gibt einen Handlungskatalog, der schon seit 2009 bei terroristischen Anschlägen im Ausland auch bei uns Maßnahmen in Gang setzt. Das ist passiert. Ich bezeichne das als Sensibilisierungsmaßnahmen. Wir haben im grenznahen Bereich, ergänzend zu dem, was die Bundespolizei gemacht hat, die Kräfte verstärkt. Unser Polizeipräsidium Einsatz hat dafür gesorgt, dass Teile des Sondereinsatzkommandos rund um die Uhr verfügbar sind. Auch mobile Einsatzkommandos waren vorbereitet worden, um im Fall der Fälle agieren zu können. Wir haben geschaut, wo sich die Menschen, die wir als Gefährder einstufen, befinden. Wir haben unser wirklich gutes Netzwerk in die Moscheevereine hinein genutzt, um nochmals auf Zugangskontrollen zu dringen und verdächtige Wahrnehmungen zu melden. Und wir bieten selbstverständlich auch den Medien an, Sicherheitsgespräche zu führen.
Der Bundesinnenminister Lothar de Maizière fordert eine Erhebung von Fluggastdaten innerhalb der EU. Er wünscht zudem eine Debatte über die Vorratsdatenspeicherung. Ihrer Unterstützung dürfte er damit sicher sein.
Ich bin bekanntermaßen ein Befürworter der Verbindungsdatenspeicherung, immer nach den Maßgaben des Europäischen Gerichtshofs und des Bundesverfassungsgerichts. Allerdings: in Frankreich gab es dieses Instrument, doch der Anschlag ist dadurch nicht verhindert worden. Wichtiger wäre die Vorratsdatenspeicherung für mich etwa mit Bezug auf Kinderpornografie. Wir sollten den Menschen aber keinen Sand in die Augen streuen. Sicherheitsgesetze, so scharf sie sein mögen, können solche Anschläge nicht hundertprozentig verhindern. Es geht um eine richtige Balance. Wo werden Rechte von Menschen eingegrenzt und was ist uns unsere Freiheit wert? Wir sind gut beraten, solche Diskussionen auf einer emotionslosen, fachlichen Basis zu führen und nicht immer im mittelbaren Zusammenhang mit solchen Ereignissen.
Verfügt die Landespolizei über genügend Beamte, um gewaltbereite Islamisten zu überwachen? Die erwartete Rückkehr deutscher Radikaler, die zum Kämpfen nach Syrien aufgebrochen sind, steht noch aus.
Keine Frage, die Rückkehrer machen uns Sorge. Nach all dem, was man weiß, kommen diese Leute noch radikalisierter aus Auslandseinsätzen in Syrien, aber auch aus dem Irak zurück. Deshalb versuchen wir als ersten Schritt, diese Ausreisen zu verhindern. Im Übrigen verschafft uns unsere Polizeireform im Gegensatz zu früher durch regionale Zuständigkeiten glasklare Vorteile. Wir haben in allen Präsidien Führungs- und Lagezentren. Dort arbeitet rund um die Uhr qualifiziertes und ausgebildetes Personal. Dem Thema Staatsschutz haben wir durch spezielle Inspektionen einen besonderen Stellenwert eingeräumt. Die Massen an Polizeibeamten, die durch die zentrale Führung in Frankreich gerade bewegt werden, haben wir in Deutschland wegen der Länderzuständigkeit natürlich nicht.