CDU-Innenminister Thomas Strobl kommt beim Versuch, den Grünen mehr Befugnisse für die Polizei abzuringen, bisher kaum voran. Doch hinter den Kulissen ist Bewegung.

Stuttgart - Die Linke, Fußballfans, Jugendgruppen: Es ist ein buntes Bündnis, das für dieses Wochenende zu landesweiten Demonstrationen gegen die von Innenminister Thomas Strobl beabsichtigte Verschärfung des Polizeigesetzes aufruft. Einen konkreten Anlass gibt es dafür eigentlich nicht. Denn dass Strobl in seiner Absicht, Terroranschläge zu verhindern, auch rechtlich geschützte Räume wie heimische PCs tangieren will, hat er schon 2018 verkündet.

 

Sein 160-seitiger Entwurf ist zwar nicht auf dem offenen Markt, doch der Inhalt ist bekannt. Es sind rund zehn zusätzliche Befugnisse für die Polizei – von der Online-Durchsuchung über die Schleierfahndung (verdachtsunabhängige Kontrollen) bis hin zum Recht für die Polizei, Body-Cams auch in Wohnungen zu benutzen. Andererseits ist auch bekannt, dass die Grünen sich dagegen sperren. Man habe vom „Rückgaberecht Gebrauch gemacht“, sagt Fraktionschef Andreas Schwarz ein ums andere Mal.

Was wollen „die Grünen“?

Doch hinter den Kulissen ist Bewegung. Innen-Staatssekretär Wilfried Klenk (CDU), der das Thema seit Sommer bearbeitet, und der Grünen-Innenexperte Uli Sckerl haben sich mehrfach getroffen. Sckerl hat darüber am Dienstag seiner Fraktion berichtet. Auch die Grünen-Landesvorsitzenden reden mit – und dies nicht immer im selben Zungenschlag wie Sckerl. So ist es schwierig zu beurteilen, in wiefern „die Grünen“ bereit sind, die Grenze zwischen Sicherheit und Bürgerrechten zu verschieben.

Die Fraktion zeigt sich jedenfalls eher bereit als die Parteispitze, der Polizei den Einsatz von Body-Cams in geschlossenen Räumen zu gestatten. Nicht in Wohnungen, wie Strobl dies will, aber doch in Clubs oder Gaststätten. Polizeiexperten wie der CDU-Abgeordnete Siegfried Lorek halten das zwar für unzureichend und sagen: Fast täglich würden Beamte zu häuslichen Streiterein gerufen. Doch die CDU bohrt weiter und schlägt vor, den Kameraeinsatz auf Fälle mit Gefahr im Verzug zu beschränken.

Strobls Verhandlungsmasse

Da Strobl Maximalforderungen vorgelegt hat, verfügt er über Verhandlungsmasse. So ist er dem Vernehmen nach bereit, auf die präventive DNA-Untersuchung zu verzichten. Dabei geht es um Spurenmaterial unbekannter Herkunft, das zur Verhütung von Straftaten auch auf Geschlecht, Haar- oder Hautfarbe untersucht werden darf. Auch die Schleierfahndung würde der CDU-Mann wohl opfern – wenn die Polizei dafür das Recht erhält, bei Großveranstaltungen Personenkontrollen vorzunehmen. Außerdem will er, dass Verdächtige für eine bestimmte Zeit präventiv in Gewahrsam kommen können – und stößt damit bei den Grünen nicht auf völlig taube Ohren. Die Online-Durchsuchung von PCs jedoch, so hilfreich sie im Anti-Terrorkampf sein mag, gilt bei den Grünen als unverhandelbar.

Bis zum Jahreswechsel, so heißt es, werde das Feilschen mindestens dauern. Gleichzeitig treibt Strobl ein Projekt voran, dass sich „Sicherer öffentlicher Raum“ nennt. Es geht auf den Koalitionsvertrag zurück und hat zum Ziel, das Sicherheitsgefühl der Bürger auf vielen Ebenen zu stärken. Deshalb sind in die Arbeitsgruppe gleich fünf Ministerien eingebunden. So überlegt man etwa im Verkehrsministerium, die Präsenz der Polizei in Bussen und Bahnen zu verstärken, indem man auch Kripobeamte kostenlos fahren lässt – bisher dürfen das nur Uniformierte. Im Justizministerium wiederum sinniert man, wie Messerangriffe schärfer geahndet werden können. Das Sozialministerium wiederum arbeitet an Konzepten, das Nachtleben in Großstädten sicherer zu machen.

Keine Rede mehr von „Tunichtguten“

Bis zum Jahresende soll so ein bunter Strauß von Einzelmaßnahmen entstehen. Viele davon sind in der Koalition unstrittig, eine jedoch nicht: Während die CDU Waffen für den freiwilligen Polizeidienst fordert, lehnen die Grünen dies ab. „Das müssen jetzt die Fraktionen klären“, heißt es.

Verschwunden ist von der grün-schwarzen Agenda derweil ein Thema, das der Ministerpräsident nach dem Freiburger Vergewaltigungsfall mit dem Stichwort „Tunichtgute“ belegt hatte. Dabei geht es um den Umgang mit schwer integrierbaren Jugendlichen meist ausländischer Herkunft. Zu Jahresbeginn hatte das Staatsministerium dafür Vorschläge gesammelt – unter anderem den, schwierige Gruppen zu trennen. „Das passiert doch längst“, heißt es nun auf Seiten der Regierung. Auch andere Vorschläge wie lokale Sicherheitskonferenzen seien gängige Praxis. Nicht zuletzt hat der Bund durch seine Verschärfung der Abschiebe-Regeln („Geordnete-Rückkehr-Gesetz“) vieles von dem umgesetzt, was vor einem Jahr gefordert worden war. Ein eigenes „Tunichtgut-Konzept“, so heißt es nun, sei deshalb nicht mehr notwendig.