Alina Schick von Visioverdis, einem an der Universität Stuttgart-Hohenheim entstandenen Start-up, das auf innovative Weise Fassaden begrünen will, gibt Gründertipps.

Wirtschaft: Ulrich Schreyer (ey)

Stuttgart - An der Universität Hohenheim ist schon zu sehen, was Alina Schick von Visioverdis immer mehr Interessenten anbieten will. Dort ragen kleine Bäumchen waagrecht aus einer Fassade. Durch eine spezielle Konstruktion drehen diese sich um ihre eigene Achse. Anfangs haben wir mit Waschmaschinentrommeln experimentiert“, erzählt die promovierte Gravitationsbiologin und Start-up-Geschäftsführerin. Das Prinzip der Waschmaschinentrommel und der bewegten Bäumchen ist ähnlich.

 

2017 hat Schick ihr Start-up gegründet, einen Preis für ihre Idee hat sich auch schon eingeheimst – von der Förderbank KfW. Möglicherweise ist in Stuttgart auch an anderer Stelle bald zu sehen, was Schick an Fassaden machen kann. Ein Projekt könnte noch im Oktober spruchreif werden. Auch in Wittenberg hat sie ihre Idee schon präsentiert – angesichts des Lutherjubiläums wurde dort die Außenfassade einer ehemaligen Fabrik begrünt.

Beratung ist ein wichtiges Standbein

Doch im Augenblick ist das Start-up aus Stuttgart eher beratend tätig als dass schon viele Fassaden begrünt würden. „Aber die Klimadiskussion kommt uns entgegen, die Zahl der Anfragen steigt“, sagt Schick. Selbst in Wien zeigte man sich interessiert, auch für ein Hochhaus in Frankfurt gab es beispielsweise bereits Anfragen.

Das ist auch dringend nötig: Leben kann die Gründerin von ihrem Start-up noch nicht. Bei der Steinbeis 2i GmbH leitet sie ein Projekt im Gesundheitsbereich. „Wenn man kein großes Eigenkapital hat kann es durchaus sinnvoll sein, sich nach einer weiteren Erwerbsquelle umzuschauen“ rät sie Gründern. Und immer wieder fragt sie sich, ob sie weitermachen soll, „und dann mach ich weiter“. Ginge es ihr nur ums Geldverdienen, hätte sie sich „womöglich etwas anderes ausgesucht als Fassadenbegrünung“. Aber das Thema ist wichtig für uns alle“, meint die Biologin.

Die Saure-Gurken-Zeit überwinden

Pflanzen können CO2 und Feinstaub aus der Luft herausfiltern, sie können auch dazu beitragen, dass die Städte sich weniger erhitzen. Die Fassade habe Vorteile gegenüber grünen Dächern: „Sie ist dort, wo der Verkehr und die Bevölkerung sind.“ Eine grüne Fassade könne filtern, isolieren und sei ein Gestaltungselement.

Doch so sehr ihr auch die Klimadiskussion hilft, „die meisten Start-ups machen mal eine Saure-Gurken-Zeit durch“, meint sie, „bis es sich rechnet dauert es wesentlich länger als man zunächst erwartet.“

Alina Schick von Visioverdis – die Gründertipps

An welchem Ort kommen Ihnen die besten Ideen?

Die besten Ideen kommen entweder meist im Gespräch mit anderen Menschen, vor allem wenn ich erkläre, was wir machen. Also beim aktiven Gesprächsaustausch über das Thema, oder ebenso bei Spaziergängen, wenn ich Ruhe zum Nachdenken habe.

Wie wappnet man sich gegen den Schock, wenn die tolle Idee mit der bitteren Realität konfrontiert wird?

Wappnen ist vermutlich nicht möglich. Vielmehr sind es Erfahrungswerte, die mit der Zeit kommen, was funktioniert und was nicht.

Aus welchem Scheitern haben Sie das meiste gelernt?

Scheitern innerhalb des Unternehmens? Vermutlich bei der Auswahl der Mitarbeiter und bei der Mitarbeiterführung. Wir waren zu schnell zu viele Mitarbeiter und die Personalkosten sind halt doch schnell ein großer Posten. Inzwischen ist Visioverdis wieder gesundgeschrumpft und wir arbeiten mehr mit externen Partnern.

Und was war das größte Erfolgserlebnis?

Trotz ab und zu widriger Umstände, doch immer einen Weg zu finden um weiter zu machen, um dann zu merken, dass es auch tatsächlich weiter geht und dass sich das Vorhaben weiterentwickelt. Dabei merkt man, wie man sich persönlich analog auch weiter entwickelt.

Was ist der größte Irrtum, wenn es darum geht, kreativ sein zu wollen?

Die Annahme, dass einem grade alle gedanklich folgen können.

Was war der größte Konflikt mit ihrem Umfeld?

Die Zusammenarbeit mit unterschiedlichen Disziplinen bedeutet unter anderem auch, dass unterschiedliche Sprachen gesprochen werden. Wenn man das nicht versteht, kommt es schnell zu Missverständnissen.

Und wie haben Sie das Problem gelöst?

Offenheit, Geduld, zuhören, reflektieren und lernen.

Welcher Erfinder der Geschichte wären Sie gern gewesen?

Der deutsche Botaniker Julius von Sachs, das liegt ja an der Natur unseres Produkts

Wenn Sie mal ganz visionär denken: Was würden Sie gerne erfinden, um die Menschheit weiterzubringen?

In sich geschlossen, sich selbstversorgende und lebenswerte Städte und dadurch eine Entlastung der umliegenden Ökosysteme.