Das alte Ladengeschäft des Instrumentenbaumeisters in der Tübinger Straße wird abgerissen, doch Josef Distler hat bereits neue Räume in Süd gefunden.

S-Süd - Wer das Geschäft an der Ecke von Tübinger und Cottastraße betritt, blickt zunächst auf Dutzende von Saxofonen. Der Glanz der lackierten Holzblasinstrumente lässt die wenig anschauliche Fassade des Gebäudes sofort vergessen. Nichtsdestotrotz sagt Josef Distler: „Es ist nicht schade, dass der alte Schuppen abgerissen wird, es ist nur schade, dass es mein Laden ist.“ Die Dinkelacker AG, ein aus der gleichnamigen Brauerei heraus gegründetes Immobilienunternehmen, plant dort ein neues Bauprojekt. Zwei miteinander verbundene Wohnhäuser sollen auf der Fläche von Distlers Laden und dem angrenzenden Grundstück entstehen.

 

Für Distler bedeuten die Pläne der Dinkelacker AG das Aus an der Tübinger Straße. Der 54-Jährige hat aber bereits neue Räume an der Böheimstraße gefunden. Unweit des Erwin-Schoettle-Platzes will Distler weitermachen. „Ich habe mir schon überlegt, ob ich überhaupt ein neues Geschäft aufmache“, sagt Distler. Schließlich stehen durch den Umzug auch einige Investitionen an. Weil sein Beruf aber zugleich sein Hobby ist, kann und will der Holzblasinstrumentenbaumeister nicht so einfach aufhören.

Seit Mai renoviert Distler das neue Ladengeschäft an der Böheimstraße 68. Verkaufsraum und Werkstatt werden etwa gleich viel Platz einnehmen wie an der Tübinger Straße, zudem entsteht im Untergeschoss ein Proberaum. Am 23. Oktober will Distler neu eröffnen, deshalb schließt er Ende der Woche das Geschäft gegenüber der Brauerei Dinkelacker endgültig. Dieses hatte Distler lange Jahre mit seinem Geschäftspartner Andreas Weiß betrieben und nach dessen Ausstieg seit 2001 alleine weitergeführt.

Selbst baut Distler keine Instrumente mehr

Dass ihm die Kunden folgen werden, darum macht sich Distler kaum Sorgen: „Das neue Geschäft ist mit öffentlichen Verkehrsmitteln gut zu erreichen, und Parkplätze gibt es auch an der Tübinger Straße nicht viele.“ Distlers Betrieb ist zudem nicht auf Laufkundschaft ausgelegt. Der Holzblasinstrumentenbaumeister ist einer der wenigen seiner Zunft, und sein Handwerk ist bei Anfängern wie Profimusikern gefragt. Denn er repariert die Klappe am Saxofon oder sorgt dafür, dass die Querflöte wieder einwandfrei klingt. Er ist der Mann für den guten Ton.

Selbst baut Distler keine Instrumente mehr. „Früher habe ich das auch gemacht, aber es ist schwierig diese zu einem vernünftigen Preis zu verkaufen“, sagt Distler. Zudem ist es einfach wichtig, dass es Leute gibt, die Instrumente reparieren können.“

Allgemein nehme der Druck auf Musikhäuser zu. Mit dem Verkauf von Instrumenten sei immer weniger zu verdienen. „Gerade Instrumente für Anfänger werden häufig im Internet gekauft, damit aber verdienen die meisten Musikhäuser ihr Geld“, schildert Distler eine Entwicklung, die er mit Besorgnis sieht. Zumal sich die Situation weiter verschärfen werde. Durch das achtzügige Gymnasium und die wachsende Zahl an Ganztagsschulen hätten viele potenzielle Schüler so viel Nachmittagsunterricht, dass sie überhaupt keine Zeit mehr hätten, ein Instrument zu erlernen. Damit werde es für Musiklehrer immer schwieriger, von ihrer Arbeit zu leben.

Musiker wollen den Klang vor Ort testen

Für sich selbst sieht Distler aber noch einen Markt. Sonst hätte er nicht in die neuen Räume investiert. Musiker, die hochwertige Instrumente kaufen, tun dies nämlich nicht im Internet. Sie wollen den Klang vor Ort testen. Auch wer seine Klarinette reparieren lassen muss, sucht bewusst einen darauf spezialisierten Instrumentenbauer. Für Distler ist es deshalb Ehrensache, dass er jedes Instrument, das er verkauft, auch reparieren und anspielen kann. Gitarrensaiten oder Sticks fürs Schlagzeug führt er deshalb nicht.

Wer ihn auf seinem Bariton-Saxofon spielen hört, könnte dem 54-Jährigen ein gewisses Talent unterstellen. Doch Distler ist der Erste, der widerspricht. „Wenn große Jazzmusiker im Laden anfangen zu spielen, ist das sehr beeindruckend. Egal wie viel ich übe, so weit komme ich nicht“, gibt er unumwunden zu. Zeit zum Üben bleibt ihm aber auch wenige Tage vor der Neueröffnung nicht. An der Böheimstraße müssen noch die neue Podeste für die Saxofone aufgebaut werden. Die alten haben nicht die passenden Maße. Einzig die Vitrinen, in denen die mit Silber beschichteten Sopransaxofone, Klarinetten und Querflöte gelagert werden, ziehen mit um. Die Alarmanlage natürlich auch. Auf eine Veränderung in den neuen Räumen muss sich Distler allerdings erst noch einstellen: An den Fenstern an der Böheimstraße wird es keine Gitterstäbe mehr geben. Die Instrumente sind so besser zu sehen. Und Diebe haben trotzdem kein leichtes Spiel.