Die Region Stuttgart und das ganze Land Baden-Württemberg sind eine Hochburg des Instrumentenbaus. Mehr als 100 Betriebe in der Region fertigen von der Flöte bis zum Flügel fast jedes gewünschte Instrument an.

Nachrichtenzentrale : Lukas Jenkner (loj)

Leonberg/Göppingen - Wer erfahren möchte, was lebendige Tradition bedeutet, für den lohnt sich ein Besuch in der Flügel- und Klavierfabrik Carl A. Pfeiffer in Leonberg. Dort erzählt Georg Pfeiffer, der die Fabrik in der fünften Generation in der Familie hält, dann Geschichten wie jene vom runtergespielten Klavier, das ein Professor von seiner Familie im Schwarzwald geerbt hat. Nun lässt er es in Leonberg aufarbeiten, um es dann in der Schweiz, wo er inzwischen lebt, in Empfang zu nehmen. Auf der Innenseite des Korpus ist die Nummer 32140 zu lesen: „Die hat mein Großvater aufgemalt“, sagt Georg Pfeiffer, der Enkel. „Das ist das 140. Klavier aus dem Jahr 1932. “

 

Seit 1862 existiert die Klavierfabrik, angefangen hat sie in Stuttgart, an der Silberburgstraße wurde die Firma 1943 ausgebombt, nach dem Krieg wiederaufgebaut, 1994 folgte der Umzug nach Leonberg. Wenn Pfeiffer im Konferenzraum im dunklen Anzug mit weißem Hemd über Tradition und Qualität spricht, dann mit einer Haltung, die seine Kunden wohl von ihm erwarten. Ein Klavier, einmal gekauft, gehöre zur Familie, sagt er, und werde über Generationen weitergegeben. Manchmal kommen in Pfeiffers Werkstatt sogar Pianos, deren Aufarbeitung testamentarisch verfügt ist und die aus dem Erbe bezahlt wird. Die Musikschulen sind voll, die Klavierlehrer führen Wartelisten. Im Süddeutschland kommen auf 100 Familien 15 Klaviere. „Das ist die höchste Dichte bundesweit“, sagt Pfeiffer. Rund 50 Klaviere und Flügel entstehen jedes Jahr in seiner Leonberger Fabrik – je nach Auftragslage.

Ein gutes Stück Holz kann wertvoller sein als Platin

Ein ganz ähnliches Traditionsbewusstsein pflegen Tino und Bernd Mehnert mit der Kunstwerkstätte für Böhmflötenbau in Ottenbach bei Göppingen. Gegründet 1891 in der Musikstadt Markneukirchen im sächsischen Vogtland, machte der seinerzeitige Meister Franz Mehnert nach dem Zweiten Weltkrieg mit der Werkstatt rüber in den Westen und siedelte sich in Stuttgart an. Im Jahr 1978 übernahm der Sohn Hans-Jochen Mehnert den Betrieb, der im Wesentlichen aus einer kleinen Werkstatt im Erdgeschoss des Familienhauses besteht und vollgestopft ist mit Werkzeug und Utensilien. Inzwischen bringen neben Bernd und Tino Mehnert auch dessen Kinder Robin und Nina den kleinen Holzstücken die Flötentöne bei.

„Ein gutes Stück Tropenholz“, sagt Tino Mehnert, „ist für uns mehr wert als Gold und Platin“, und er zeigt auf ein dunkles Stück Teak in seiner Hand. „1954“ steht darauf geschrieben. „Das ist noch vom Opa“, sagt Mehnert. Weil Tropenhölzer inzwischen geschützt sind und zum Beispiel in die USA ohne Zertifikat gar nicht mehr eingeführt werden dürfen, sind solche alten Stücke für die Mehnerts tatsächlich höchst wertvoll. Schließlich fertigen sie in der kleinen Familienwerkstatt auf Kundenwunsch individuelle Flöten an, die pro Stück zwischen 10 000 und 30 000 Euro kosten. Dafür kommen die Musiker aus der ganzen Welt zum Probespiel angereist und feilen mit den Kunsthandwerkern am perfekten Ton. „Es ist ein bisschen das Streben nach dem Unerreichbaren“, sagt Mehnert. Wenn er im Konzertsaal sitzt, erkennt er die Flöten seiner Werkstatt, er weiß, welches Instrument in den Händen welches Musikers ist – rund 5000 der Mehnert’schen Flöten seien weltweit im Umlauf, schätzt er.