Die Bürger in Baden-Württemberg wollen kulturelle Vielfalt im Land und halten die Integration für gelungen. Zu Verbesserungen sollten sie selbst beitragen, meinen sie selbstkritisch.

Stuttgart - Für das Integrationsministerium gibt es einiges zu tun. Das folgert dessen Chefin Bilkay Öney (SPD) aus einer Umfrage zur Integration in Baden-Württemberg. Danach hat sich im Land in den vergangenen fünf Jahren weniger getan als im Bund. „Das ist ein Handlungsauftrag an das Ministerium“, folgert Öney. Allzu großes Zutrauen haben die Befragten mit deutscher Staatsangehörigkeit nicht in die neue Institution. Nur 39 Prozent erwarten Verbesserungen durch das 2011 gegründete Ministerium. Immerhin wissen 45 Prozent, dass es ein solches Ministerium gibt, Nur im Regierungsbezirk Karlsruhe hat Öney ein Wahrnehmungsproblem. Dort haben nur 37 Prozent von einem Landes-Integrationsministerium gehört, dafür weiß es im Bezirk Stuttgart jeder zweite.

 

Überhaupt meinen 70 Prozent der Befragten, die Zuwanderer täten nicht genug für die Integration, Defizite bei den Einheimischen sehen 61 Prozent, bei der Politik aber nur 30 Prozent.

Schlechte Chancen auf dem Wohnungsmarkt

Dass Migranten nicht überall die gleichen Chancen haben wie Einheimische, sehen 76 Prozent der Baden-Württemberger so. 61 Prozent glauben, Einwanderer hätten schlechtere Chancen auf dem Wohnungsmarkt, 48 Prozent sehen Benachteiligungen in Arbeit und Ausbildung, jedoch geben nur 23 Prozent an, Kinder mit ausländischen Wurzeln würden in Schule und Bildung den Kürzeren ziehen. Die Betrachtungsweise hängt unter anderem vom Lebensalter ab: Befragte über 65 Jahre sprechen deutlich seltener von Chancenungleichheit als jüngere Umfrageteilnehmer.

61 Prozent halten die Integration im Land für gelungen. Das Fazit für den eigenen Wohnort fällt mit 72 Prozent positiver aus. Tendenziell beurteilt die Großstadtbevölkerung die Integration skeptischer als die Bewohner kleinerer Orte.

Hauptsache gesetzestreu

Am wichtigsten ist den Baden-Württembergern, dass die Zuwanderer die Gesetze beachten. Das erwarten 100 Prozent der Befragten. Alle wollen auch, dass Zuwanderer Deutsch lernen. Dass sie ihre kulturelle und religiöse Lebensweise aufgeben sollen, erwartet lediglich jeder dritte. Als besonders störend wird kulturell begründete Gewalt genannt (96 Prozent), dass Eltern die Eheentscheidung für ihre Kinder treffen, lehnen 87 Prozent der Befragten ab und 62 Prozent monieren, dass Zuwanderer unter sich bleiben. 34 Prozent stören sich an muslimischen Kopftüchern, 32 Prozent lehnen Moscheebauten ab. Als wichtigste Integrationsmaßnahme betrachten die Befragten die Sprachförderung (96 Prozent), 91 Prozent raten, etwas gegen kriminelle Zuwanderer zu tun.

Zuwanderer brauchen Tipps

Bei der Verbesserung der Integration fassen sich die Befragten an die eigene Nase. Zwar glauben 52 Prozent, die Zuwanderer seien selbst für das Gelingen der Integration verantwortlich. Doch meinen 92 Prozent, man müsse ihnen Tipps zum Einleben oder Hilfe bei Problemen mit Behörden geben. Tatsächlich helfen jedoch nur 31 Prozent.

Die Ministerin folgert daraus: „Die Bevölkerung ist bereit, mehr für die Integration zu tun. Wir müssen sie ermuntern und unterstützen“. Öney spricht davon, mehr Formen der Begegnung zu ermöglichen. Die Bürger begrüßen die kulturelle Bereicherung, doch die nachbarschaftlichen Kontakte sind ausbaufähig. Auch das ergibt die Studie. Das Land sieht Öney auf dem richtigen Weg. Dass die verbindliche Grundschulempfehlung abgeschafft sei, könnte die Bildungschancen verbessern. Die Sprachförderung soll weiter ausgebaut werden. Geplant ist zusammen mit dem Innenministerium ein Modellprojekt, um den Migrantenanteil in der Polizei zu erhöhen. Mitte Juni soll ein arbeitsmarktpolitisches Projekt beginnen. Dann will das Land anonymisierte Bewerbungen erproben. Das soll die Chancen von Migranten auf dem Arbeitsmarkt erhöhen. Gleichzeitig will Öney deutlicher machen, dass das Land die zugewanderten Fachkräfte braucht. Deren wirtschaftliche Leistung werde nicht ausreichend anerkannt.

Befragte

3001 Wahlberechtigte wurden im Zeitraum vom 30. Januar bis 4. März telefonisch vom Meinungsforschungsinstitut Infratest dimap befragt. Rund 600 Befragte sind Einwanderer, die die deutsche Staatsangehörigkeit angenommen haben. Die Interviews dauerten 26 Minuten.

Zu 14 Themenfeldern sollten die Befragten sich am Telefon äußern. Die Bereiche erstreckten sich von der Einschätzung des Migrantenanteils in Baden-Württemberg bis zur Bekanntheit des Integrationsministeriums.

Nicht schlecht lagen die Befragten bei der Einschätzung der Zuwandererquote im Land: Sie schätzten sie auf 22,6 Prozent, laut Statistischem Landesamt liegt sie bei 26,2 Prozent.

Am meisten Kontakt am Arbeitsplatz

Erfahrungen
Zuwanderer gehören zum Alltag in Baden-Württemberg. 66 Prozent der Befragten haben häufig Kontakt am Arbeitsplatz, 57 Prozent in der Familie, in der Nachbarschaft jedoch nur 26 Prozent. 68 Prozent der Befragten erklären, dass sie überwiegend gute Erfahrungen mit Zuwanderern gemacht haben.

Die 54 Seiten starke Studie „Gelebte Vielfalt“ kann heruntergeladen werden unter www.integrationsministerium-bw.de