Chef vom Dienst: Tobias Schall (tos)

Made in Germany steht für Wertarbeit und Präzision, für Leistung und Disziplin – und die genannten Athleten sind beste Beispiele für Qualität aus Deutschland. Botschafter einer modernen Republik. Sportler sind die Aushängeschilder einer Nation, weil sie medial im Fokus stehen wie niemand sonst und dadurch das Bild eines Landes im Ausland maßgeblich prägen. Kein Politiker, kein Unternehmer, kein Wissenschaftler ist ein solcher massenmedialer Multiplikator wie ein erfolgreicher und beliebter Sportler mit Wirkung nach außen wie nach innen, wenn Millionen Deutsche einem Mesut Özil zujubeln. Die deutsche Fußball-Nationalmannschaft der Männer gilt als Vorzeigeobjekt des neuen Deutschlands. Die DFB-Elf ist die Blaupause einer Nation, die sich verändert hat und sich weiter diversifiziert. Spieler wie Sami Khedira sind Leuchttürme der Integration. Als respektierte Leistungsträger der Gesellschaft sind sie Vorbilder für Menschen mit ähnlichen Lebensläufen. Der Deutsch-Tunesier verkörpert eine moderne Generation von Deutschen mit Migrationshintergrund, den Prototypen eines Deutschlands 2.0, eines Einwanderungslandes, das die BRD geworden ist.

 

Leistungsträger mit Migrationshintergrund sind im Spitzensport längst Alltag. Ist dieser Bereich damit vielleicht weiter als die Gesellschaft, in der ein asiatisch aussehender Vizekanzler Philipp Rösler rassistisch diffamiert wurde?

Das System Hochleistungssport tut sich mit der Integration grundsätzlich leichter, weil es andere Anforderungen an Menschen stellt als etwa das Bildungssystem oder das Berufsleben. Der Sport fordert leistungsbereite, körperlich hochveranlagte Individuen. Soziale Herkunft und sprachliche Fähigkeiten limitieren nicht den Zugang. Es ist egal, wie jemand heißt, wie er aussieht, wo die Eltern herkommen, aus welcher Schicht er stammt. Bist du gut oder nicht? Kannste was, biste was! Das ist das Dogma des Leistungssports. Hochleistungssport ist ein gnadenloses, ein selektives System, aber – zumindest in der Theorie – objektiv, weil es nur um Leistung geht.

Die Politik und der Sport werden nicht müde, die – unbestrittenen – integrativen Fähigkeiten herauszustellen. Seit 1989 finanziert der Bund das Programm „Integration durch Sport“. Jährlich fließen 5,4 Millionen Euro vom Innenministerium an den Deutschen Olympischen Sportbund. Dass Sport ein wichtiger Faktor ist, daran gibt es keinen Zweifel, wohl aber an dem Beitrag, den der Sport tatsächlich leistet.

Er ist eben nicht das real gewordene Utopia einer perfekten multikulturellen Gesellschaft des 21. Jahrhunderts: Während in Deutschland 19,5 Prozent (Stand 2011) der Menschen einen Migrationshintergrund haben, sind es in Sportvereinen neun Prozent; im deutschen Olympiateam 2012 lag der Anteil sogar nur bei sechs Prozent. Auch bei den Funktionären sind Migranten massiv unterrepräsentiert, nur fünf Prozent haben einen entsprechenden Hintergrund – dabei sind gerade diese Personen auf der untersten Ebene, dem Vereinssport als Einstieg, für die Integration immens wichtig. Immerhin steigen bei den Ehrenamtlichen die Zahlen: 2008 waren es laut des Sportentwicklungsberichts der Bundesregierung nur 2,6 Prozent.

Das Jahr 2013 neigt sich dem Ende zu, am Sonntag werden Deutschlands Sportler des Jahres gekürt (siehe „Die Sportlerwahl“). Und bei der traditionellen Bilanz der zurückliegenden Monate werden viele Namen auftauchen, die für Deutschland Erfolge gefeiert haben und einen Migrationshintergrund haben. Deutschland ist Thomas Müller und Sebastian Vettel und Timo Boll und Michael Jung. Aber eben nicht nur. Deutschland heißt heute oft anders, und es sieht auch anders aus.

Schwarz. Rot. Bunt.

Der in Kiew geborene Dimitrij Ovtcharov wurde Tischtennis-Europameister; in Moskau wurde der dunkelhäutige Raphael Holzdeppe als erster Deutscher Stabhochsprung-Weltmeister; in Wimbledon erreichte Sabine Lisicki, Tochter polnischer Eltern, das Finale; in der NBA gilt der Basketballer Dennis Schröder, Sohn einer gambischen Mutter, als Hoffnungsträger; der Fußballer Mesut Özil ist heute ein Weltstar; beim EM-Titel der Fußballfrauen wurden Dzsenifer Marozsán und Célia Okoyino da Mbabi, die nach ihrer Heirat Sasic heißt, als deutsche Vertreter in das All-Star-Team gewählt.

Spieler wie Sami Khedira als Leuchttürme der Integration

Made in Germany steht für Wertarbeit und Präzision, für Leistung und Disziplin – und die genannten Athleten sind beste Beispiele für Qualität aus Deutschland. Botschafter einer modernen Republik. Sportler sind die Aushängeschilder einer Nation, weil sie medial im Fokus stehen wie niemand sonst und dadurch das Bild eines Landes im Ausland maßgeblich prägen. Kein Politiker, kein Unternehmer, kein Wissenschaftler ist ein solcher massenmedialer Multiplikator wie ein erfolgreicher und beliebter Sportler mit Wirkung nach außen wie nach innen, wenn Millionen Deutsche einem Mesut Özil zujubeln. Die deutsche Fußball-Nationalmannschaft der Männer gilt als Vorzeigeobjekt des neuen Deutschlands. Die DFB-Elf ist die Blaupause einer Nation, die sich verändert hat und sich weiter diversifiziert. Spieler wie Sami Khedira sind Leuchttürme der Integration. Als respektierte Leistungsträger der Gesellschaft sind sie Vorbilder für Menschen mit ähnlichen Lebensläufen. Der Deutsch-Tunesier verkörpert eine moderne Generation von Deutschen mit Migrationshintergrund, den Prototypen eines Deutschlands 2.0, eines Einwanderungslandes, das die BRD geworden ist.

Leistungsträger mit Migrationshintergrund sind im Spitzensport längst Alltag. Ist dieser Bereich damit vielleicht weiter als die Gesellschaft, in der ein asiatisch aussehender Vizekanzler Philipp Rösler rassistisch diffamiert wurde?

Das System Hochleistungssport tut sich mit der Integration grundsätzlich leichter, weil es andere Anforderungen an Menschen stellt als etwa das Bildungssystem oder das Berufsleben. Der Sport fordert leistungsbereite, körperlich hochveranlagte Individuen. Soziale Herkunft und sprachliche Fähigkeiten limitieren nicht den Zugang. Es ist egal, wie jemand heißt, wie er aussieht, wo die Eltern herkommen, aus welcher Schicht er stammt. Bist du gut oder nicht? Kannste was, biste was! Das ist das Dogma des Leistungssports. Hochleistungssport ist ein gnadenloses, ein selektives System, aber – zumindest in der Theorie – objektiv, weil es nur um Leistung geht.

Die Politik und der Sport werden nicht müde, die – unbestrittenen – integrativen Fähigkeiten herauszustellen. Seit 1989 finanziert der Bund das Programm „Integration durch Sport“. Jährlich fließen 5,4 Millionen Euro vom Innenministerium an den Deutschen Olympischen Sportbund. Dass Sport ein wichtiger Faktor ist, daran gibt es keinen Zweifel, wohl aber an dem Beitrag, den der Sport tatsächlich leistet.

Er ist eben nicht das real gewordene Utopia einer perfekten multikulturellen Gesellschaft des 21. Jahrhunderts: Während in Deutschland 19,5 Prozent (Stand 2011) der Menschen einen Migrationshintergrund haben, sind es in Sportvereinen neun Prozent; im deutschen Olympiateam 2012 lag der Anteil sogar nur bei sechs Prozent. Auch bei den Funktionären sind Migranten massiv unterrepräsentiert, nur fünf Prozent haben einen entsprechenden Hintergrund – dabei sind gerade diese Personen auf der untersten Ebene, dem Vereinssport als Einstieg, für die Integration immens wichtig. Immerhin steigen bei den Ehrenamtlichen die Zahlen: 2008 waren es laut des Sportentwicklungsberichts der Bundesregierung nur 2,6 Prozent.

Manche Disziplinen sind leicht zugänglich, andere elitär

Auch der Sport separiert, nicht bewusst vielleicht, aber er tut es. Während einige Disziplinen leicht zugänglich sind, wirken andere abweisend, elitär. Die Wissenschaft spricht von Arbeitersportarten und bourgeoisen Disziplinen. Der Soziologe und ehemalige Spitzenfunktionär in der Leichtathletik, Eike Emrich, sagt: „Im Sport wirkt die soziale Ungleichheit ähnlich wie im Bildungssystem.“ Während im DFB 19 Prozent der Spieler einen Migrationshintergrund haben, liegt die Quote etwa bei Kanuten mit sieben oder in Schützenvereinen mit fünf Prozent signifikant unter dem Durchschnitt. „Fußball ist von seiner Herkunft her ein Arbeitersport gewesen, deshalb hat er historisch sehr früh viele Menschen mit Migrationshintergrund in seinen Reihen zählen können“, sagt Emrich.

Ein erfolgreicher Sportler zu sein ist aber längst kein Freifahrtschein in die Gesellschaft. Das zeigt ein Beispiel aus dem Boxen. Felix Sturm kam als Adnan Catic in Leverkusen auf die Welt, die Eltern bosnisch, der Name ausländisch. Als Jugendlicher musste sich er sich in Hallen   als „Scheißkanake“ beschimpfen lassen, wie er einmal erzählt hat. Als er zu den Profis wechselte, legte er sich einen Künstlernamen zu. „Ich will endlich als richtiger Deutscher akzeptiert werden“, begründete er damals seinen Entschluss. Felix Sturm also, ein „richtiger“ Deutscher mit einem „richtigen“ Namen, der sich auch deutlich besser vermarkten lässt als eine ausländisch klingende Buchstabenkombination wie Catic. Anschlussfähiger für die Masse, nennt sich das im Marketingdeutsch. Namen machen Leute?

Auch das ist Realität. Damals wie heute, 2013. Felix Sturm wurde vor einer Woche in Stuttgart zum vierten Mal Box-Weltmeister und vom Publikum stürmisch gefeiert. Er ist einer der Stars des deutschen Sports. Was wohl aus Adnan Catic geworden wäre?

Probleme kennt auch der Stabhochsprung-Weltmeister Holzdeppe: „Natürlich trifft man manchmal dumme Leute“, hat er bei der WM in Moskau erzählt. Vorfälle seien aber sehr selten. In Kaiserslautern, wo er aufwuchs, gebe es durch die US-Army-Basis viele Dunkelhäutige, vielleicht liege es daran. Der dunkelhäutige Dreispringer Charles Friedek, der 1999 Weltmeister wurde, hat das in seiner Jugend noch anders erlebt. Als GI-Kind sei er oft wegen seiner Hautfarbe gehänselt worden, klagte der in Gießen geborene Dreispringer damals. Im Sport habe er Anerkennung gesucht, die er sonst vermisste. „Wenn man zu Hause als Farbiger im Trainingsanzug durch die Innenstadt läuft, gilt man als Asylant.“

Anerkennung im Sport ist das eine, Respekt im täglichen Leben das andere. Sich integrieren zu wollen und andere zu integrieren, darum geht es am Ende. Das zeigen etwa die Reaktionen auf den EM-Titel der deutschen Tischtennisfrauen, aber auch die emotionale Debatte über das Singen der deutschen Nationalhymne.

Handball hinkt hinterher

Für die Sportarten wiederum geht es neben ihrer sozialen Aufgabe nicht zuletzt darum, brachliegendes Potenzial für sich zu erschließen. Nur so haben sie eine Zukunft. Integration als Selbstzweck. Wie wichtig das Thema für den deutschen Sport ist, zeigt ein Blick auf den demografischen Wandel in der Gesellschaft. Der Anteil an Menschen mit ausländischen Wurzeln in der BRD wird weiter zunehmen. 2008 hatten in der Altersgruppe der unter Fünfjährigen ein Drittel der Kinder einen Migrationshintergrund. Die DNA von good old Germany ändert sich. Während vor allem muslimische Mädchen bisher kaum Angebote der traditionellen deutschen Sportvereine wahrnehmen, haben es einige auch selbst versäumt, attraktiv für Menschen mit Migrationshintergrund zu sein.

Der Handball, zum Beispiel. Der Sportsoziologe und frühere Bundesligaspieler Klaus Cachay sagt: „Dem Handball gelingt es nicht, das vorhandene Potenzial zu nutzen. Der Migrantenanteil tendiert im Handball gegen null“, sagt er. Andere Sportarten seien erheblich weiter. Der größte Anteil an Migranten hat türkische Wurzeln, kommt also aus einem Land, das keine Handballtradition hat. Allerdings gilt dies zum Beispiel nicht für den hohen Anteil an Migranten aus Osteuropa, wo Handball sehr beliebt ist. Doch für die sind die hippen Sportarten wie Basketball und Fußball bis jetzt attraktiver. Im noch immer ländlich geprägten Handball, so sagt Cachay, fehlen die Vorbilder. Eine Ausnahme ist Patrick Wiencek. Der in Duisburg geborene Nationalspieler hat polnische Wurzeln, als der dortige Verband ihn für sich gewinnen wollte, lehnte er aber ab: „Meine Heimat ist Deutschland, ich fühle und spreche deutsch“, sagt er stellvertretend.

Beim Deutschen Tischtennis-Bund kam nach der EM übrigens ein bisschen Post an. Ein paar äußerten ihren Unmut, viele waren es nicht. Deutlich mehr fragten nach Autogrammen der Europameisterinnen.