Zum ersten „Teller Heimat“ im Großformat kommen mehr als hundert Gäste in den WAC-Saal. Das sonst kleinere regelmäßige Essen im Little Italy ist für die Teilnehmer gelebte Integration – und im Alltag trifft man sich dann im Stadtteil wieder, erkennt sich und unterhält sich weiter.

S-Süd - Was daraus werden könnte, daran hatten die beiden Studenten vor gut drei Jahren keinen Gedanken verschwendet. Julius Niehaus und Georg Ulrich hatten schlicht Defizite registriert, als sie Flüchtlingen im Begegnungscafé im Generationenhaus in Heslach beim Deutschlernen halfen: „Wir haben gesehen, wie schwierig es ringsum war, miteinander in Kontakt zu treten“, erzählt Niehaus, „aber weil wir beide gerne kochen, hatten wir die Idee, Leute auf diese Weise an einen Tisch zu bringen. Mit einem Teller Heimat, den die Flüchtlinge zubereiten.“ Und so war der schillernde Name der Initiative geboren: „Ein Teller Heimat“.

 

Die 30 Plätze sind meistens schnell weg

Mit Claudia Reiss, der Inhaberin des „Little Italy“, hatten sie schnell eine Mitstreiterin, die bereit war, einmal im Monat an einem Schließtag ihr Restaurant zur Verfügung zu stellen. Per Anmeldung sind die 30 Plätze in der Regel schnell weg, und so kam die Idee auf, „einmal einen großen Teller Heimat zu machen“, wie Daniel Link nun im Saal des Württembergischen Automobilclubs (WAC) bei der Begrüßung der über hundert Gäste sagte.

Zur Feier des Tages wurde auch in der WAC-Küche dreifacher Aufwand getrieben, mit zwei Köchinnen und einem Koch, die je Landestypisches auftischen ließen. Zina Aljnidi aus dem Libanon hatte die ganze Woche davor in Vorbereitungen gesteckt, hatte sechs Kilo Weinblätter zu Warakk Inab verarbeitet, damit also Reis eingerollt. Drei Stunden hatte sie fürs Kilo gebraucht, zuletzt musste alles 24 Stunden auf niedrigster Stufe garen. Nebenher hat sie sich gekochte Kalbsschulter gezupft und Bulgur mit Linsen und Zwiebeln vorbereitet. Und jetzt, kurz vor Beginn am Montagabend, darf ihr Mann den Salat im großen Bottich mit einer Granatapfel-Soße anmachen.

Rezepte von der Oma

Mario Pugliese ist schon bereit mit Lasagne al Pesto und Co., während nebenan Nahid Vassefi aus dem Iran den Safranreis ins große Behältnis kippt. Und die knusprige Haube prüft, durch die dünne Schicht Kartoffeln entstanden, auf der sie den Reis gegart hatte: „So habe ich das von meiner Oma gelernt, in einer sehr glücklichen Kindheit“, erzählt sie. Bei Vassefi scheint jetzt ein innerer Film abzulaufen: „Das Essen erinnert mich an meine Heimat, an Feste mit Nachbarn und Freunden, an Feiern und Hochzeiten. Ja, das war einmal mein Land!“ Sie sei aber auch stolz, dass sie den Gästen nun „einen Teller Heimat“ bieten dürfe: „Dieser Name ist so schön!“

Während sich die Organisatoren noch ein bisschen Sorgen machen, dass am Buffet lange Schlangen entstehen könnten, löst sich das angesichts der entspannten Stimmung von selbst. Es darf nachgeholt werden, eine Oud wird gestimmt, an den Tischen herrscht lebhafte Unterhaltung. „Wer hier ist, der setzt einen Punkt. Das ist auch ein Statement für Integration“, sagt Antje Schiemann. „Es ist keine Demo auf dem Schlossplatz, das wäre eine andere Handlungsebene. Aber politisch ist das hier schon auch“, betont ein anderer Gast am Tisch, der zum ersten Mal dabei ist.

Seit drei Jahren wird am Bürotag im Restaurant gekocht

Im Gegensatz zu Matthias Ludwig. Er war fast immer dabei: „Das hier lebt! Das ist gelebte Integration. Es entstehen Kontakte in den Alltag hinein. Wenn man im Quartier unterwegs ist, trifft man immer wieder jemanden, den man vom Teller Heimat kennt“, erzählt der Software-Entwickler und ergänzt noch: „Es ist immer interessant. Ein kommunikativer Event mit lecker Essen. Es ist jedes Mal spannend. Die Basis ist ja, dass man Interesse füreinander und für unterschiedliche Kultur hat. Essen verbindet!“

Den Abend genießen konnte auch Claudia Reiss: „Ich mag es einfach, wenn Leute zusammenkommen.“ Wenn sie über die drei Jahre sinniert, in denen an ihrem Bürotag andere in ihrer Restaurantküche gekocht haben, sieht sie nicht zuletzt dies: „Was für eine tolle Entwicklung viele gemacht haben, wie man aufeinander zugeht. Es ist immer sehr lebhaft. Beim Essen finden die Leute zusammen.“

Nach fast drei Stunden werden im Saal die Stühle gestapelt, die Tische zur Seite gerückt. In der Küche jede Menge Gläser gespült. Es ist eine sehr aufgeräumte Stimmung, auch am Ausgang, wo Daniel Link viele Hände schüttelt: „Ich sehe viele glückliche Gesichter“, sagt der Mitorganisator und fügt hinzu: „Es war wie immer, nur ein bisschen größer diesmal.“