Zlatin Stoychev kommt ursprünglich aus Bulgarien. Anfangs tat sich der heute 18-Jährige schwer mit dem Einleben. Die Schauspielerei hat seine Integration vorangetrieben. Jetzt kommt weitere Unterstützung.

Rems-Murr: Simone Käser (sk)

Als Zlatin Stoychev nach Deutschland kam, war er sechs Jahre alt. Er sprach kein Wort Deutsch und war in seinem Heimatland Bulgarien noch in den Kindergarten gegangen. Er kam erst mal in eine sogenannte Vorbereitungsklasse. „Ich habe aber weder da noch in der Grundschule Freunde gefunden und kam mir vor wie so ein Mitläufer, der nirgends reinpasst.“

 

Zlatin Stoychev ist angekommen im Leben in Deutschland

Das ist heute anders. Der mittlerweile 18-jährige Schüler aus Aspach, der bald sein Abitur macht, ist angekommen im Leben in der neuen Heimat. Geholfen hat ihm dabei vor allen Dingen seine Liebe zum Theater. „Über die Schauspielerei ist mir die Integration gelungen.“ Nun bekommt Zlatin Stoychev noch von einer anderen Seite Hilfe – er wurde als Stipendiat bei der „Start-Stiftung“ ausgewählt und wird nun die nächsten drei Jahre auf seinem Weg begleitet. Er wird mit Geld, Workshops und Infos unterstützt und darin gefördert, sich in der und für die Gesellschaft einzusetzen. „Meine frühere Klassenlehrerin brachte mich auf die Idee, mich bei der Start-Stiftung zu bewerben. Erst kam eine Absage, dann hat es doch geklappt, und ich war begeistert.“

Das Stipendium soll helfen, eigene Werte und Ideen zu entwickeln

In diversen Workshops lernen die Stipendiaten sich, ihre eigenen Werte und ihre Identität kennen. Sie finden heraus, wofür sie brennen und entwickeln eine Vorstellung davon, was sie in der Gesellschaft bewirken wollen. Über das Jahr verteilt besuchen sie weitere Workshops, Veranstaltungen und Seminare mit anderen Jugendlichen aus ganz Deutschland, aber auch in kleineren Gruppen in ihrem eigenen Bundesland. Im zweiten Jahr können sie dann aus mehreren Seminaren und Themenbereichen auswählen. Sie erfahren, welche Herausforderungen es in der Gesellschaft gibt und wie sie anderen kommunizieren können, was ihnen wichtig ist. Am Ende des Jahres kommen alle eine Woche im Sommer zusammen, um das Gelernte zu reflektieren und gemeinsam Spaß zu haben. Im Zentrum stehen die Umsetzung von Ideen und das Ausprobieren – für Zlatin Stoychev vertraute Handlungen.

Früher war er zu angepasst, heute ist der 18-Jährige er selbst

Der junge Mann liebt es, in die Theaterwelt einzutauschen und loszulassen. „Anfangs habe ich versucht, es allen recht zu machen. Ich war sehr angepasst. Jetzt bin ich authentisch, einfach ich selbst.“ Die Erkenntnis, dass niemand immer gut gelaunt ist und man das auch niemandem vorgaukeln muss, kam dem 18-jährigen Stipendiaten erst in der langen Coronazeit. Davor sei er quasi „überintegriert“ gewesen; artiger und regelkonformer als alle anderen.

Das Theater ist für ihn da ein passender kleiner, abgeschlossener Mikrokosmos. In der weiterführenden Schule fing seine Theaterliebe und damit auch die Integration an. Plötzlich gehörte er dazu, ohne sich verstellen zu müssen; traute sich heraus aus seiner „Komfortzone“, wie er selbst es nennt. „Neben dem Schultheater am Sozialgymnasium in Backnang spiele ich auch in anderen Projekten und mache Regie. Hauptsächlich arbeite ich mit der Regisseurin Ismene Schell zusammen, das ist großartig.“

Das Stipendium will er dafür nutzen, das bisher Erreichte voranzutreiben. „Mit Mut kann man viel erreichen und kreativ sein“, sagt Stoychev, der neben dem Theater auch gerne Filme schaut oder bulgarisches Essen genießt. Denn Integration hin oder her: „Ständig nur Maultaschen geht einfach nicht.“ Der 18-Jährige lacht und freut sich schon auf den Abschluss des Stipendiums. Da kommen alle Jugendlichen des Jahrgangs zu einer großen Konferenz zusammen. Und dann wird es für Zlatin Stoychev weitergehen mit der Schauspielerei. „Meine Berufspläne stehen fest, egal, ob jemand sagt, dass sei eine brotlose Kunst, ich mache weiter.“

Neuestes Projekt von Zlatin Stoychev: „Give me five“. Aufführungen am 5./6. November und am 3./4. Dezember im White Noise Stuttgart, Eberhardstraße 37. Weitere Infos und Reservierung unter mail@freiebuehnestuttgart.de.