Exklusiv Manfred Stehle hat das Integrationsministerium aufgebaut. Nun ist der Spitzenbeamte in den Ruhestand getreten – und fordert, dass Ministerin Bilkay Öney behandelt werde wie jede andere deutsche Ministerin auch.

Stuttgart - Manfred Stehle wäre nicht er selbst, wollte er zum Abschied nicht noch ein paar Botschaften los werden. Der 66-jährige Sozialdemokrat und bisherige Amtschef des Integrationsministeriums ist mit Ablauf des Montags in den Ruhestand getreten. Phänotypisch repräsentiert der nunmehrige Ministerialdirektor i. R. den Verwaltungsbeamten ganz so, wie man sich ihn vorstellt: immer korrekt, eher trocken, im Sprachduktus den Bürokraten nicht verleugnend.

 

Doch Stehle verfügte immer schon über einen wachen Instinkt für die politische Lage. Als Dezernent und Pressesprecher des baden-württembergischen Städtetags hatte er in 20 Jahren einen nicht geringen Anteil daran, dass der Verband in der landespolitischen Landschaft stets präsent war. Stehle wusste, wo man anrufen musste und welche Strippen zu ziehen waren, um für den Städtetag öffentliche Wahrnehmung zu erzeugen. Als er 2011 bereits mit dem Rückzug aufs Altenteil liebäugelte, erreichte ihn die Bitte des SPD-Landesvorsitzenden Nils Schmid, das in den letzten Zügen der Koalitionsverhandlungen beschlossene Integrationsministerium aufzubauen. „Null Personal, null Räume, null Technik“, so beschreibt Stehle die Ausgangslage. Dazu kam dann schnell eine hohe Erwartungshaltung, die „in einer gewissen Diskrepanz zu den überschaubaren Finanzmitteln stand“.

Wenig Geld, wenig Handlungsspielraum

Mit 5,2 Millionen Euro lässt sich die Integrationspolitik in der Tat nicht auf Lichtgeschwindigkeit bringen. Der weitaus größte Teil des Ressortetats läuft in zwangsläufige Ausgaben wie etwa die Flüchtlingsunterbringung. Für Stehle ist daher klar, dass das kleine, nur über drei Abteilungen verfügende Ministerium trotz des Sparzwangs der Landesregierung möglichst von Kürzungen ausgenommen werden muss: „Das ist existenziell, sonst gibt es keinen politischen Handlungsspielraum mehr.“ Schon jetzt sei der Legitimierungsdruck für ein eigenständiges Integrationsministerium groß. Die oppositionelle CDU will es wieder abschaffen. Stehle indes sieht das Haus auf einen guten Weg. Denn: „Nicht alles kostet Geld.“

Dafür haben ihm die Schlagzeilen über seine Ministerin Bilkay Öney (SPD) zugesetzt. Die Ministerin sagt, was sie denkt. Das bereitete ihr immer wieder Ungemach. Jedoch bescheinigt Stehle der Ressortchefin großes Engagement („Sie ist in der Fläche präsent“), Ideenreichtum und eben jene Unkonventionalität, die einen auch mal ins Rutschen bringen kann. Vor allem jedoch schätzt Stehle den integrationspolitischen Ansatz Öneys. Es sei ein fordernder. „Sie verlangt von den Migranten eigene Anstrengungen.“

Wie jede andere Ministerin auch

Für die Zukunft wünscht sich Stehle, dass an Öney „dieselben Maßstäbe angelegt werden wie an jede andere deutsche Ministerin“. Man möge sie doch bitte genauso akzeptieren und behandeln – „und ihr nicht den Eindruck vermitteln, sie sei anders, nur weil sie einen Migrationshintergrund hat“. Dass Stehle den Wunsch äußert, zeigt, dass er diese Gleichbehandlung in der Vergangenheit vermisste.

Dabei erkennt er durchaus Erfolge: Der Runde Tisch Islam zum Beispiel habe die Öffnung des Bestattungsrechts für islamische Riten angestoßen. Dazu kämen die Gesetzesnovellen für das Flüchtlingsaufnahmegesetz und die Anerkennung im Ausland erlangter Berufsabschlüsse. Stehle ist auch „zuversichtlich, dass wir messbare Erfolge in der interkulturellen Öffnung der Verwaltung erreichen“. Die Zahl der Einbürgerungen steige. 14 200 waren es im Jahr 2011, 16 400 im vergangenen Jahr. Wichtig ist dem einstigen Kommunalverteter Stehle die kommunale Ausrichtung der Integrationsförderung, die das Ressort vorgenommen hat. Er stellt auch einen Bewusstseinswandel fest: „Die Menschen öffnen sich stärker für Fragen der Migration.“ Dabei spielt sicherlich die Demografie eine Rolle: Das Land braucht gut integrierte Zuwanderer, will es seinen Wohlstand wahren. Darin liegt für Stehle gerade die Bedeutung des Ministeriums: „Es geht um eine zentrale Zukunftsaufgabe.“

Nachfolger Stehles wird der bisherige Landespolizeipräsident Wolf Hammann.