Die Konsumenten von Partydrogen sind nur schwer für Drogenberatungsstellen erreichbar. Deshalb gehen geschulte Ehrenamtliche direkt in die Clubs, um aufzuklären. Was sie nicht dürfen: die Pillen auf ihre Wirkstoffe testen.

Familie/Bildung/Soziales: Viola Volland (vv)

Stuttgart - Er gehe gerne in Clubs, sagt Alexander Stahl – nicht nur zum Feiern. Der 23-Jährige ist einer von 28 geschulten Ehrenamtlichen, die für das Projekt „Take“ der Stuttgarter Drogenberatungsstelle Release in Clubs und auf Festivals über die Gefahren von aufputschenden Partydrogen aufklären. Alle zwei, drei Wochen streift er sich das Take-T-Shirt über, um erkennbar zu sein. Das ist Konzept: Die Vertreter von Take sind immer ansprechbar, aber sie gehen nicht aktiv auf die Gäste zu. „Niemand muss, jeder kann sich informieren“, erklärt Stahl.

 

Er habe als normaler Clubgänger mehrfach mitbekommen, dass Leute zu viel konsumierten, dass sie nicht verantwortungsbewusst mit den Substanzen umgingen – belastende Erfahrungen. Deshalb finde er Prävention wichtig, erzählt der Wirtschaftsinformatikstudent, warum er bei Take mitmachen wollte.

Club-Geschäftsführer berichtet von „gefährlichem Halbwissen“

Auch jetzt sitzt er in einem Stuttgarter Club. Anlässlich des Internationalen Tags gegen Drogenmissbrauch hat die Landesstelle für Suchtfragen zur Pressekonferenz ins Climax Institutes an der Calwer Straße geladen – laut Release ein Positivbeispiel. Dort sind die Aufklärer von Take stets willkommen, der Club hat sie selbst schon eingeladen. „Es macht uns ehrlich gesagt auch Spaß aufzuklären“, sagt der Geschäftsführer des Clubs, Florian Buntfuss. Er findet es zum Beispiel wichtig, dass die Gefahren des Mischkonsums bekannt werden – wenn etwa Alkohol getrunken wird und dazu aufputschende Pillen eingeworfen werden. Buntfuss berichtet von „gefährlichem Halbwissen“ in der Szene. Und er stellt klar, dass das eigene Engagement nicht heiße, dass man ein Drogenproblem habe. „Wir reden hier nicht von einem Drogenproblem, sondern von Drogenprävention“, sagt er. Drogen würden schon immer konsumiert, auch im Nachtleben, mit dem Fakt müsse man umgehen.

Partydrogenkonsumenten seien „zumeist junge Menschen, die als Berufstätige, Studenten oder Schüler voll im Leben stehen“, und für Suchtberatungsstellen besonders schwer erreichbar, so der Vorsitzende der Landesstelle für Suchtfragen, Oliver Kaiser. „Niemand kommt in die Drogenberatung, solange es gut läuft und man den Alltag im Griff hat“, sagt auch Philipp Weber, der bei Release für Take verantwortlich ist. Er weist auf die Gefahren hin, denen sich die Konsumenten aussetzen: Im schlimmsten Fall könne der Rausch tödlich enden. Gerade psychoaktive Substanzen würden oft überdosiert, es komme zu Vergiftungen. „Die Konsumenten machen sich am Wochenende zu Versuchskaninchen“, warnt Weber, da sie nie wüssten, was in den Pillen drin ist.

Die Erfahrungen im europäischen Ausland sollen positiv sein

Die Zusammensetzung synthetischer Drogen werde immer unberechenbarer, die Wirkstoffgehalte würden immer höher, berichtet Kaiser. Die Landesstelle für Suchtfragen und Release fordern daher die Legalisierung von Drogen-Checks, bei denen die Wirkstoffe geprüft werden. Das Land solle sich auf Bundesebene dafür stark machen, dass das Betäubungsmittelgesetz entsprechend geändert wird, um die Tests zu ermöglichen. Nicht einmal Modellversuche seien bisher in Deutschland erlaubt. „Drogentests haben überhaupt keinen ermunternden Effekt“, geht Kaiser auf Kritik an einer Test-Legalisierung ein. Die Konsumbereitschaft erhöhe sich nicht, Konsumierende würden sogar vorsichtiger, betont der Vorsitzende der Landesstelle. Er verweist auf entsprechende positive Erfahrungen anderer europäischer Länder, wie Österreich, die Schweiz und die Niederlande. „Wenn eine Pille als gefährlich identifiziert wird, landet diese in der Regel in der Tonne“, sagt Kaiser.