Von Dienstag bis Sonntag ist Stuttgart in den Händen der Trickfilmer und Animationskünstler. Wir zeigen, was das Trickfilm-Festival zu bieten hat.

Stuttgart - Eigentlich war das Konzept Kino bisher recht überschaubar: Während man sich selbst Popcorn mampfend in die plüschigen Polstersessel kuschelte, kämpften die Leinwandhelden ihre fantastischen Abenteuer mit zuverlässig eingehaltenem Sicherheitsabstand – ich hier, der Film da vorne.

 

Heute hingegen verlassen Geschichten ihre Leinwand. Statt sich an ihr zweidimensionales Format zu klammern, streifen sie fröhlich durch unsere Realität und lassen die Übergänge zwischen Fiktion und Wirklichkeit brüchig werden. Klingt nach futuristischem Geschwätz? Ganz und gar nicht. Nicht umsonst jagten rund 45 Millionen Menschen im vergangenen Sommer kleine Trickfilmmonster hinter Parkbänken und Autos am Straßenrand – spätestens Pokémon Go machte die Technologie der Augmented Reality massentauglich.

Diesem Trend sind in diesem Jahr auch das 24. Internationale Trickfilmfestival und die parallel stattfindende Kreativkonferenz FMX auf der Spur. Wenn Häuserwände und Gehwege zu Performanceflächen werden, 360-Grad-Produktionen und Kugelleinwände den Zuschauer direkt in erfundene Welten hineinziehen, dann stellt das die Kreativbranche vor neue Herausforderungen. Verschiedene Panels, zum Beispiel mit den Oscargewinnern Krysztof Rost und Eric Smitt, setzen sich deshalb mit den neuartigen Fragestellungen auseinander.

Sehen Sie hier den Trailer zum Trickfilmfestival.

Die innovativen Experimente sollen auch für Zuschauer erlebbar werden: So bespielt die FMX die Kuppel des Planetariums und das Internationale Trickfilmfestival verwandelt auch das Stuttgarter Kunstgebäude in eine begehbare Virtual-Reality-Spiel-Höhle. Knapp 2000 Quadratmeter nutzt die ausgebaute „GameZone“ mit dem Schwerpunktthema „Playful Art / Meaningful Games“ als Erlebniswelt zwischen Animation und Wirklichkeit.

Riesige, verpixelte Computerspielwelten

16 Meter hoch soll die Computerspielanimation „Long March: Restart“ von Feng Mengbo werden. Wie durch einen grell ausgeleuchteten Neon-Tunnel manövrieren die Besucher ihre Figuren durch die riesigen, verpixelten Computerspielwelten. Mit dem hochkarätigen Kunstprojekt holen die Initiatoren eine Installation nach Stuttgart, die sonst im New Yorker Museum of Modern Art zu sehen ist. Der finanzielle Betrag für die Erweiterung der GameZone liege dementsprechend auch kurz vor dem sechsstelligen Bereich, sagt Dittmar Lumpp, Geschäftsführer für Organisation und Finanzen beim Trickfilm-Festival.

Abseits der GameZone bleibt das Internationale Trickfilmfestival (ITFS) seinem Konzept der Grenzüberschreitung ebenfalls treu – in Zeiten von Populismus, Fremdenfeindlichkeit und globalen Protektionismus-Bestrebungen muss eben auch ein Filmfestival Akzente setzen: „Animation Without Borders“ ist das diesjährige Motto. Gerade jetzt sei es wichtig, den Anspruch auf Internationalität und Weltoffenheit deutlich zu machen, erklärt dazu der künstlerische Geschäftsführer Ulrich Wegenast. Das Herzstück des Festivals sei traditionell der internationale Wettbewerb, bei dem die besten Animationsprojekte der vergangenen 12 Monate gegeneinander antreten. 42 Beiträge kämpfen dieses Jahr im Kurzfilmwettbewerb um den begehrten Award, daneben stehen sich im Langfilmwettbewerb neun filmische Kandidaten gegenüber.

Insgesamt bewarben sich über 1800 Projekte aus 81 Ländern um einen Platz im diesjährigen Festivalprogramm. Rund 1000 davon haben die Vorauswahl überstanden und werden nun auf der Leinwand zu sehen sein, darunter die Weltpremiere „Birds Like Us“, ein fröhlich inszenierter Langfilm, dem unter anderem Oscargewinnerin Alicia Vikander ihre Stimme lieh.

Kooperation mit Kreativwettbewerb „Spotlight“

Zum sichtbaren Publikumsmagneten wird daneben erneut die Openair-Leinwand auf dem Schlossplatz. Bevor es losgeht, erhält diese jedoch eine Generalüberholung. 25 Prozent mehr Fläche soll der neu ausgebaute LED-Screen anschließend haben, auf dem unter anderem der Pixar-Kinohit „Findet Dorie“ und der aktuelle Oscar-Gewinner „Zoomania“ zu sehen sein werden.

Zum zweiten Mal mit an Bord bei der Festival-Kooperation ist in diesem Jahr der Kreativwettbewerb „Spotlight“. Die Veranstaltung richtet sich vor allem an die Werbeindustrie: „Es ist wichtig für Künstler, ‚bread and butter‘ zu haben. Dafür sind wir die Schnittstelle“, sagt Intendant Peter Frey. In zwei Wettbewerben treten studentische und professionelle Projekte aus dem Bereich Bewegtbildkommunikation gegeneinander an. Neben einer Fachjury wird das Live-Publikum im Kino zum Entscheidungsträger. Und erstmals münden die obligatorischen Preisverleihungen dieses Jahr schließlich in eine gemeinsame Awardgala in der Alten Reithalle. Hier werden zeitgleich die Spotlight-Trophäen und der begehrte Animated Com Award verliehen – ganz im Zeichen Grenzüberschreitung sozusagen.