Wochenend-Magazin: Markus Brauer (mb)
Laut DGPPN werden 50 Prozent der Angsterkrankungen in Deutschland von Ärzten nicht erkannt. Bei 12 bis 15 Millionen von Ängsten Betroffenen schafft dieses Nicht-Erkennen ein gewaltiges gesellschaftliches Problem. Wie soll die Gesellschaft damit umgehen?
Angst ist ganz klar auch eine zentrale gesellschaftliche Frage. Angsterkrankungen sind die häufigsten seelischen Erkrankungen des Menschen.
Noch vor Depression?
Beides ist oft miteinander verwoben. Therapeuten können die individuellen Möglichkeiten des Menschen und seine psychische Widerstandsfähigkeit – die sogenannte Resilienz – stärken. Deshalb schauen Psychiatrie und Psychotherapie auch stärker auf die Fähigkeiten eines Menschen als auf seine Defizite. Aber Therapien und psychosoziale Medizin brauchen Rahmenbedingungen. Und die zu schaffen, ist eine gesellschaftlich-politische Aufgabe.
Sie meinen Rahmenbedingungen wie die ausreichende Zahl an Therapieplätzen und Fachpersonal. Und wie steht es mit dem generellen Vertrauen in die Politik und die Gesellschaft? Ist das nicht auch ein wichtiger Faktor für den individuellen Umgang mit Angst?
Politik muss der Versuchung widerstehen, Ängste zu instrumentalisieren. Populisten versuchen die Ängste in einer Gesellschaft aufzugreifen und sie für ihre eigenen politischen Zwecke zu nutzen.
Sie sagen das mit Blick auf die Wahlen in Frankreich?
In Frankreich ist das so, aber auch in den USA und in Deutschland. Es ist die Verantwortung der Politik, sich diesem Prinzip zu widersetzen.