Axel Schulz blickt im Interview auf seinen Kampf um den Weltmeistertitel 1995 in Stuttgart zurück und spricht über den gegenwärtigen Zustand des deutschen Boxens, der ihn besorgt.

Sport: Gerhard Pfisterer (ggp)

Stuttgart - Axel Schulz blickt im Interview auf seinen Kampf um den Weltmeistertitel 1995 in Stuttgart zurück und spricht über den gegenwärtigen Zustand des deutschen Boxens.„Wir haben eine ähnliche Situation wie im Tennis, wenn man mal bedenkt, wie lange nach Boris Becker nichts gekommen ist“, sagt der 48-Jährige.

 
Herr Schulz, an diesem Samstag steigt in Stuttgart mal wieder ein größerer Boxkampf. Sehen Sie sich das Duell zwischen Chris Eubank jr. und Avni Yilderim an?
Ich werde mir den Kampf im Fernsehen anschauen, das ist ein interessantes Duell. Eubank ist ja bekannt durch seinen klaren Sieg kürzlich gegen Arthur Abraham.
Das Kräftemessen ist ein Viertelfinale der hochklassig besetzten neuen World Boxing Super Series in zwei Gewichtsklassen. Was halten Sie von dem Turnier?
Ich finde das wirklich spannend, wenn Kämpfe so in Turnierform aneinandergereiht sind. Und das Niveau ist super.
Sie haben 1995 in der Stuttgarter Schleyerhalle gegen Frans Botha um den Weltmeistertitel im Schwergewicht geboxt. Welche Erinnerungen haben Sie an den Kampf?
Es war eine superschöne Atmosphäre damals in Stuttgart, aber leider nicht mein bester Kampf. Das war eine Riesenchance, Weltmeister im Schwergewicht werden zu können. Durch Betrug, wenn ich es so sagen darf, ist leider nichts draus geworden, weil mein Gegner gedopt war. Es war eine erfolgreiche Zeit für das deutsche Boxen Mitte der 90er Jahre. Was das Fernsehen damals für Einschaltquoten hatte, gerade auch bei dem Kampf, war der Knaller (die Einschaltquote lag bei durchschnittlich 17,96 Millionen Zuschauern, was bis heute Rekord bei RTL ist, Anm. d. Red.). Ich werde immer noch viel auf den Kampf angesprochen, genau wie auf das Duell zuvor mit George Foreman, das ja auch nicht so toll für mich lief mit den Kampfrichtern. Aber ich lebe nicht in der Vergangenheit, das ist abgehakt.
Gut, reden wir über die Gegenwart. Felix Sturm ist von der Bildfläche verschwunden, Arthur Abraham offenbar am Ende, Marco Huck hat zuletzt auch Prügel eingesteckt, in Tyron Zeuge gibt es zurzeit nur einen deutschen Weltmeister – gehen dem deutschen Boxen die nationalen Helden aus?
Das kann man so nicht sagen. Das Boxen muss sich wieder fangen. Die Talente dürfen nicht übertreiben, indem sie gleich die großen Kämpfe haben wollen, sondern müssen behutsam aufgebaut werden. Wir haben eine ähnliche Situation wie im Tennis, wenn man mal bedenkt, wie lange nach Boris Becker nichts gekommen ist. Wir sind im Boxen in der gleichen Lage wie in meinen Anfangszeiten als Profi 1990, als die TV-Sender auch nicht so viel übertragen haben. Aber wir sind auf einem guten Weg.
Woher nehmen Sie den Optimismus, wen sehen Sie als neue Frontfiguren?
Ich will mich da nicht speziell auf jemanden festlegen. Von Leon Bauer (Juniorenweltmeister im Supermittelgewicht, der an diesem Samstagabend in Stuttgart im Vorprogramm boxt, Anm. d. Red.) halte ich aber beispielsweise sehr viel, auch wenn er in einer undankbaren Gewichtsklasse boxt, in der er weltweit immer gefährliche Kämpfe zu bestreiten hat. Ich habe ihn in seinem letzten Kampf gesehen, er muss noch an seiner Verteidigung arbeiten.