Zwei Dekaden, so sagt Bosch-Autochef Bernd Bohr, wird es dauern, bis Autos vollautomatisiert fahren. Die Entwicklung verläuft aber in Stufen; es geht also schon früher los.

Stuttgart – ABS und der Schleuderschutz ESP sind bewährte Produkte. Doch mit welchen Technologien will ein Autozulieferer wie Bosch morgen punkten? Bernd Bohr, in der Bosch-Geschäftsführung zuständig für Kraftfahrzeugtechnik, lässt einen Blick hinter die Kulissen zu.
Herr Bohr, Ende März ist Ihnen mit der Mitteilung, dass Sie Ende Juni bei Bosch ausscheiden werden, eine echte Überraschung geglückt. Was sind Ihre Beweggründe?
Meine Entscheidung stand schon lange fest und kam für den engsten Führungskreis nicht überraschend. Ich bin jetzt 30 Jahre bei Bosch, davon 14 Jahre in der Geschäftsführung, seit zehn Jahren leite ich den Automobilbereich. Die Frage, ob ich einmal das Unternehmen leiten möchte, hat sich mir aber nie gestellt. Denn dies würde eine sehr langfristige Bindung bedeuten. Der Vorsitzende der Geschäftsführung übernimmt traditionell einmal den Vorsitz der Industrietreuhand – so verpflichtet er sich im Prinzip für 20 Jahre. Und ohnehin ist die Führung des Automobilbereichs für mich persönlich die spannendste Aufgabe, die Bosch zu vergeben hat.

Was wollen Sie machen?
Ab dem 30. Juni möchte ich die Balance zwischen Arbeit und freier Zeit etwas verbessern. Bisher führe ich verschiedene Gespräche mit offenem Ausgang. Ich kann mir gut vorstellen, beratend tätig zu sein und Aufsichtsratsmandate zu übernehmen. Einzig eines ist spruchreif: Ich hab mir vorgenommen, von Juli bis Oktober zu segeln.

Ist es eine komplette Trennung von Bosch?
Ich bleibe dem Unternehmen innerlich natürlich verbunden, aber es gibt keine formale Bindung im Sinne einer Aufsichtsratstätigkeit oder eines Beratervertrags.

Sie verlassen Bosch in einer konjunkturell kritischen Zeit. 2012 war das Wachstum der Kfz-Technik mit zwei Prozent nicht üppig.
In Summe war es kein brillantes, aber auch kein katastrophales Jahr. Drei Entwicklungen haben unser Wachstum 2012 beeinflusst. Erstens: Der Markt für Nutzfahrzeuge, in dem wir eine starke Position haben, entwickelte sich 2012 weltweit schlecht. Zweitens haben auch wir die Krise in südeuropäischen Ländern wie Frankreich, Spanien, Portugal und Italien gespürt – besonders im für uns bedeutenden Dieselgeschäft. Und drittens drückte der Verkauf des Bereichs Basisbremse, genauso wie die Auflösung eines Joint Ventures in Korea mit Hyundai für Benzineinspritzung das Wachstum um rund zwei Prozentpunkte.

Wie wirkt sich die schwächere Geschäftsentwicklung auf die hiesigen Werke aus?
Wir sind hinreichend ausgelastet und haben keine Kurzarbeit im Automobilbereich. Dank der Betriebsvereinbarung zur Flexibilisierung der Arbeitszeit dürften wir die normalen konjunkturellen Schwankungen ohne gravierende Auswirkungen überbrücken. Das ändert aber nichts am langfristigen Trend: Die Wachstumsmärkte liegen in Asien und nicht in Europa. Dem können wir nur begegnen, wenn wir mehr beziehungsweise höherwertige Bosch-Produkte ins Auto bringen.

Wie viel Bosch ist denn in einem Auto?
Im Schnitt sind es bei jedem europäischen Auto Bosch-Komponenten im Wert von 800 Euro. Bei einem Diesel-hybrid kann unser Anteil einen hohen vierstelligen Betrag erreichen. In Amerika liegt der Wert bei 300 Euro. Der chinesische Markt schließt rasant auf: Dort ist in jedem Auto Bosch-Technik im Wert für etwa 200 Euro. Vor fünf Jahren bewegten wir uns noch bei 80 Euro.

Und wie sieht es in Indien aus? Das Billigauto Tata Nano ist ja deutlich hinter den Erwartungen zurückgeblieben.
Indien ist für uns ein wichtiger Markt, gerade im Bereich der Nutzfahrzeug- und Landmaschinentechnik. Aber auch den Tata Nano sehen wir für uns als Erfolg. Wir liefern unter anderem das Bremssystem, die Benzineinspritzung, den Generator und den Starter für bisher 230 000 Tata Nanos. Dieser Kleinwagen ist für uns auch ein sehr wichtiges Produkt, weil er im extremen Niedrigkostensegment angesiedelt ist. Wir haben dadurch gelernt, besonders kostengünstig zu entwickeln. Von dieser Erfahrung profitieren wir mittlerweile auch in Europa.

Was heißt das konkret?
Das entscheidende Kriterium ist die Größe der Autos. Und im weltweiten Schnitt werden Fahrzeuge kleiner. Das liegt an der wachsenden Motorisierung in Asien. Deshalb ist es wichtig, dass Bosch in diesem Segment erfolgreich ist. Und das sind wir: Gemessen am Wert eines Fahrzeugs ist unser Anteil bei kleineren Fahrzeugen höher. Denn wir liefern Teile für Motor, Bremse und Sicherheitssysteme, die immer an Bord sind. Zusätzlich werden ABS und der Schleuderschutz ESP in westlichen Ländern zunehmend zur Pflicht.

Dies sind Technologien, die heute das Bosch-Geschäft ausmachen. Doch womit wollen Sie morgen Umsatz erzielen?
Man muss da einen kleinen Bogen spannen: Dass so viele Top-Zulieferer aus Deutschland kommen, hat seinen Grund. Hier haben wir technisch anspruchsvolle Kunden, die uns fordern. Zudem sitzen hier bedeutende Maschinen- und Werkzeugmaschinenhersteller, die uns zuliefern. Und nicht zuletzt haben wir gut ausgebildete Mitarbeiter. Ein perfekter Nährboden für Innovationen und hochwertige Produkte.