Normalerweise ist er der Sympathieträger, nun spielt Daniel Brühl einen Schurken. Im Interview spricht der 37 Jahre alte Schauspieler über seine Rolle in „The First Avenger“ und von seiner Nervosität im Umgang mit Hollywoodstars.

Berlin - Fachmännisch inspiziert Daniel Brühl eine Lieferung Rotwein, erst dann setzt sich der deutsche Schauspieler mit spanischen Wurzeln entspannt an einen Holztisch am Fenster. Der Schauplatz: Daniel Brühls eigene Tapas-Bar Raval im Berliner Stadtteil Kreuzberg. Seit seinem Erfolg mit „Good Bye, Lenin!“ folgten auch internationale Produktionen wie „Inglourious Basterds“ oder „Rush“. Nun ist er im Action-Abenteuer „The First Avenger: Civil War“ als der Schurke Baron Zemo zu sehen.
Herr Brühl, normalerweise sind Sie der Sympathieträger in einem Film. Wie hat es sich angefühlt, nun den Schurken zu spielen?
Schon seit einiger Zeit gehen fast alle Angebote aus dem Ausland in diese Richtung. Und das freut mich total. Vor allem die Amerikaner haben einen unvoreingenommen Blick auf mich. Das fing mit meiner Rolle als Niki Lauda in „Rush“ an. Ich glaube, die hätte mir in Deutschland kein Regisseur angeboten. Denn diese Rolle ist eigentlich konträr zu dem, wie die Leute mich hier sehen. Fast jedes Drehbuch, das ich jetzt bekomme, geht tatsächlich in Richtung Bösewicht. Es ist schon interessant. Und das macht natürlich Spaß. Es ist ja immer spannend, die Bösen zu spielen und abgründig zu sein.
Fast alle Schauspieler sagen, dass es ihnen mehr Spaß macht, den Schurken zu spielen als den Sympathieträger. Warum ist das eigentlich so?
Ich glaube, da ist etwas in mir, das selten zum Vorschein kommt. Meistens bin ich so sympathisch, wie die Leute denken, aber eben nicht die ganze Zeit. In jedem Menschen schlummert etwas Abgründiges und Böses, wenn auch unterschiedlich graduiert. Vielleicht reizt es mich deshalb so, solche Rollen zu spielen, weil ich diese Seite von mir im wahren Leben so selten ausleben darf.
Könnte man sagen, dass Sie sich nach einem Drehtag als Schurke innerlich gereinigt und ausgeglichen fühlen?
(Lacht) . . . Dann habe ich alles Gift rausgelassen. Ja, da ist etwas dran. Ich bin immer mit einem guten Gefühl nach Hause gefahren und war dann völlig entspannt im Straßenverkehr unterwegs. Gerade da komme ich manchmal in Situationen, in denen ich aufbrausend, extrem schlecht gelaunt und aggressiv bin. Da frage ich mich dann, warum kommt das so schnell und so stark über mich?
Was sind das denn genau für Situationen?
Lappalien. Beispielsweise wenn jemand nicht blinkt und mich schneidet. Das kann manchmal in richtige Wut ausarten, und da merke ich dann, dass ich noch viel mehr verarbeite als diese Lappalie im Straßenverkehr. Da hat sich dann zu viel angestaut. Für diese Situationen gibt es glücklicherweise den Sport. Ich habe mir in meiner Wohnung einen Boxsack aufgehängt und bearbeite ihn mit meinen Fäusten, wenn ich merke, meine Energie muss raus. Das ist wahnsinnig anstrengend. Aber danach fühle ich mich immer sehr gut. Und ich reagiere mich auch im Auto ab.
Wie machen Sie das?
Im Auto mache ich die witzigsten und heftigsten Sachen, denn es ist ein geschlossener Raum, in dem mich niemand hört. Da kann ich rumbrüllen, laute Selbstgespräche führen und sogar die Musik bis zum Anschlag aufdrehen. Es gibt in einer Großstadt kaum Orte, an denen man das machen kann. Schon gar nicht in der eigenen Wohnung.
Sie könnten es auch mit Yoga versuchen, das soll buddhistische Gelassenheit bringen.
Ich bin ein sehr nervöser, hippeliger Mensch. Es gibt diverse Leute, die mich schon an Yoga und Spiritualität heranführen wollten. Ich habe das auch mal ausprobiert, aber ich war dafür tatsächlich zu ungeduldig. Ich muss dem Ganzen wahrscheinlich noch einmal eine Chance geben. Ich sehe den positiven Effekt, den Yoga auf Leute in meinem Umfeld hat. Meine Partnerin praktiziert es. Sie ist wirklich in sich ruhend und viel ausgeglichener, als ich es bin. Ich kann mich nur schwer zur Ruhe bringen.
Im Moment wirken Sie aber sehr entspannt.
Ja? Ich wippe jetzt gerade mit meinem Bein unterm Tisch. Wenn das meine Mutter sehen würde, würde es sie wahnsinnig machen. Ich bin schnell nervös. Das ist eine kleine Macke, und ich glaube, sie ist familiär bedingt.
Sie waren der Neuling am Set von „The First Avenger: Civil War“. Wie haben Sie die anderen Schauspieler wie Chris Evans, Robert Downey jr. und Scarlett Johansson aufgenommen?
Ich habe es als sehr herzlich empfunden. Die amerikanischen Kollegen waren von Anfang an sehr großzügig, respektvoll und neugierig. Ich habe mich überhaupt nicht wie der Neue gefühlt, der in der Ecke steht. Es hätte auch anders sein können. Denn ich habe mit einer Filmfamilie gearbeitet, die sich schon von anderen Projekten kannte und miteinander vertraut war. Chris hat mich gleich am ersten Tag zu einem Basketballspiel eingeladen, wir sind abends zusammen essen gegangen oder haben miteinander gefeiert. Ich war umso dankbarer, weil ich niemanden in Atlanta kannte, wo wir die meiste Zeit gedreht haben. Ich habe mich dann auch erkenntlich gezeigt, als wir in Deutschland gedreht haben.
War die Filmcrew denn auch einmal in Ihrer Bar in Berlin?
Ja, die Regisseure und ein paar Leute von der Produktionsfirma waren in meiner Bar. Mit den Jungs bin ich auch ausgegangen, wir waren beispielsweise im Borchardts.
Sie waren der Stadtführer für Berlin.
Ja, das war auch schon bei anderen Dreharbeiten der Fall. Und natürlich wollen Leute dann auch immer nachts etwas erleben. Ich habe da mittlerweile ein Programm mit meinen zehn liebsten Tipps, und die schicke ich ihnen dann per E-Mail. Die Zeiten, in denen ich mir die Nacht um die Ohren geschlagen habe, sind vorbei. Das kann ich nicht mehr.
Waren Sie da am Anfang nicht ein bisschen aufgeregt, mit Hollywood-Stars wie Chris Evans, Robert Downey jr. und Scarlett Johansson zu drehen?
Das hat sich in den vergangenen Jahren gelegt, dadurch, dass mir einige dieser Menschen über den Weg gelaufen sind. Ich habe mich daran gewöhnt. Jetzt bin ich nur noch positiv aufgeregt. Am Anfang war es noch anders, da habe ich eine gewisse Art der Verklemmung und Verkrampfung gespürt. Ich weiß noch, als ich mit Judi Dench und Maggie Smith gedreht habe, da war ich noch halb grün hinter den Ohren. Aber natürlich hatte ich diese kindliche Aufregung, bei so einem Film wie „The First Avenger: Civil War“ dabei sein zu dürfen. Ich war total gespannt, die anderen Schauspieler kennen zu lernen. Mit Robert Downey jr. bin ich als Kinobesucher groß geworden. Und ihm zu begegnen und mit ihm zu arbeiten, das ist etwas ganz Besonderes.