Ein Film über die Stuttgarter Graffiti-Szene ist etwas Besonderes. Weil es nur einen gibt: "Paranoid Places" von Denis Pavlovic. Der 26-Jährige macht aktuell mit "Wo tanzen wir morgen?" von sich reden. Wir haben mit ihm über seine Filme geredet und gefragt, warum "Paranoid Places" in der Stuttgarter Szene durchfiel.

Digital Desk: Jan Georg Plavec (jgp)

Stuttgart - Ein Film über die Stuttgarter Graffiti-Szene ist etwas Besonderes. Weil es nur einen davon gibt. "Paranoid Places" heißt das Werk des 26 Jahre alten Regisseurs Denis Pavlovic, der zur Zeit mit seinem nächsten Projekt "Wo tanzen wir morgen?" in der Stuttgarter Club-Szene von sich reden macht.

 

2011 veröffentlichte Pavlovic "Paranoid Places". Der Film ist als chronologisch angeordnete Dokumentation der Stuttgarter Sprayerszene angelegt. Pavlovic zeigt die Ursprünge der Szene, die illegalen Aktionen ebenso zeigt wie Bilder von der Hall of Fame. Bekannte Sprayer wie Dingo Babusch, der mit "Sprüher im Rudel" ja auch ein Buch über die Stuttgarter Graffiti-Szene herausgegeben hat, haben ihn in die Szene eingeführt und kommen in dem Film prominent zu Wort.

Wir haben Denis gefragt, wie sein Film von der Szene aufgenommen wurde - und welches Thema nach Graffiti und Clubkultur noch kommen muss, um ein adäquates Bild der Stuttgarter Jugend zu zeichnen.


Wie ist denn dein Verhältnis zur Sprayer-Szene? Wie kam es dazu, dass du "Paranoid Places" gedreht hast?

Ich beschäftige mich seit gut 10 Jahren mit der Szene, hatte "Sprüher im Rudel" in der Hand und hab dann angefangen, mich mit Film zu beschäftigen. Es gab damals zur Stuttgarter Sprayerszene nur den Film "Burning Wheels", und auch da waren nur ein paar wenige Aktionen aus Stuttgart zu sehen. Berlin hat damals eine Graffiti-Doku bekommen, da dachte ich mir: Stuttgart muss sowas auch haben.

Du hattest ja auch Konkurrenz aus Berlin.

Die Trainwriting-Doku "Unlike U" kam ja heraus, als ich noch an Paranoid Places gearbeitet habe. Bevor ich den Film gesehen hatte, dachte ich: Jungs, das ist nicht euer Ernst! Nachdem ich ihn gesehen hatte, fand ich das gut, dass die im Grunde einen ganz anderen Film über das Thema gemacht haben. Es geht ja auch um eine andere Stadt, dadurch hat "Unlilke U" eine ganz anderen Schwerpunkt. Die haben Züge gemacht und ich die ganze Szene. 

In deinem Film wird deutlich, dass in Stuttgart damals die besten Sprayer am Werk waren. Wie kamst du an die ran?

Ich kannte Körpa Klauz, der im Film ja auch recht prominent vorkommt, schon länger; er hatte durch seinen Laden früher Bezug zur Szene. Auch Dingo kannte ich gut. So wurde das für mich organisiert, dass ich die entsprechenden Leute kennengelernt habe.

Im Film werden viele illegale Aktionen gezeigt. Heute diskutiert Stuttgart eher über mehr legale Flächen. Ist das legale Sprühen wichtiger geworden?

Die Leute sind zunächst mal besser geworden, die Ergebnisse also im Schnitt "herzeigbarer". Außerdem gibt es besseres Material, bessere Farben. Das ist heute ein bisschen zweigleisig: Manche Ältere malen heute nur noch legal.

Ist illegales Sprühen für die Jüngeren nicht mehr so cool?

Da steckt heute eine andere Motivation dahinter. Das Sprühen kommt ja nicht mehr aus dem Hip-Hop. Graffiti ist heute ein eigenes, etabliertes Ding. Das hat sich ein bisschen getrennt. Man will sich ja auch einen Namen machen, wenn man legal sprüht. Aber es ist immer noch im Wandel.

In welche Richtung?

Da gibt es alles Mögliche im illegalen Graffiti heutzutage, bis hin zu wirklich politischen Graffiti, welches sich nicht auf Punkersprüche auf irgendwelchen Wänden beschränkt.

Die ganz Großen sind heute nicht mehr in Stuttgart.

Damals waren hier preisgekrönte Sprayer unterwegs. Warum die nicht mehr da sind - eine gute Frage. Ich glaube nicht mal, dass sich das aus Stuttgart wegentwickelt hat. Sprüher aus anderen Ländern sind einfach besser geworden. Deutsches Graffiti steht vielleicht im legalen Bereich ein bisschen hintan. In England oder Amerika geht es ganz schön voran.

Welche Reaktionen hast du auf deinen Film bekommen?

Aus der Szene fast durchweg negative. Die haben sich gewünscht, ganz viele Actions aus Stuttgart zu sehen und nicht so viel “Geschwätz”, also Interviews mit Sprayern. Da wurde ich auch auf dem Blog I love Graffiti ziemlich zerrissen. Aus der normalen Öffentlichkeit gab es hingegen sehr interessierte Reaktionen. Die haben mal einen Einblick bekommen, was hinter den Graffiti steckt, die Motivation der Leute. Aber ich habe mir ja von Anfang an gesagt: Ich will keinen Szenefilm machen. Stattdessen soll "Paranoid Places" Graffiti als Kunst und als einen eigenen Lebenstil darstellen.

Das ist auch ein bisschen das Ziel unserer Urban-Art-Serie.

Graffiti muss mehr Anerkennung bekommen, es sollte nicht verstoßen werden. Es gibt ja auch in Stuttgart zu wenig legale Flächen. Um diese Anerkennung muss man aber kämpfen. Aus Graffiti hat sich ja großartige Kunst entwickelt.

Wie eng bist du noch an der Stuttgarter Szene dran?

Das hat sich ein wenig verlaufen. Dingo Babusch und ich hatten ja die Idee, ein zweites Buch "Sprüher im Rudel" zu machen. Das konnten wir aus finanziellen Gründen bisher nicht in Angriff nehmen. Wir sind aber schon noch an der Szene dran.

Gibt es eigentlich noch einen weiteren Film über die Stuttgarter Graffiti-Szene?

Nein, und die Motivation ist glaube ich nicht mehr so da - weder bei den Sprayern noch bei den Filmemachern. Mein Film ist ja von 2011. Da wäre es Quatsch, das so früh zu wiederholen.

Erst ein Film über Graffiti, jetzt mit "Wo tanzen wir morgen" einer über Clubs - man könnte meinen, du arbeitest an sowas wie einer Trilogie zur Jugendkultur in Stuttgart in den frühen 2010ern. Kommt da noch mehr?

Das haben mich die Macher der Filmschau, bei denen der Film Premiere feiert, auch gefragt. Aber ich denke, dass ich mich jetzt erstmal rausnehme. Damit ich nicht nur der Stuttgart-Filmer bin.

Aber mal ganz ins Blaue gesprochen: Gibt es noch nen dritten großen Themenschwerpunkt, den man mit einem Film bedenken müsste?

Ich weiß gar nicht, was bei den Skatern so los ist. Oder vielleicht müsste man was zur Musiklandschaft machen? Nochmal zu "Wo tanzen wir morgen": Ich finde es interessant, dass ich mit dem Club-Film offenbar nen Nerv getroffen habe. Da tut sich gerade viel in Stuttgart.

Der Filmemacher Denis Pavlovic

Denis Pavlovic wurde 1987 in Stuttgart geboren. 1999 hatte er die erste videofähige Kamera in der Hand. Nach dem Gestaltungsabitur wurde er zum ersten Mal auf ein Festival eingeladen.

2008 wurde Pavlovics experimenteller Kurzfilm „Smother in 350ml“ auf dem No Budget Festival in Tübingen ausgestrahlt. Anschließend begann Pavlovic ein dreijähriges Studium an der Merz Akademie Stuttgart im Bereich Film und Video. 2010 war er für sieben Monate in Berlin und absolvierte ein Praktikum bei der Dokumentarfilmproduktionsfirma „Kloos und Co. Medien“. 

2011 kam Pavlovics erste "richtige" Doku „Paranoid Places“ heraus. Den Film über die Stuttgarter Graffiti-Szene gibt es auch auf DVD. Seit 2012 arbeitete Pavlovic an dem Dokumentarfilm „Wo tanzen wir morgen?“, der am 6. Dezember 2013 Premiere feiert.