Alleinerziehende Mutter, Schauspielerin, Stilikone: Diane Keaton über ihr Leben und ihren neuen Film „Hampstead Park“.

Los Angeles - Zum Interview kommt Diane Keaton genau so, wie man sie vor Augen hat: brauner Hosenanzug, gepunktetes Einstecktuch, Rollkragen-Sweater, Designer-Boots. Auch das Gespräch anlässlich ihres neuen Films „Hampstead Park – Aussicht auf Liebe“ verläuft ähnlich. Die 71-Jährige spricht genauso schnell, fahrig und amüsant, wie man sie aus dem Kino kennt.

 
Frau Keaton, Sie sind schon lange eine Stilikone. In Ihrem neuen Film „Hampstead Park“ tragen Sie wieder eine Ihrer typischen Kopfbedeckungen. Wie kamen Sie zu diesem sehr individuellen Stil?
Dass mir das gelungen ist, habe ich sicherlich meiner Mutter zu verdanken. Sie unterstützte schon sehr früh all die verrückten Ideen, die ich für meine Outfits hatte. Wir hatten nicht viel Geld, aber sie ging mit mir immer zur Heilsarmee, wo ich mich auf die Suche machte nach ausgefallenen Stoffen und Secondhandklamotten. Ich durfte immer aussehen, wie ich wollte, auch wenn es nicht der Norm entsprach.
Sind Sie je auf Ablehnung gestoßen?
Als Jugendliche schon. Mit 13 Jahren war ich in einer Jugend-Theatergruppe, bekam aber nie irgendwelche großen Rollen. Der Leiter legte mir dringend nahe, ich solle Model-Kurse belegen, denn solange ich nicht femininer aussehen würde, könne ich mir das mit der Schauspielerei abschminken. Aber meine Mutter bestärkte mich immer. Du kannst aussehen, wie du willst, sagte sie. Und wenn du damit mal schlechte Erfahrungen machst, dann ist es das wert.
Hat Sie diese Einstellung zum Vorbild vieler Feministinnen gemacht?
Ich ein Vorbild für Feministinnen? So viel Verantwortung will ich nicht übernehmen. Und kann es auch gar nicht. Dann müsste ich viel mehr Zeit darauf verwenden, mich viel mehr engagieren und lautstark für die Sache eintreten. Eigentlich muss ich mir das aber mal vornehmen, jetzt wo Sie mir diese freundliche Beschreibung verpasst haben.
Mit 71 Jahren sind Sie immer noch bestens im Geschäft. Denken Sie auch mal an Ruhestand?
Nein, mir gefällt es, dass ich mich mitten in einer sehr aktiven Phase meines Lebens befinde. Ich war immer schon jemand, der gerne viel und hart arbeitet. Das habe ich von meinem Vater. Ich mache etwas, das ich liebe. Schon mit vier Jahren wusste ich, dass ich Künstlerin werden und auf der Bühne stehen will. Was diesen Traum anging, war ich immer unglaublich ehrgeizig.
Wie steht es heute um Ihren Ehrgeiz?
Der ist noch vorhanden, keine Frage. Nicht permanent, aber projektweise. Wenn ich etwas habe, wofür ich mich begeistere, dann bremst mich wenig. So wie derzeit bei dem Buch, das ich über meinen Bruder Ryan Hall schreibe, der schwer krank ist.
In „Hampstead Park“ geht es darum, sein Leben nach eigenen Vorstellungen zu leben. Wie ist Ihnen das bisher gelungen?
Im Großen und Ganzen würde ich sagen: Ja, an diese Maxime habe ich mich zum Glück immer gehalten. Ich habe immer das Leben gelebt, das ich leben wollte. Auch wenn es natürlich immer Situationen gab, in denen ich mit dem Ist-Zustand nicht glücklich war. Immer wieder fand ich mich zum Beispiel in Beziehungen wieder, die am Ende nicht funktioniert haben. Doch dafür habe ich aus diesen Erfahrungen gelernt, etwa wie unabhängig ich bin und dass ich wohl einfach keine gute Ehefrau wäre.
Haben Sie nie erwogen zu heiraten?
Doch, natürlich, mehr als erwogen. Als ich jünger war, war ich fest davon überzeugt, dass ich heiraten würde. Allerdings eher aus einem Automatismus heraus. Jedenfalls nicht, weil ich die Sache gründlich durchdacht hätte. Das Bild, das man von der Liebe und von Beziehungen meistens im Kopf hat, hat ja mit der Realität nicht so viel zu tun. Hätte ich zum Beispiel eine gute Ehefrau sein wollen, hätte ich vermutlich auf manches verzichten müssen, auf das ich nicht verzichten wollte. Nicht zuletzt auf meine Unabhängigkeit. Also zog ich den Schluss, dass mir für die Ehe das Talent fehlt.
Stattdessen haben Sie alleine zwei Kinder adoptiert. Ging das nicht auch mit einem Verzicht auf Unabhängigkeit einher?
Das stimmt. Nicht ohne Grund habe ich meine Kinder erst recht spät in meinem Leben adoptiert. Außerdem ist der Verzicht irgendwie ein anderer beziehungsweise habe ich ihn letztlich gar nicht so konkret verspürt, weil das Muttersein erst einmal alles andere überstrahlt hat. Ich fand es bemerkenswert, wie viele Gedanken und Sorgen man sich plötzlich um eine andere Person macht.
Welche Ihrer Wegbegleiter haben Ihr Leben am nachhaltigsten geprägt?
Als ersten muss ich Woody Allen nennen. Ihm habe ich, zumal beruflich, alles zu verdanken. Aber die anderen beiden Männer, mit denen ich lange Liebesbeziehungen hatte, waren für mich ebenfalls enorm wichtig. Al Pacino ist nicht nur ein unglaublicher Schauspieler, sondern war wahnsinnig einfühlsam. Warren Beatty war ja nicht nur mein Lebensgefährte, sondern bei „Reds“ auch mein Regisseur. Aber andere, platonische Freunde haben mein Leben genauso geprägt – ob nun Steve Martin und Martin Short oder die vielen tollen Frauen, mit denen ich zusammengearbeitet habe, von Meryl Streep über Goldie Hawn und Bette Midler bis zu Lisa Kudrow und Meg Ryan.

Zur Person: Diane Keaton

1946 als Diane Hall in Los Angeles, Kalifornien, geboren.

1968–1972 tritt sie im Musical „Hair“ am Broadway auf.

1972 erlebt sie internationale Bekanntheit durch die Rolle der Kay Adams, der Geliebten und Ex-Ehefrau von Michael Corleone, in Francis Ford Coppolas Mafia-Trilogie „Der Pate“.

1978 wurde sie für ihre Darstellung der Filmfigur Annie Hall in Woody Allens „Der Stadtneurotiker“ als beste Hauptdarstellerin mit einem Oscar und einem Golden Globe ausgezeichnet.

1996 entscheidet sie sich im Alter von 50 Jahren zur Adoption ihrer Tochter Dexter, als sie sich durch den Tod ihres Vaters ihrer eigenen Sterblichkeit bewusst wird, fünf Jahre folgt ihr Sohn Duke.