Die US-Schauspielerin Diane Keaton erzählt der StZ im Interview, warum sie Lust hat, ihre Komfortzone zu verlassen und eine Rolle mit Abgründen zu verkörpern.

Hollywood – - Hosenanzug und Hut, Brille und Handschuhe – so hat man Diane Keaton vor Augen, und das eigentlich schon, seit sie unter Woody Allens Regie in „Der Stadtneurotiker“ und „Manhattan“ Ende der siebziger Jahre zum Star wurde. Genau so sitzt sie nun, mit 68 Jahren und anlässlich ihrer neuen Komödie „Das grenzt an Liebe“ mit Michael Douglas, auch im Interview vor einem. Sie spricht fahrig und schnell, so wie man sie aus dem Kino kennt, und genauso amüsant.
Miss Keaton, Älterwerden ist für Schauspielerinnen in Hollywood bekanntlich kein Zuckerschlecken. Sie bekommen trotzdem immer wieder große Hauptrollen, so wie jetzt in „Das grenzt an Liebe“. Was haben Sie, was andere Kolleginnen nicht haben?
Glauben Sie mir, auch für mich ist das mit dem Alter kein Zuckerschlecken. Und auch für die Männer übrigens nicht. Die Rollen liegen nicht auf der Straße! Mein Glück war es wohl, dass ich irgendwann die romantischen Komödien für mich entdeckt habe. Es war Woody Allen, der mir das irgendwann geraten hat. Er meinte, dass man als Frau eine längere Karriere haben kann, wenn man an die Liebesfilme und Komödien herankommt, statt sich nur auf die großen Dramen und Tragödien zu konzentrieren. Anfangs war mir nicht klar, was er meinte. Doch mittlerweile glaube ich, dass er Recht hatte.
Wobei die Gefahr besteht, dass man auf einen Typ festgelegt wird.
Natürlich suche ich mir Rollen aus, mit denen ich mich identifizieren kann. Das heißt nicht automatisch, dass diese Figuren genauso sind wie ich. Das gilt auch nicht nur für sympathische Frauen, sondern war zum Beispiel auch bei der Schriftstellerin Louise Bryant der Fall, die ich 1981 in „Reds“ spielte und über die meine Recherche eher wenig Schmeichelhaftes ergab.
Aber in der Regel spielen Sie ja doch sehr entzückende, bestenfalls etwas neurotische Frauen . . .
Stimmt. Eigentlich schade, oder? Ich hätte große Lust, irgendwann doch mal eine Frau mit richtig heftigen Abgründen und Problemen zu spielen. Vielleicht eine Mörderin? Auf jeden Fall zumindest jemanden, den man so nicht von mir erwarten würde. Ich glaube, es würde mir wahnsinnig Spaß machen, meine Komfortzone zu verlassen. So wie es mein Filmpartner Michael Douglas letztes Jahr in „Liberace“ getan hat
Könnten Sie einen solchen Film nicht einfach selbst inszenieren? Immerhin haben Sie doch schon ein paar Mal Regie geführt.
Stimmt, aber mein Letzter, die Komödie „Aufgelegt!“ mit mir, Meg Ryan und Lisa Kudrow, ist leider fürchterlich gefloppt. Daran habe ich ganz schön genagt. Außerdem habe ich dann ja noch relativ spät im Leben meine beiden Kinder adoptiert. Seitdem habe ich nicht mehr so wirklich den Drang verspürt, hinter der Kamera zu stehen. Falls ich das doch noch einmal mache, dann sicher bei einem kleinen, kostengünstigen Film. Und ohne dass ich selbst auch mitspiele!
Stecken Sie nach all den Jahren im Geschäft solche Misserfolge eigentlich gut weg?
Nicht wirklich, wenn ich ehrlich bin. Mir macht das schon zu schaffen, auch heute noch. Zumindest für eine kurze Zeit. Denn zum Glück habe ich über die Jahre zumindest gelernt, wie ich solche Niederlagen auch hinter mir lassen kann. Da hat es geholfen, dass ich zu Beginn meiner Karriere ziemlich oft Absagen bekam und mich ständig bei meiner Mutter ausheulte, weil ich mal wieder nicht genommen wurde. Bis heute bin ich erst einmal am Boden zerstört, wenn etwas nicht so läuft, wie ich es mir erhofft habe. Aber zumindest weiß ich mittlerweile, dass das Leben weiter geht und die nächste Chance kommen wird.
Allzu lange kann die Zeit der Absagen ja nicht gewesen sein. Erinnern Sie sich noch, wann Sie erstmals das Gefühl hatten, in Ihrem Job erfolgreich zu sein?
Auf jeden Fall war „Der Stadtneurotiker“ der Film, der für mich alles verändert hat. Damit wurde natürlich ein Traum wahr, und für mich waren das damals aufregende Zeiten. Aber sicherlich bis zu einem gewissen Grad auch ein wenig Respekt einflößend, einfach weil man nicht recht weiß, was einen erwartet und wie man damit umgeht. Ich empfinde das bis heute als eine seltsame Situation: Man selbst hat sich eigentlich nicht verändert, aber trotzdem unterscheidet man sich durch die öffentliche Aufmerksamkeit plötzlich von den meisten seiner Mitmenschen. Zum Glück hält sich das bei uns Schauspielern noch einigermaßen in Grenzen. Denn ich mag mir gar nicht ausmalen, wie das für Leute wie Obama oder Merkel ist, die sich nie verstecken können und ständig diese riesige Verantwortung tragen. Es gibt für mich wirklich keine schlimmere Vorstellung, als ein Weltenlenker wie die beiden zu sein.
Ist das Unwohlsein mit dem Ruhm auch ein Grund dafür, dass Sie so viel Zeit in Immobiliengeschäfte stecken?
Nein, das ist schlicht und einfach mein Hobby. Und Immobiliengeschäft ist das falsche Wort, das klingt nach meinem Vater, der Makler war. Ihm ging es damals ums Geld, mir um die Ästhetik. Ich verliebe mich einfach immer wieder in alte Häuser – und die kaufe ich dann, um sie wieder auf Vordermann zu bringen. Beim ersten Mal war das noch eine totale Schnapsidee. Aber mit der Zeit habe ich viel gelernt, übers Renovieren, über Architektur in Kalifornien, über Denkmalschutz. Diese Gebäude nicht nur vor dem Verfall zu bewahren, sondern sogar in kleine Prachtstücke zu verwandeln, macht unglaublich viel Spaß.
Wenn eines fertig ist, verkaufen Sie es auch?
In der Regel ja. Und stürze mich dann aufs Nächste. Gerade bin ich allerdings zum ersten Mal dabei, ein Haus nicht nur zu restaurieren, sondern von Grund auf zu bauen. Und zwar ausgehend vor allem durch die Online-Plattform Pinterest und den Bildern, die mich dort inspiriert haben. Das ganze ist als Buchprojekt angelegt: Raum für Raum male ich mir aus, wie mein Traumhaus aussehen würde, und baue es parallel bereits. Vermutlich sieht es dann am Ende kein bisschen so aus, wie ich mir das vorstelle. Schon allein weil ich ja keine Architektin bin. Aber ich bin auf jeden Fall völlig begeistert. Vom Buch noch mehr als vom Haus.
Haben Sie je darüber nachgedacht, sich nur noch mit Häusern zu beschäftigen und die Schauspielerei an den Nagel zu hängen?
Selbst wenn ich das wollte, könnte ich mir das vermutlich kaum leisten. Schließlich muss ja irgendwie der Lebensunterhalt finanziert werden. Es gab zwar mal eine Zeit, da habe ich mit den Häusern richtig gut Geld verdient. Aber dann habe ich auch einige große Fehler gemacht und vieles wieder in den Sand gesetzt. Von daher bleibe ich meinem eigentlichen Job lieber treu.
Also ist es nicht ausgeschlossen, dass Sie irgendwann noch einmal mit Woody Allen drehen werden?
Oh, gute Frage. Darüber haben wir, ehrlich gesagt, schon ewig nicht mehr gesprochen. Obwohl wir immer noch sehr gut miteinander befreundet sind. Aber würde das noch jemand sehen wollen? Heutzutage reißen sich doch die tollsten Schauspielerinnen um Rollen bei Woody. Was ja auch kein Wunder ist, denn er schreibt einfach grandiose, vielschichtige Parts für Frauen. Das hätte diesem kleinen, Witze reißenden Komiker vor 45 Jahren sicherlich niemand zugetraut.