Vorab hat man Denis Villeneuves Filmen wie „Die Frau, die singt“ und „Prisoners“ bisher nie große Chancen eingeräumt : zu schlau seien sie. Aber sie liefen viel besser, als Pessimisten erwartet hatten. Ohne Risiko, sagt der Frankokanadier im Interview, könne er sich das Filmemachen gar nicht vorstellen.

Stuttgart - Seit gerade die US-Rechte für sein kommendes Projekt „Story of your Life“ in Cannes für zwanzig Millionen Dollar weggingen, ist Denis Villeneuve der Mann der Stunde. Der 46-Jährige dreht jene düsteren Thriller zum Mitdenken (der neueste, „Enemy“, ist gerade bei uns im Kino angelaufen), die in der Epoche der Effektspektakel angeblich unzeitgemäß sind. Aber sie finden ihr Publikum.

 
Herr Villeneuve, Sie haben eine Vorliebe für düstere Sujets. Was fasziniert Sie am Grausamen und Rätselhaften?
Wenn ich eine Geschichte richtig entwickeln will, muss ich mit beiden Gehirnhälften denken. Die eine Seite beschäftigt sich mit ernsten, düsteren und realistischen Fragen, die andere geht eher wie ein Kind vor, das im Garten spielt und sich dabei verrückte, groteske Sachen ausdenkt. Wenn man diese Denkweisen kombiniert, entsteht etwas sehr Surrealistisches und Poetisches. Gleichzeitig führt mich diese Art des Denkens aber auch zum Grausamen.
In „Prisoners“ und „Enemy“ kämpfen die Charaktere jeweils auf sehr unterschiedliche Art mit massiven Ängsten. Gibt es etwas, was Ihnen selbst Angst macht?
In meiner Arbeit geht es mir darum, die Kraft des Unterbewusstseins auszuloten. Jeder empfindet doch den immensen Druck der Ängste, die auf uns lasten. Ich finde, es ist schon schwer genug, das Leben eines Erwachsenen zu führen, und dann sind da noch die Gespenster aus der Kindheit, mit denen man kämpft. Diese Furcht ist wahnsinnig lebendig, und um sie loszuwerden, braucht man sein ganzes Leben. Das finde ich in gewisser Weise ziemlich beängstigend.
So düster „Enemy“ auch ist, Adam entdeckt seinen Doppelgänger Anthony als Darsteller in einer Komödie. Könnten Sie sich vorstellen, jemals eine Komödie zu inszenieren?
Tatsächlich hatte ich schon einmal eine Idee für eine wirklich schwarze Komödie. Etwas in der Art von Stanley Kubricks „Dr. Strangelove“ aus dem Jahr 1964, den ich sehr liebe. Aber das Buch dazu ist in der Schublade geblieben. Vielleicht war die Geschichte auch nicht besonders gut. Es ging um das Ende der Welt.
„Prisoners“ war international sehr erfolgreich, in Cannes gab es einen Bieterwettbewerb um die Auswertungsrechte an Ihrem nächsten Film. Was bedeutet Erfolg für Sie?
Es ist ganz einfach: du bist immer nur so gut wie dein letzter Film. Die Arbeit als Regisseur ist ein Privileg. Dafür habe ich viele Risiken auf mich genommen, aber es macht mich glücklich und lebendig. Ich finde, ein wichtiger Bestandteil der Kreativität ist die Fähigkeit, Risiken anzunehmen, selbst wenn man dabei dem Abgrund ziemlich nahe kommt. Mit den Jahren ist es einfacher geworden, Geld für Filme aufzutreiben, aber man darf sich nie zu sicher fühlen.