Margrethe Vestager, EU-Kommissarin für Wettbewerb, legt sich mit Weltkonzernen an. Dass sie vor deren Macht nicht einknickt, macht sie im StZ-Interview klar.

Brüssel - Ob es um Kartelle, Monopolisten oder ungerechtfertigte Staatsbeihilfe geht – die oberste EU-Wettbewerbsbehörde wacht über das Funktionieren des Binnenmarkts. Margrethe Vestagers größter Fall ist Google, gegen das sie am Ende ein Bußgeld von bis zu sechs Milliarden Euro verhängen könnte.

 
Frau Vestager, gelten in Europa noch die Regeln und Pflichten der Marktwirtschaft?
Ja, natürlich. Warum fragen Sie?
Weil angesichts der vielen Kartell- und Beihilfeverfahren, die Sie zuletzt eröffnet haben, der Eindruck entsteht, dass die Großen ohnehin tun, was sie wollen.
Das sehe ich nicht so. Die überwiegende Zahl der Unternehmen im europäischen Markt spielt nach den Regeln, nur eine kleine Anzahl hält sich nicht daran. Mein Job ist es sicherzustellen, dass die Mehrheit darauf vertrauen kann, dass jene verfolgt und bestraft werden, die Foul spielen.
Das sind sehr oft große, internationale Konzerne, weshalb viele Bürger glauben, unsere Länder würden nicht von Politikern regiert, sondern von den Multis.
Mein erster Fall als Wettbewerbskommissarin betraf ein Kartell von Briefumschlagsherstellern. Es war fast traurig, sie bestrafen zu müssen, da der Markt für Umschläge vermutlich nicht besser wird. Was ich damit sagen will: Jeder muss sich an unsere Marktregeln halten – ob klein oder groß.
Die Frage ist doch, ob Sie diese Regeln auch gegenüber großen Namen durchsetzen. Nehmen wir Google: Garantieren Sie eine Strafe, wenn Sie am Ende einen Missbrauch der Marktposition feststellen?
Garantien gebe ich keine ab. Aber eines kann ich versichern: Wir werden alles versuchen, um den Fall erfolgreich abzuschließen – vorausgesetzt wir haben die Fakten, die unsere Kritik untermauern.
Wann wird es so weit sein?
Einen Zeitpunkt zu nennen ist schwer. Wie sich der Fall entwickelt, hängt schließlich von den Antworten ab, die Google uns bis Juli schicken muss. Wir werden sie unvoreingenommen prüfen, aber unser offizieller Einspruch gegen Googles Geschäftspraktiken von Mitte April bedeutet ja, dass wir glauben, den Missbrauch der Marktstellung beweisen zu können.
Sie waren gerade in den USA, um den Fall zu erläutern. Wie waren die Reaktionen?
Sätze wie „Was fällt euch ein“ habe ich schon gehört, aber auch „Natürlich solltet ihr das machen“. Der Fall Google wird in Amerika keineswegs einseitig gesehen.
Gelegentlich wird argumentiert, eine Strafe für Google sei die letzte Chance für Europas Unternehmen, Anschluss zu halten beziehungsweise digital zu wachsen.
Der Fall hat zweifellos hohe Bedeutung, aber man sollte nicht zu viel hineininterpretieren. Dass aus den tollen Start-up-Ideen in Europa noch kein zweites Google geworden ist, hat auch andere Gründe. Es ist weniger Risikokapital vorhanden als in den USA, das in solche Projekte investiert.
Was kann die Wettbewerbskommissarin für die digitale Zukunft tun? Fusionen von Telekomfirmen erleichtern? Es heißt, in Europa seien sie zu klein und schwach, um nötige Investitionen zu tätigen.
Es wäre wünschenswert, wenn es paneuropäische Telekomkonzerne gäbe und dass sie nicht nur versuchen, ihren jeweiligen nationalen Markt zu monopolisieren.