Wie elektrisch sind die Bewohner der Filder unterwegs? Was gut läuft und woran es hapert, erläutert eine Serie rund ums Thema E-Mobilität. Diesmal: Im Interview erklärt die Bürgermeisterin Eva Noller, warum sie auf E-Mobiltät baut.

Leinfelden-Echterdingen - Leise, umweltfreundlich und sicher: Mit Strom zu fahren, gilt als die Antriebsart der Zukunft. Die Redaktion hat sich mit Baubürgermeisterin Eva Noller über Räder und Autos mit elektrischem Antrieb unterhalten. Wir wollten wissen, welchen Stellenwert die Elektro-Mobilität im Mobilitätskonzept der Großen Kreisstadt einnehmen wird.

 
Frau Noller, im SWR-Fernsehen war vor kurzem ein ganz netter Film zu sehen. Darin wurde die spannende Frage gestellt: Wem gehört die Stadt – den Autofahrern, den Radfahrern oder den Fußgängern? Wie würden Sie diese Frage für Leinfelden-Echterdingen beantworten?
Die Stadt gehört allen Menschen. Gerade im Straßenverkehr geht es um eine friedliche Koexistenz der Verkehrsteilnehmer, die alle gleichberechtigt sind. Wichtig ist, dass wir die Dominanz der Autos, die wir in Leinfelden-Echterdingen haben, ein Stück weit aufheben und ausgleichen zu Gunsten aller Verkehrsteilnehmer.
Wie geht das?
Die Straße sollte als Ort wahrgenommen werden, an dem auch Leben möglich ist, nicht nur als reine Verkehrsader. Die Echterdinger Hauptstraße ist da für mich ein gutes Handlungsfeld. Hier wollen wir mittelfristig etwas verändern. Es sollte deutlich werden, dass sich Menschen dort aufhalten, dass sie einkaufen und Kaffee trinken, eben andere Bedürfnisse haben als der durchfahrende Autofahrer.
Dort ist die Geschwindigkeit schon reduziert. Was muss sich noch ändern?
Die Gestaltung muss offener werden, es muss mehr Platz für Fußgänger und Radfahrer entstehen. Allerdings ist die Echterdinger Hauptstraße an manchen Stellen eng. Da werden wir prüfen, was genau wir tun können – im Sinne aller Verkehrsteilnehmer.
Zu den Radfahrern gehören immer mehr Pedelecs, die auf Straßen, Feld- und Radwegen unterwegs sind. Welche Folgen hat das?
Gerade die Pedelecs sind eine riesige Chance für Leinfelden-Echterdingen. Denn wir haben sehr gute Voraussetzungen für einen Radverkehr. Es liegen jeweils zwei bis vier Kilometer zwischen den Stadtteilen. Das ist eine hervorragende Fahrraddistanz. Gleichzeitig haben wir mit Stetten und Musberg auch zwei Stadtteile, wo es erheblich rauf und runter geht. Das Pedelec bietet hier die Möglichkeit, dennoch mit dem Rad unterwegs zu sein. Auch für Generationen, die vielleicht gedacht haben, für sie ist das Radfahren passé. Insgesamt wollen wir den Radverkehr stark fördern. Weil diese Förderung sehr viele Zielgruppen erreicht: Alltagsradler wie Schüler, Arbeitnehmer, auch Eltern, die ihre Kinder in den Kindergarten bringen, aber auch die Freizeit- und Sportradler, die zum Beispiel den Radweg im Siebenmühlental nutzen.
Der Pedelec-Fahrer kann auch relativ schnell unterwegs sein. Auf Feldwegen trifft er auf Landwirte. Gibt es hier zunehmend Konflikte?
Solche Konflikte kann es geben. Es geht aber immer um eine gegenseitige Rücksichtnahme. Ich fahre auch viel über Feldwege und habe noch nie einen Konflikt mit einem Landwirt gehabt. Das hängt einfach von den Menschen ab. Das Tolle am Radfahren ist, dass man in der Umwelt freien Blickes unterwegs ist, man kann Blickkontakt mit anderen Verkehrsteilnehmern aufnehmen. Das ist der große Unterschied zum Autofahrer, der in einer geschlossenen Kapsel durch die Gegend fährt.
Da haben Sie meine nächste Frage ja schon beantwortet, warum Sie viel Rad fahren.
Der Grund ist vor allem, dass ich mich sehr gerne bewege. Ich bin gern in der Natur unterwegs und genieße es, Wind und Wetter wahrzunehmen, die Felder und Büsche zu riechen. Für mich ist es auch eine zeitökonomische Frage. Ich habe ja eine Tätigkeit, in der ich viel in Sitzungen sitze und ich nutze deshalb die Möglichkeit mich zwischendurch, morgens oder abends sportlich zu betätigen. Die Zeit, regelmäßig in ein Fitness-Studio zu gehen, habe ich nicht.
Sie fahren ein normales Rad – kein Pedelec?
Nun das Rad habe ich jetzt halt. Das hat mir mein Mann gekauft. Und ich will ja auch den Sport. Dienstlich nutze ich schon manchmal ein Pedelec. Ich will ja nicht völlig verschwitzt bei Terminen erscheinen.
Sie fahren aber ein E-Auto? Warum?
Das ist eine Frage des Komforts. Ich finde Autofahren generell eher anstrengend. Als ich hier Bürgermeisterin wurde, musste ich mir aber ein Auto zulegen. Mit einem E-Auto unterwegs zu sein, ist unglaublich angenehm. Es ist leise und fährt geschmeidig. Ich will gar nicht mehr anders fahren. Noch dazu ist es umweltfreundlich.
Es ist ein französisches Fabrikat – warum?
Der Zoe von Renault ist ein wunderbares Auto. Ende 2014 gab es kein besseres Angebot von einem deutschen Hersteller mit einem solch guten Preis-Leistungsverhältnis. Wichtig ist aber sicher auch zu sagen, dass dies ja mein privates Fahrzeug ist.
Wo laden Sie es auf?
Wir haben in der Stadtverwaltung drei Ladestationen. Denn wir haben mittlerweile außer meinem privaten Fahrzeug vier E-Autos und sechs Pedelecs. Wir stellen zunehmend um, weil der E-Antrieb große Vorteile gerade für kurze Botendienste hat. Und das Preis-Leistungsverhältnis stimmt.
Dort können die Bürger ja aber nicht laden. Bisher gibt es nur zwei mehr oder weniger öffentliche Ladestationen in L.-E. Beim Mediamarkt und beim Aldi. Ist hier auch an ein Engagement der Stadtwerke gedacht?

Wir haben tatsächlich nur diese zwei. Die ersten drei wirklich öffentlichen Ladestation sind geplant, aber noch nicht da. Herr Friedrich, Chef der Stadtwerke, hat sich gemeinsam mit Filderstadt für ein Bundesförderprogramm beworben. Im Sommer erwarten wir das Ergebnis. Ich hatte dazu ein Gespräch mit der Werbegemeinschaft und dem Bund der Selbstständigen. Wir haben besprochen, dass zwei der Ladesäulen im Bereich des Einzelhandels, beispielsweise an der Bernhäuser Straße in Echterdingen, und eine beim Orchideenhaus auf dem neuen Parkplatz in der Nähe des Neuen Marktes aufgestellt werden sollen. Damit auch der Einzelhandel etwas davon hat.

Inwiefern?
Wenn man eine öffentliche Ladestation braucht, dann sucht man sich Orte, wo man seine Zeit sinnvoll nutzen kann. Denn man braucht mindestens eine halbe Stunde, um das Auto zu laden. Davon kann der Einzelhandel profitieren.
Welchen Stellenwert hat die E-Mobilität im Mobilitätskonzept von Leinfelden-Echterdingen?
Für uns hat diese Antriebsart schon einen Stellenwert. Mit Ausnahme der Pedelecs ist sie aber nicht das zentrale Handlungsfeld. Wir haben in Leinfelden-Echterdingen eine sehr hohe Belastung der Straße. Jedes E-Auto ist zwar leise und stinkt nicht, steht aber trotzdem auf der Straße und macht Stau. Ich sehe mehr Potenzial in der Förderung der Intermodalität.
Was heißt das?
Es gilt, die Verkehrsarten zu kombinieren. Die Bedingungen für ein Umsteigen auf öffentliche Verkehrsmittel müssen verbessert werden. Ein großes Handlungsfeld sehe ich auch bei den Pendler. Wir haben inzwischen fast 24 000 Einpendler und 12 000 Auspendler. Wenn etwa zehn Prozent davon auf umweltfreundliche Verkehrsmittel umsteigen würden, hätten wir 7600 Fahrten weniger pro Werktag.
Wird L.-E. Privilegien für E-Auto-Fahrer anbieten, beispielsweise freies Parken?
Heute zahlt noch in L.-E. kaum jemand oberirdisch für einen Parkplatz. Wenn es aber dazu kommen sollte, wird es diese Privilegien für E-Auto-Fahrer geben.
Die Große Kreisstadt bewirbt sich für eine bundesweite Leitinitiative Zukunft. L.-E. könnte acht unterschiedliche Fahrzeuge mit innovativer Antriebstechnik erproben. Was versprechen Sie sich davon?
Wir könnten eine Modellstadt werden. Man könnte zwei Jahre lang Fahrzeuge aller Art im Carsharing nutzen. Diese könnten alle halbe Jahre zu unterschiedlichen Bedingungen ausgeliehen werden. Eine nach sozialen Kriterien gestaffelte Gebühr soll getestet werden. Für das Modell „sich ein Fahrzeug teilen“ wird damit auf eine sehr praktische Weise geworben.
Wagen wir einen Blick in die Zukunft: Wie viele E-Fahrzeuge werden in zehn Jahren auf den Fildern unterwegs sein?
Das ist eine schwierige Frage. Im Landkreis Esslingen waren Ende 2014 243 E-Autos unterwegs. Hiesige Autohersteller gehen das Thema ja etwas zögerlich an. Aber vielleicht könnten es in zehn Jahren 2000 oder 3000 Autos sein.
Und wie viele Ladestationen wird es in der Großen Kreisstadt in zehn Jahren geben.
Wir entwickeln ein Konzept für Mobilitätspunkte. Das sollen Orte sein, an denen es bereits ÖPNV gibt – also die Bahnhöfe und U-Bahnhaltestellen in der Großen Kreisstadt. Aber auch in Musberg und in Stetten sollen solche Punkte eingerichtet werden. Wir planen insgesamt elf Mobilitätspunkte einzurichten. An jedem dieser Punkten soll es auch eine Ladestation geben.

Unsere Online-Themenseite

Unsere Geschichten zur E-Mobilität auf den Fildern bündeln wir unter www.stuttgarter-zeitung.de/thema/Serie-E-Mobilität und www.stuttgarter-nachrichten.de/thema/Serie-E-Mobilität.