Der WM-Ort Seefeld weckt Hermann Weinbuch gute Erinnerungen. 1985 wurde er dort Doppelweltmeister. Der Bundestrainer der Kombinierer ist sich sicher, dass die WM erneut ein Riesenfest wird.

Seefeld

 

Hermann Weinbuch, Bundestrainer der Kombinierer, spricht im Interview über die eigenen Ansprüche bei der WM in Seefeld, die Konkurrenz und seinen Nachfolger.

Herr Weinbuch, bei der WM 2017 und den Olympischen Spielen 2018 haben die deutschen Kombinierer alles gewonnen, was es zu gewinnen gab. Was erwarten Sie von der anstehenden WM in Seefeld?

Weniger.

Weniger?

Wer ein bisschen gesunden Menschenverstand hat, dem ist klar, dass es nicht immer so herausragend laufen kann.

Warum nicht?

Was wir in Lahti mit vier Titeln in vier Rennen und dem Vierfach-Erfolg von der Normalschanze sowie in Pyeongchang mit dreimal Gold in drei Wettbewerben und dem komplett von uns besetzten Podium im Wettbewerb von der Großschanze geschafft haben, war unglaublich, unvorhersehbar, unnatürlich. So etwas kann man sich nicht vornehmen. Der Wahnsinn kann kein Ziel sein.

Wie lautet stattdessen die Vorgabe?

Ich bin ein Freund davon, sich nicht die allerhöchsten Ziele zu setzen, weil dies sonst schnell mal zu Verkrampfungen führen kann. Es gibt in Seefeld vier Wettkämpfe, wir wollen drei Medaillen holen.

Dieses Ziel . . .

. . .  ist hoch genug. Solche Ansprüche an sich selbst zu formulieren traut sich keine andere Sparte im deutschen Skisport. Und trotzdem ist es eine realistische Vorgabe.

Zuletzt sprangen und liefen Ihre Athleten den eigenen Ansprüchen öfter mal hinterher.

Das stimmt, aber dies ging nicht nur uns so. Viele Nationen haben in dieser Saison Höhen und Tiefen erlebt, richtig beständig war außer dem Norweger Jarl Magnus Riiber, der schon zehn Weltcup-Rennen gewonnen hat, eigentlich niemand.

Woran liegt das?

Das Niveau im Springen ist unglaublich gestiegen, folglich wird oft mit eher kurzem Anlauf gesprungen. Dabei zeigt sich dann, dass es alles andere als einfach ist, mit wenig Anlauf auf große Weiten zu kommen. Das hat die gesamte Szene verunsichert.

Auch Ihre Athleten lagen nach den Springen immer mal wieder ziemlich weit zurück.

Das ist richtig, weshalb wir zuletzt erst auf die kleine Schanze in Oberstdorf gegangen sind, dort Material getestet und uns mit viel Anlauf neue Selbstsicherheit und ein besseres Fluggefühl geholt haben. Danach ging es auf die große Schanze in Garmisch-Partenkirchen, um auch dort den Rhythmus zu finden. Dann war die Herausforderung, den Fluss mit weniger Anlauf beizubehalten.

Und?

Schon vor dieser letzten Vorbereitungsphase waren wir näher dran an der Konkurrenz, als es im Vorfeld der Olympischen Spiele der Fall war. Es gab zwar Baustellen, an denen wir richtig viel arbeiten mussten. Trotzdem bin ich überzeugt davon, dass wir wieder auf den Punkt topfit sein werden.

Für die anderen Nationen muss sich das anhören wie eine Drohung.

Es ist uns in der Vergangenheit immer wieder gelungen, im richtigen Moment zuzulegen. Dafür fürchtet uns die Konkurrenz völlig zu Recht, so viel Überzeugung und Glauben an uns selbst haben wir. Eines darf man allerdings nicht vergessen.

Was?

Wir greifen von hinten an. Der große Favorit heißt diesmal Riiber. Er wird sich schon als Verlierer fühlen, wenn er als Zweiter auf dem Podest steht. Unsere Hoffnung ist, dass diese Ausgangslage nicht einfach ist, sie kann einen ziemlich belasten.

Sportlich war Jarl Magnus Riiber in dieser Saison meist unantastbar. Was macht ihn aus?

Er war schon immer ein herausragender Springer, vor dieser Saison hat er sich im Laufen um zwei Klassen verbessert, dazu besitzt er ein großes taktisches Gespür sowie einen starken Willen. Und die vielen Siege geben ihm natürlich Selbstsicherheit.

Hört sich nach einem guten Paket an.

In der Tat. Aber er muss es erst mal schaffen, auch bei einer WM abzuliefern. Zumal er uns im Nacken spürt.

Johannes Rydzek hat bei der WM 2017 alle vier Titel geholt. Könnte Jarl Magnus Riiber dieses Kunststück nun auch gelingen?

Ja, in der Theorie schon.

Und in der Praxis?

Ist die Konkurrenz wohl zu stark dafür.

Zum Beispiel Johannes Rydzek?

Er hat in dieser Saison sein Potenzial schon öfter gezeigt, ein Rennen gewonnen und stand insgesamt sechsmal auf dem Podest. Es war bei ihm auf der Schanze zwar hin und wieder etwas wacklig, aber er ist sicher in der Lage, auch einen Riiber zu schlagen.

Was muss dafür passieren?

Die Loipen in Seefeld sind relativ einfach, also dürfen zwei Dinge nicht eintreten.

Welche?

Unsere Rückstande nach dem Springen dürfen nicht zu groß sein, weil große Rückstände in Seefeld nicht aufzuholen sind. Vor allem dann nicht, wenn vorne mehrere gute Springer in einer Gruppe laufen, sich abwechseln und gegenseitig Windschatten geben können. Das Zustandekommen einer solchen Gruppe ist das zweite Szenario, das für uns richtig schlecht wäre.

Freuen Sie sich auf die WM in Seefeld?

Klar. Es ist ein wunderschöner Ort, mit dem wir aufgrund unserer großen Erfolge im Weltcup, die wir dort hatten, tolle Erinnerungen verbinden. Außerdem bin ich dort 1985 Doppelweltmeister geworden. Ich bin sicher, dass es erneut ein Riesenfest wird. Und eine absolut geile WM.

Freuen Sie sich auch deshalb auf Seefeld, weil es womöglich Ihre letzte WM sein wird?

Könnte schon sein, aber daran denke ich aktuell nicht.

Sie sind seit 1996 Bundestrainer, Ihre Athleten haben in dieser Zeit 49 Olympia- und WM-Medaillen geholt. Wie lange machen Sie noch?

Wahnsinn, wie lange ich jetzt vorne dran bin. Aber trotzdem weiß ich nicht, wann Schluss sein wird. Ich schaue Jahr für Jahr, ob ich den Jungs noch etwas geben kann. Und ich spreche nach jeder Saison mit meinen Trainer-Kollegen, wie sie die Situation beurteilen.

Skisprung-Bundestrainer Werner Schuster hat neulich beim Weltcup in Oberstdorf bekannt gegeben, dass er nach der Saison aufhören wird. Nun läuft auch während der WM die Suche nach einem Nachfolger.

Wir werden das anders machen.

Wie?

Ich werde irgendwann nach dem Ende einer Saison gehen.

Und es gibt noch einen Unterschied: Ihr Nachfolger scheint schon festzustehen.

Richtig.

Ex-Weltmeister Ronny Ackermann . . .

. . . wäre genau der richtige Mann, er arbeitet ja jetzt schon sehr eng mit mir zusammen. Aber letzten Endes bestimmt er seine Zukunft selbst.

Was bedeutet das genau?

Wenn er es will, dann wird er der nächste Cheftrainer der deutschen Kombinierer.