Der Brigadegeneral Michael Matz im StZ-Interview: er sieht die geringeren Verluste der Bundeswehr und die steigenden Opferzahlen auf Seiten der afghanischen Sicherheitskräfte als eine Folge der neuen Strategie.

Politik: Matthias Schiermeyer (ms)
Masar-i-Scharif. - Beim Aufbau von Armee und Polizei sei man im Norden Afghanistans weit vorangekommen, sagt der Isaf-General Matz. Skepsis zeigt er bei der Frage, ob dies nachhaltig sei und der gesamte Einsatz über 2014 hinaus ein Erfolg werde. Daher sollte die internationale Truppe über das nächste Jahr hinaus weiterhin eingesetzt werden, rät er.
Herr General Matz, sind die vergangenen Monate mit enorm vielen Kriegsopfern ein düsteres Vorzeichen für das, was nach dem Ende des Isaf-Mandats 2014 folgt?
Richtig ist, dass wir hohe Verluste bei den afghanischen Sicherheitskräften zu beklagen haben – vor allem im Osten und Süden. Dafür gibt es Gründe wie die Kampfsaison seit April. Hier im Norden agieren die Sicherheitskräfte fast autark mit einem nur noch geringen Zutun von uns. Allein im Juni haben wir ein Dutzend Operationen gesehen, an denen 200 bis 2000 ihrer Männer teilgenommen haben. In der Regel führt die Armee den Angriff durch und kämpft das Gelände frei, woraufhin die Polizei Checkpoints einrichtet. Da wurden gute Erfolge erzielt, so dass dort für längere Zeit Ruhe ist. Wo der Druck der Aufständischen größer ist, müssen die Checkpoints wieder verlassen werden. In anderen Teilen des Landes ist signifikant mehr Unterstützung durch Truppe am Boden erforderlich. Dort ist es fraglich, dass die Zeit bis Ende 2014 reicht, um das Land zu befrieden. Jeden Tag gibt es Gefechte und Verluste. Da kann man nicht so ein positives Fazit wie im Norden ziehen.
Wenn Armee und Polizei jetzt schon einen enorm hohen Blutzoll zahlen – was kommt erst nach dem nächsten Jahr auf sie zu?
Die Sicherheitskräfte sind noch nicht zu hundert Prozent aufgestellt, das wird erst Ende des Jahres so sein. Allein die Tatsache, dass sie von sich aus operieren und den Willen haben, für Sicherheit zu sorgen, ist positiv zu bewerten. Die Opferzahlen steigen, weil sie jetzt in der ersten Reihe operieren. Wenn es gelingt, dauerhaft Präsenz zu zeigen, was vor einem Jahr noch nicht der Fall war, gelingt dies nach meiner Überzeugung auch, wenn das Isaf-Mandat beendet ist.
Die Bundeswehr hat bis auf den KSK-Angehörigen, der am 4. Mai getötet wurde, seit zwei Jahren keine Gefallenen mehr zu beklagen – weil sie nur noch den geordneten Rückzug sicherstellt und kaum noch die Lager verlässt?
Wir sind in die dritte Reihe zurückgetreten. Als ich 2009 bis 2010 hier war, haben wir vorne gekämpft und die Sicherheitskräfte mitgezogen. Das war der Beginn des Partnerings. Dann kam die Phase, wo wir die Afghanen mit massiven Kräften nach vorne geschoben haben. Heute haben wir viele kleine Teams im Hintergrund, aber es gibt nicht mehr die großen Einheiten. Wenn zum Beispiel das Korps hier in Masar-i-Scharif eine Operation durchführt und der General mit seinem Gefechtsstand dorthin geht, begleiten wir ihn oder beraten aus der Ferne. Unser zweiter Kernauftrag ist die Rückführung des Materials – dieser Spagat ist nicht einfach, aber er funktioniert.