In Schmiden aufgewachsen, gehört Katja Bürkle mittlerweile zur ersten Riege auf deutschen Bühnen. Am Sonntag ist sie im Stuttgart-Tatort zu sehen gewesen – im Interview spricht sie darüber und über die Herausforderung, als freischaffende Schauspielerin über die Runden zu kommen.

Fellbach - Es gibt gleich mehrere Gründe für hiesige Krimifans, an diesem Sonntag den „Tatort Stuttgart“ im Ersten einzuschalten. Zum einen wegen der spannenden Story, zum anderen, weil wichtige Szenen in den Weinbergen auf dem Kappelberg gedreht wurden. Und nicht zuletzt spielt die in Schmiden aufgewachsene Katja Bürkle (Jahrgang 1978) eine tragende Rolle. Im Interview äußert sie sich zu den Auswirkungen von Corona auf ihr (Berufs-)Leben und über die Dreharbeiten in der Heimatstadt.

 

Frau Bürkle, eine Schauspielerin in der Corona-Krise: Wie sind Sie in den vergangenen Monaten über die Runden gekommen? Proben im Theater waren ja sicher nicht möglich. Auch TV-Produktionen lagen zumindest zuletzt auf Eis. Da bleibt wohl nur der Rückzug ins Privatleben?

Wir haben die letzten Monate, wie hoffentlich die meisten, zu Hause verbracht. Ich weiß noch nicht genau, wie wir als Familie in Zukunft über die Runden kommen werden. Bei mir bricht erst mal sehr viel weg. Also mindestens die Hälfte aller Einnahmen aufs Jahr gerechnet. Als freischaffende Schauspielerin sitzt man „bürokratietechnisch“ zwischen allen Stühlen. Das ist schon in normalen Zeiten hochgradig kompliziert. Zudem gestaltet sich die Situation an den Theatern sehr unterschiedlich. Einige Theater schaffen es mit klarer solidarischer Haltung, auch ihren Gastschauspielern Ausfallhonorare für ja oft lange im Vorhinein vertraglich vereinbarte Vorstellungen zu bezahlen. Gleichzeitig steht man vor der Situation, wie man überhaupt unter den gegebenen Bedingungen arbeiten könnte. Als jemand, die versucht, maximale Freiheiten auf der Bühne auszuloten und zu erforschen, ist Theater machen unter Corona-Bedingungen ein merkwürdiges Unterfangen. Andererseits habe ich auch schon Hamlet im Iran gespielt, da konnten wir, was Abstand halten, Körperkontaktvermeidung und Kostüme betrifft, einige Erfahrungen sammeln.

Derzeit agieren Sie in einer Hörspiel-Produktion in Frankfurt. Geht doch ein wenig?

Ja. Radio geht irgendwie. In Frankfurt haben wir ein Krimi-Hörspiel aufgenommen. Die Termine mussten mehrfach verschoben werden, da die Studios coronakrisentauglich gemacht werden mussten. Auch im Bayerischen Rundfunk wurden letzte Woche die Aufnahmen für das große NSU-Prozess-Hörspiel „Saal 101“ fortgesetzt. Dieses Projekt unter der Regie von Ulrich Lampen haben wir vor fünf Jahren begonnen. Uli beispielsweise lebt mit seiner Familie in Straßburg, der konnte jetzt wochenlang nur von zu Hause aus via Skype Aufnahmen leiten, bei denen der Sprecher in einem Studio in einer ganz anderen Stadt saß. Das geht so irgendwie. Mit meinen Studenten gibt es Gespräche, gemeinsames Lesen via Internet, Telefon oder auch mal ein Treffen mit Abstand, sofern man in derselben Stadt lebt. Aber für künstlerisches Arbeiten und Denken braucht es den direkten Kontakt. Zumindest beim Theaterspielen und beim Filmemachen meistens auch. Körper zur selben Zeit, am selben Ort, gemeinsam was erfindend.

Eigentlich wären Sie in den letzten Wochen an den Staatstheatern Stuttgart bei „Rechnitz (Der Würgeengel)“ von Elfriede Jelinek dabei gewesen. Jetzt war alle Müh‘ umsonst – da blutet einem das Herz, oder?

Sehr. Der Vorgang, Rechnitz überhaupt nochmal auf die Bühne zu bringen, begleitet uns seit vier Jahren. Wir hatten uns ja alle schon wochenlang auf die Bühnenproben vorbereitet, die am 16. März beginnen sollten und dann zwei Tage vor Beginn abgesagt werden mussten. In diesem Zusammenhang verwundert es auch sehr, dass es der Politik in Baden-Württemberg, im Vergleich zu anderen Theatern in anderen Bundesländern, bisher noch nicht gelungen ist, eine Lösung für die Bezahlung von Ausfallhonoraren der engagierten Gastkünstler zu finden. Wir haben uns schon mit einem Schreiben an die Ministerin gewandt, aber eine Antwort steht noch aus.

Zum Stuttgarter Tatort am Sonntag: In den Besetzungslisten der TV-Zeitschriften werden sie direkt nach den beiden Kommissaren genannt – Sie spielen offenbar eine gewichtige Rolle. Was können Sie denn, ohne zu viel zu verraten, zu dieser von Ihnen verkörperten Tamara Stuber sagen?

Die Dreharbeiten liegen ja schon ein Jahr zurück, aber ich glaube, sie ist eine sehr geradlinige Person mit einem großen Gerechtigkeitsempfinden.

Die Dreharbeiten fanden auch in Fellbach statt, wohl mit der entscheidenden Mördersuche – natürlich unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Showdown auf dem Kappelberg! – wäre ja eine knackige Schlagzeile.

In meiner Heimatstadt zu drehen war ein seltener Zufall. Ich war tatsächlich auf dem Kappelberg unterwegs, allerdings nicht zum Showdown. Den fertigen Film habe ich noch gar nicht gesehen. Aber wenn wir das gut gemacht haben, dann ist aus diesem Drehbuch ein spannender, schnörkelloser, überraschender Krimi geworden, der berechtigte und schwer zu beantwortende Fragen stellt, was das Motiv des Täters betrifft.

Wie sieht die Zukunft in einer hoffentlich bald kommenden Nach-Corona-Zeit aus: Welche Produktionen stehen für Sie an?

Maximal ungewiss. Es gibt Anfragen für Dreharbeiten. Sieht aus, als könnte man da irgendwie schneller wieder ins Machen kommen. Man wird sehen. Dieser ganze Wahnsinn macht ja so viele Dinge sichtbar. Fragen und Ungerechtigkeiten, über die wir längst hätten reden müssen. Wir fragen uns gerade, wie wir einen vernünftigen Umgang finden für unser konkretes soziales Leben in der nächsten Zeit. Es gibt eine Erschütterung im Sein, oder? Zumindest, wenn man Mutter eines Schulkindes ist und von Beruf Theaterschauspielerin, und die Theater sind auf unbestimmte Zeit geschlossen. Gleichzeitig besteht unser aller gesamtgesellschaftlicher Solidarakt ja eigentlich „nur“ darin, dass wir alle schön zu Hause bleiben, so wenig Menschen wie möglich treffen und denen nicht näher als zwei Meter kommen. Hände waschen und Rücksicht nehmen, und dann würden wir das hinbekommen. Es stellen sich unweigerlich große Fragen: Wie leben wir als Menschen überhaupt zusammen? Was essen wir, wo schlafen wir, wie arbeiten wir, und was machen wir alle zusammen dieses kurze Leben lang? Und wie sterben wir? Die Vorstellung, bestimmte Menschen auf längere Zeit nicht umarmen zu dürfen oder sie nur mit absurd anmutenden Verhaltensregeln für alle Beteiligten überhaupt treffen zu können – das ist absolut seltsam.

Strikt Abgeschirmte Dreharbeiten auf dem Kappelberg

Sperrgebiet

Die Stadt Fellbach hatte Ausflügler gewarnt: Wegen Dreharbeiten für den neuen „Tatort“ aus Stuttgart seien Spaziergänge auf dem Kappelberg zwei Tage lang nur eingeschränkt möglich. Tatsächlich erweist sich auch für den Reporter, der am 16. Mai 2019 ein paar Blicke auf den Showdown erhaschen will, das Areal am Hinteren Berg als Sperrgebiet. Wo man auch versucht, sich der von weitem erkennbaren, mutmaßlichen Leiche auf dem Weinbergweg zu nähern, stellt sich schon ein SWR-Mitarbeiter in den Weg: „Zugang nur für Komparsen und Hauptdarsteller.“

Du allein

Seinerzeit im Mai 2019 noch mit dem Arbeitstitel „Stadt in Angst“ versehen, läuft der Krimi nun als 1133. Folge der Reihe „Tatort“ an diesem Sonntag, 24. Mai, um 20.15 Uhr im Ersten. Dabei geht es um einen Mörder, der seine Opfer offenbar willkürlich aussucht.

Auf Mörderjagd

In den Fellbacher Weinbergen ermittelt haben die Kommissare Thorsten Lannert (Richy Müller) und Sebastian Bootz (Felix Klare) schon mal – Ende Januar 2012 wurde für „Tote Erde“ in einem Weinberghäuschen gedreht, das Ergebnis wurde dann am 21. Oktober 2012 von neun Millionen Zuschauern begutachtet.