Der ehemalige Fußball-Profi Michael Zeyer ist seit einer Woche neuer Sportdirektor des Fußball-Drittligisten Stuttgarter Kickers. Im StZ-Interview spricht der erfolgreiche Gastronom über die Unterschiede und Gemeinsamkeiten zwischen Fußball und Restaurantbetrieb.

Sport: Joachim Klumpp (ump)
Stuttgart – - Seit einer Woche ist Michael Zeyer (45) neuer Sportdirektor bei dem Fußball-Drittligisten Stuttgarter Kickers. Der Club empfängt am Samstag (14 Uhr, Gazi-Stadion) Borussia Dortmund II – und befindet sich zudem auf Trainersuche.
Herr Zeyer, was ist denn schwieriger zu führen: ein Restaurant oder ein Fußballverein?
Schwierig ist beides; anstrengender ist es, ein Restaurant zu führen. Das ist zeitlich aufwendiger, man hat ständig Kundenkontakt, lange Öffnungszeiten und viele Aufgaben, die man ausfüllen muss. Das ist ein breiteres Spektrum. Hier im Verein habe ich mein klar abgegrenztes Aufgabengebiet.
Der in Neresheim geborene Michael Zeyer war Fußballprofi – unter anderem beim SC Freiburg, MSV Duisburg und VfB Stuttgart. 2011 hat er das Restaurant „5“ in der Stuttgarter Innenstadt eröffnet, das inzwischen mit einem Stern ausgezeichnet worden ist.
Dennoch waren Sie in der kurzen Zeit seit der Eröffnung des „5“ schon sehr erfolgreich – mit einer Sterne-Auszeichnung.
Wir haben das in anderthalb Jahren geschafft, obwohl wir in dieser Zeit einen Küchenchefwechsel zu verkraften hatten. Auch in der Gastronomie geht es darum, die Schlüsselposition des Küchenchefs richtig zu besetzen – so wie es im Fußball letztlich mit dem Trainer ist.
Bedeutet das denn, dass es in der Gastronomie etwas einfacher ist, einen adäquaten Ersatz zu finden, als im Fußball?
Ich glaube, die Gastronomie ist insgesamt komplexer, weil grundsätzlich ein Mangel an guten Mitarbeitern besteht. Hier habe ich schon nach einem Tag etliche Bewerbungen in meinen E-Mails auf dem Tisch, die ich zumindest prüfen kann – und ich muss nichts dafür tun. In der Gastronomie muss man um jeden Kandidaten kämpfen, Anzeigen schalten, Kontakte suchen. Was gleich bleibt: es ist schwierig, den Richtigen zu finden, weil es von den wirklich Qualifizierten nie viele gibt.
Trotzdem ist es sicher auch bei den Kickers erstrebenswert, in der Trainerfrage eine Kontinuität reinzubringen, nachdem in zehn Monaten nun schon fünf verschiedene Übungsleiter auf der Bank saßen.
Es ist mein absolutes Ziel, an einer langfristigen Lösung zu arbeiten. Denn meine Überzeugung ist: die Konstanz bringt den Erfolg. Wir haben es zwar in der Gastronomie geschafft, auch ohne Konstanz eine Auszeichnung zu erkochen, aber ich bin auch da froh, einen Küchenchef zu haben, von dem ich überzeugt bin, dass er länger bei uns arbeitet. Weil das auch für die Gäste wichtig ist. Auch im Fußball ist es wichtig, dass jemand über eine längere Zeit Inhalte erarbeiten kann. Es geht ja um die Art und Weise, wie wir Fußball spielen wollen. Aber das braucht eben seine Zeit, und dafür sind schnelle Trainerwechsel sehr abträglich.
Und was spricht dann Ihrer Meinung dagegen, jetzt einfach mit Jürgen Hartmann weiterzumachen?
Zunächst einmal gar nichts. Jürgen Hartmann ist auch ein sehr qualifizierter Kandidat, von dem ich einen sehr guten Eindruck habe. Nichtsdestotrotz haben wir auch andere Gespräche geführt, und wir werden letztlich die Entscheidung treffen, von der wir überzeugt sind, dass sie für die Kickers die beste ist.
Und wann soll die fallen?
Bis Samstag noch nicht, aber zeitnah. Das müssen wir auch, denn wir stehen sportlich unter Druck.
Michael Zeyer war bereits zwischen 2010 und 2011 als Sportkoordinator bei den Kickers eingebunden, damals noch begrenzt auf zwei Tage in der Woche. In beratender Funktion stand er mit den Verantwortlichen auch danach in Kontakt.
Für die Mannschaft wäre es sicher ebenfalls hilfreich, wenn sie weiß, woran sie ist.
Das stimmt, wobei ich immer sage, es ist auch wichtig für eine Mannschaft, dass sie sich auf ihre Arbeit konzentriert, denn das spricht letztlich für ihren Charakter. Sie sollte sich durch nichts aus der Ruhe bringen lassen – auch wenn das in der Praxis durchaus mal der Fall sein kann.
Sie haben das Spiel gegen Regensburg noch inkognito und das in Chemnitz dann offiziell verfolgt – und gesagt: Es gibt noch Luft nach oben. Wo sehen Sie Steigerungspotenzial?
Vor allem im mannschaftstaktischen Bereich. Es sind sich alle einig, dass die Mannschaft noch besser zusammenarbeiten kann als bisher. Also den Gegner unter Druck setzen, Balleroberung, Wege sparen, wenn jeder seine Aufgabe kennt. Es sind also schon konkrete Dinge, die wir verbessern müssen.
Vielleicht verlief ja auch die Zusammenstellung des Kaders nicht optimal. Der Trainer Massimo Morales holte externe Spieler wie Maletic, Grischok und Rouani, die eigentlich nicht in die Struktur der Kickers passen. Haben die hier auf Dauer eine Zukunft?
Zunächst einmal sind die Spieler da und haben einen Vertrag. Ich werde sie mir genau anschauen. Und natürlich haben sie eine Zukunft, wenn die Qualität stimmt. Ich gehe immer vom positiven Fall aus, dass sie uns eventuell helfen können.
Aber wenn man – ähnlich wie in Ihrer Gastronomie, wo Sie auf heimische Produkte achten – bei den Kickers verstärkt auf Spieler aus der Region schaut, wäre das kein Fehler.
Den Weg streben wir an – mit Spielern, die jung und ambitioniert sind. Ich habe auch in meinem „5“ bewusst ein ganz junges Team zusammengestellt, das sehr ambitioniert ist und etwas erreichen will. Da spürt man dann: da ist Zug dahinter – und denen ist nichts zu viel. So sehe ich das hier auch. Es gibt in der Region oder Baden-Württemberg toll ausgebildete Fußballer, die ständig nachrücken. Und es würde uns auch gut anstehen, wenn wir Spieler ausbilden, die wir dann in der Bundesliga oder zumindest in der zweiten Liga wiedersehen. Der Fokus liegt auf der Region – auch wenn man das nicht zum Prinzip erheben muss.
Es wurde bei Ihrer Präsentation auch die Durchlässigkeit des Spielsystems von der Jugend an betont. Wird das schon praktiziert, oder wird jetzt alles auf den Kopf gestellt?
Das sicher nicht. Ich habe bisher positive Rückmeldungen aus dem Jugendbereich bekommen und werde versuchen, diese Durchlässigkeit weiter voranzutreiben. Die gibt es schon ein Stück weit, siehe Jürgen Hartmann, der als U-23-Trainer jetzt nach oben gerückt ist. Ich wurde ja auch eingestellt, um die Talente im Auge zu behalten und keines zu verlieren.
Im Lokal sind Sie der Chef, wie sind die Rollen hier verteilt, speziell mit Guido Buchwald als Präsidiumsmitglied Sport?
Ich bin für das operative Geschäft zuständig: Trainer, Spieler oder Kaderplanung. Ich mache die Vorschläge und bereite die Entscheidungen vor. Aber ich berate mich auch mit Guido Buchwald in vielen Fragen. Man muss abwarten, wie es sich entwickelt. Aber im Vergleich zu meiner ersten Zeit hier sind die Dinge eindeutig geregelt.
Sie haben gesagt, der Verein sei gut aufgestellt. Aber besteht nicht die Gefahr, dass die Kickers inzwischen – vor allem finanziell – zu sehr vom Investor abhängig sind?
Jeder Verein denkt heute über die Wege der Finanzierung nach, gerade wenn man ambitioniert ist. Ob man einen Investor hat oder Banken oder private Darlehensgeber – alle haben das gleiche Interesse, dass man erfolgreich ist. Umso höher man kommt, umso einfacher wird es: Man hat dann andere Einnahmen, Sponsoren, Fernsehgelder. Aber im Viert- und Drittligabereich ist man oft vom Vertrauen Einzelner abhängig, das ist gang und gäbe. Ich glaube, die Kickers sind solide geführt, mit kompetenten Leuten am Ruder. Bei meinem ersten Amtsantritt war nicht immer klar, wo das Schiff hinsteuert – das ist der Unterschied.
Was macht eigentlich Ihr Bruder Andreas, der einst ebenfalls Profi war. Ist er noch im Fußballgeschäft tätig?
Nein, außer mit seinen Kindern. Er ist Maschinenbauer und führt seit 2004 unseren elterlichen Betrieb mit 25 Mitarbeitern. Vielleicht liegt uns das unternehmerische Denken ja ein bisschen im Blut. Ursprünglich war geplant, das Unternehmen vielleicht gemeinsam zu übernahmen, aber ich habe dann andere Pläne verfolgt.
Nach seiner Fußballkarriere hat Zeyer in St. Petersburg noch BWL studiert, spricht deshalb neben Englisch, Französisch und Spanisch auch Russisch. Inzwischen ist er mit der Russin Alesya verheiratet, die sich nun zusammen mit seiner Geschäftspartnerin um das Lokal kümmert.
Zum Schluss noch das Wort zum Samstag: Welchen Stellenwert hat die Partie gegen Dortmund?
Aufgrund unserer sportlichen Situation auf einem Abstiegsrang ist es wahnsinnig wichtig, dass wir die drei Punkte holen. Auch für das Selbstvertrauen der Mannschaft. Die Trainerentscheidung wird aber letztlich unabhängig von diesem Spiel fallen.