Der Kreis Göppingen kämpft mit seinem schlechten Image. Was ist das schlimmste Vorurteil, das Ihnen bisher begegnet ist?
Hm, da fällt mir spontan gar nichts ein.
Dann sage ich etwas: Das Filstal gilt als industriell zersiedelt. Der Kreis ist das Armenhaus der Region.
Unser Slogan „Überraschend besser“ kommt ja nicht von ungefähr: Wir wissen, dass der Landkreis viel Überraschendes zu bieten hat und besser aufgestellt ist, als viele glauben. Aber richtig ist: das Filstal, die B 10, die Staus nach Geislingen sind sicherlich etwas negativ Markantes, was den Kreis bekanntmacht. Die Strukturschwächen unseres Wirtschaftsstandorts gehen wir in der Kreispolitik aktiv an, auch mit unserer Wirtschaftsförderung und der Standortkommunikation. Der Landkreis hat zum Beispiel im Zuge des Kreisentwicklungsprozesses an der Entwicklung der interkommunalen Gewerbegebiete in Donzdorf und Zell unter Aichelberg mitgewirkt. Aber die Strukturschwächen können wir nicht von heute auf morgen beseitigen.
Immerhin sind Sie bei der Steuerkraft pro Einwohner in diesem Jahr von Platz 38 aller 44 baden-württembergischen Kreise auf Platz 27 vorgerückt. Ein erster Erfolg?
Die Richtung stimmt jedenfalls. Auch beim Innovationsindex hat der Kreis einen großen Sprung nach vorne gemacht. Was die Steuerkraftsumme angeht: da haben wir ein schönes Plus gehabt, aber wir liegen immer noch unter dem Landesdurchschnitt. Insgesamt ist die finanzielle Entwicklung zurzeit für Kreis und Kommunen gut – für den Kreis so gut, dass wir die Schulden in den letzten Jahren halbieren konnten.
Und jetzt verdoppeln sie sich noch schneller.
Ja, das muss man klar sehen. Insbesondere durch den Klinikneubau und die Investitionen im Nahverkehr werden sie deutlich steigen. Man muss aber sehen, dass es beim Klinikneubau um eine zukunftsfähige Gesundheitsversorgung für die Bevölkerung geht und nicht um ein Prestigesprojekt.
Ob die S-Bahn je fährt, ist ungewiss. Bisher ging es kaum voran. Enttäuscht Sie das?
Natürlich bin ich nicht zufrieden damit, dass der Prozess so zäh läuft und dass wir seit der Machbarkeitsstudie schon im fünften Jahr sind, ohne die Grundsatzentscheidung treffen zu können. Wir sind beim Thema S-Bahn eben stark fremdbestimmt, abhängig von Landesplanungen und Stuttgart 21. Ich bin aber weiterhin optimistisch, dass unsere Ziele erreicht werden können, im Binnenverkehr des Landkreises eine verlässliche Vertaktung zu schaffen und dies mit schnellen Verkehren in die Zentren Stuttgart und Ulm zu verbinden.
Wieso?
Es wird vielleicht keine originäre S-Bahn geben, weil sie sich nicht rechnet, vielleicht erreichen wir aber eine Regio-S-Bahn. Darum bemühen wir uns. Und in der neuen Angebotskonzeption des Landes sind einige gute Ansätze drin, die Chancen für den Kreis bieten. Natürlich gibt es auch Dinge, die wir so nicht akzeptieren können. Wir brauchen den S-Bahn-Charakter, und wir brauchen eine Regionalbahn, die nicht in Süßen endet, sondern weiter nach Geislingen fährt. Das hat der Kreistag klargemacht, und ich habe in der Zwischenzeit den Landesverkehrsminister angeschrieben und um eine möglichst schnelle Aufnahme von Verhandlungen gebeten. Wir sind nahe dran an einem Halbstundentakt, und zwar schon allein durch die Angebote des Landes. Ich sehe darin auch die Chance auf eine für den Kreis finanziell akzeptable Lösung.
Das wäre schön. Sie wollen ja auch das Landratsamt erweitern.
Ja, weil es dafür gute Gründe gibt. Wir sind gerade dabei, ein Finanzkonzept zu erstellen. Dabei sind die Zahlen im Haushalt und die finanziellen Lasten das Eine. Aber es liegen auch Lasten in unseren Liegenschaften und in unserer Infrastruktur, eben auch in diesem Haus beim Brandschutz, in fehlenden Räumen und in der Parkplatznot. Wenn wir diese Probleme jetzt nicht angehen, dann müssen das spätere Generationen machen. Wir müssen eine sinnvolle Balance finden zwischen begrenzten finanziellen Lasten und einem möglichst hohen Stand der Aufgabenerledigung. Es wird Aufgabe des neuen Kreistags sein, entsprechende Prioritäten zu setzen.