Der Marathon-Läufer Arne Gabius spricht im Interview über die Corona-Krise, sein großes Ziel und das Training im Alter von 39 Jahren.

Sport: Dominik Ignée (doi)

Stuttgart - Eigentlich wollte Arne Gabius nach der Saison 2020 seine Karriere beenden. Doch wegen der Corona-Krise hängt der gebürtige Hamburger noch ein Jahr dran und plant dreigleisig: als Arzt, Läufer und Vater seines zweieinhalb Jahre alten Sohnes.

 

Herr Gabius, wir haben gelesen, dass Sie Ihre Karriere beenden wollen.

Das stimmt so nicht.

Und was stimmt?

Kurz nach Beginn der Beschränkungen habe ich mich entschieden, eine lange Saisonpause zu machen, weil eine Pandemie wie diese nicht nur drei Monate dauert. Derzeit bewerbe ich mich als Arzt in Teilzeit, da ich nicht weiß, wann der nächste Wettkampf stattfinden wird. Ein Marathonlauf ist eine Veranstaltung, die einem Volksfest gleichkommt, das kann dauern, bis so etwas wieder stattfindet. Eine Saisonpause ist aber kein Karriereende. Jeder Sportler muss jetzt ein bisschen runterfahren. Ich auch.

Sie befanden sich in der Vorbereitung auf die Spiele in Tokio – dann kam alles anders.

Ja, das war emotional sehr stressig, auch wegen der Vorbereitung. Ich war in diesem Jahr schon im Trainingslager in Kenia, war hoch motiviert und topfit und wollte am 19. April in Wien einen Marathon als Qualifikation für die Olympischen Spiele im August laufen. Als alles abgesagt wurde, habe ich mich entschieden, erst einmal keinen Trainingsplan mehr zu erfüllen, auch weil meine Frau im Homeoffice ist und ich mit der Betreuung unseres zweieinhalb Jahre alten Sohnes beschäftigt bin. Ohne Trainingsplan und ohne Wettkampfziel hat man einfach nicht diesen Druck.

Wie lange geht diese Saisonpause?

Sieben oder acht Wochen. Ich gehe natürlich trotzdem noch Laufen, je nach Lust und Laune. Und ein bisschen Krafttraining ist auch dabei, um die Muskulatur fit und geschmeidig zu halten.

Wie dürfen sich Otto-Normal-Jogger die Runde eines Marathon-Profis vorstellen?

15 Kilometer in einer Stunde. Manchmal sind es auch nur 12 oder 13 Kilometer.

Bei jedem Wetter?

Wenn es zu Beginn eines Laufs regnet, dann habe ich das nicht so gerne. Aber wenn ich nach 15 Minuten auf der Strecke bereits schön warm bin, dann macht mir Regen überhaupt nichts aus. Auch nicht, wenn ich während eines Laufes zweimal nass werde. Da bin ich dann doch durch und durch Hamburger.

Ihr ursprünglicher Plan war, die Karriere am Ende des Jahres zu beenden. Sie sind schließlich schon 39 Jahre alt.

Ja, aber so kann ich nicht aufhören. Wegen der Verschiebung der Sommerspiele in Tokio auf den Sommer 2021 habe ich meine Karriere verlängert und mich entschieden, noch ein Jahr dranzuhängen. Parallel plane ich in Teilzeit als Arzt zu arbeiten. Die Kliniken suchen ohnehin Assistenzärzte, das hat nichts mit der Corona-Krise zu tun. Momentan bewerbe ich mich. Ich werde dann Arbeit und Training kombinieren. Es gibt viele sehr gute Marathonläufer, die 40 Stunden in der Woche arbeiten und nebenher trainieren, aber das bekommt man oft gar nicht so mit.

Arne Gabius ist dann also nur noch Halbtags-Läufer.

Wenn Sie so wollen: ja. Ich habe ohnehin gemerkt, dass ich nicht mehr so viel Training benötige wie vor zehn Jahren. Damals habe ich es oft übertrieben und war mir und meinem Körper gegenüber rücksichtslos. Jetzt weiß ich genau, was ich noch trainieren muss und was ich mir noch zumuten kann. Auch nimmt man sich in meinem Alter längere Auszeiten zur Regeneration. Aber ich muss auch sagen: Man muss jetzt wirklich abwarten, wie sich die Pandemie noch entwickelt. Es kann sein, dass die Olympischen Spiele auch im nächsten Jahr nicht stattfinden.

Was sagt Ihr Gefühl? Wann werden Sie ihren nächsten Marathon bestreiten?

Also in diesem Jahr definitiv nicht. Ich hoffe, dass vielleicht im Januar in Dubai ein Wettkampf stattfinden wird. Auf jeden Fall möchte ich im kommenden Jahr einfach nochmal eine schöne Saison haben und mich für Tokio, so die Spiele denn stattfinden, qualifizieren. Denn das müssen wir Marathonläufer uns ja noch.

Mit dann 40 Jahren kann man auch wunderbar aufhören.

Abdi Abdirahman, der sich bei den US-Trials für Tokio qualifiziert hat, ist 43 Jahre alt. Man kann auch im fortgeschrittenen Alter gute Leistung im Ausdauersport bringen, doch richtige Top-Zeiten zu erzielen wird immer schwieriger. Aber wie gesagt: Im Alter wird anders dosiert. Nach einem harten Wettkampf mache ich auch mal ein oder zwei Tage mehr Pause als sonst. Oder ich sage mir bei der nächsten Trainingseinheit: Jetzt mache ich mal nur 20 Kilometer locker.

20 Kilometer locker – Sie machen uns Spaß… Haben Sie in ihrem Wohnort Stammheim überhaupt gute Laufmöglichkeiten?

Ich kann da super über die Felder auf der Solitudeallee laufen oder nach Möglingen; auch gibt es den schönen Seewald ganz in der Nähe. Und wenn ich ganz schnell unterwegs sein will, dann fahre ich zum Neckar runter nach Mühlhausen und laufe dann auf dem Radweg bis nach Remseck. Richtige Topbedingungen sind das für mich.

Muss ein Spaziergänger die hohe Ausatemfrequenz von Joggern oder Radfahrern dieser Tage im Wald wegen Corona nicht fürchten?

Ach, das, was man da als Atem des anderen wahrnimmt, das ist doch nur der Fahrt- oder Laufwind. Es gibt derzeit nichts Besseres und Sichereres als Bewegung an der frischen Luft. Die Studie aus Belgien, die behauptet, dass Läufer mindestens zehn Meter Abstand halten müssen, wurde wohl gemacht, um Schlagzeilen zu produzieren. Medizinisch ist diese Aussage nicht korrekt. Wenn es danach ginge, dürften wir in keinen einzigen Supermarkt gehen.