Sport: Gerhard Pfisterer (ggp)

Ihre Silbermedaille im Mehrkampf war das erste Edelmetall für Deutschland in der Vielseitigkeitsdisziplin des Turnens seit Alfred Schwarzmanns Olympiasieg 1936 in Berlin. Waren Sie sich gleich der historischen Dimension Ihres Erfolgs bewusst?
Darüber habe ich mir im Vorfeld keine Gedanken gemacht, ich habe mich nur auf den Wettkampf konzentriert – und das hat ja auch gut geklappt. Das kam dann erst im Nachhinein, da wurde mir das von einem Reporter gesagt.

Und wie ist es für Sie zu realisieren, in der Riege der größten deutschen Turner aller Zeiten angekommen zu sein?
Das ist ein sehr gutes Gefühl. Ich bin schon ein bisschen stolz darauf, was ich erreicht habe. Wenn es bei Olympia so gut klappt, ist das natürlich überragend.

Nach Ihrem Barren-Europameisterschaftstitel im Mai in Montpellier haben Sie das Gläschen Sekt, das Ihnen Ihr Trainer Valeri Belenki dafür zugestanden hatte, abgelehnt. Wie haben Sie denn nun in London Ihre zwei Silbermedaillen gefeiert?
Ich bin mit den Jungs aus meiner Mannschaft Champagner trinken gegangen. Mit meinem Trainer will ich auch noch ein bisschen feiern, mit ihm habe ich noch gar nicht anstoßen können – es war so viel los, und er ist relativ früh abgereist, das müssen wir nachholen.

Das Talent für so einen großen Triumph wie das Mehrkampfsilber wird Ihnen schon länger nachgesagt. Warum hat der Durchbruch so lange gedauert?
Bei den letzten großen Wettkämpfen hatte ich immer ein bisschen Pech, bei den Weltmeisterschaften 2011 in Tokio ging beispielsweise mein Sprung daneben, was mir normalerweise nie passiert. Diesmal hat alles gepasst. Ich war sehr gut vorbereitet und bin schon seit Februar in Topform. Diesmal habe ich alles richtig gemacht, und alles hat gepasst.

Sie galten bisher als sensibles Naturtalent, dem alles zufliegt – und das deshalb schon auch mal etwas trainingsfaul sein kann. Was ist da dran?
Das ist doch bei jedem so, dass er nicht jeden Tag zu 100 Prozent motiviert ist. Ich bekomme das mit meinem Coach aber gut auf die Reihe. Ich versuche mittlerweile, konzentrierter ranzugehen und das Beste aus der Zeit zu machen, in der ich trainiere. Meine Trainingsumfänge sind gleich geblieben, aber wir trainieren effektiver. Wenn du bei Olympia stehst und es klappt nicht, machst du dir Gedanken und vielleicht auch Vorwürfe. Die Chance kommt ja nicht oft. Deshalb habe ich in den letzten Jahren so hart und konsequent trainiert wie noch nie.

Wie viel Anteil an Ihrem Erfolg rechnen Sie Ihrem Trainer Valeri Belenki zu?
Er hat großen Anteil daran. Es macht Spaß, mit ihm zu trainieren, auch wenn es manchmal schwer ist. Eigentlich sollte ich eine meiner zwei Medaillen an ihn abdrücken. Natürlich stehe ich da oben auf dem Podium und turne. Aber er ist dann mindestens genauso aufgeregt, als wenn er selbst turnen würde.

Mehr noch sogar als zu seinen eigenen aktiven Zeiten, sagt er selbst.
Ich musste in London manchmal ihn beruhigen, obwohl ich geturnt habe (lacht). Er ist immer voll dabei.