Kommen Unternehmer schnell genug an die Soforthilfen? Ja, verspricht die Böblinger IHK-Bezirkskammer-Chefin Marion Oker.

Interview - Der FDP-Kreisvorsitzende Hans Dieter Scheerer hat in unserer Zeitung das Verfahren der Bundes- und Landesregierung zu den Soforthilfen als zu bürokratisch kritisiert. Viele Unternehmen hätten noch gar kein Geld auf dem Konto – obwohl ihnen jetzt die Liquidität ausgeht. Die L-Bank muss die Gelder auszahlen, prüfen müssen die Anträge zuvor die Handwerkskammern und die IHKs. Marion Oker leitet nicht nur die Bezirkskammer in Böblingen, sondern zurzeit auch den Krisenstab für die Abwicklung des Soforthilfeprogramms bei der IHK Region Stuttgart.

 

Frau Oker, ist das Verfahren, das Sie stemmen müssen, zu bürokratisch?

Wir haben Stand heute rund 55 000 Anträge von Unternehmen aus der Region Stuttgart erhalten. Und wir haben bis auf einen kleinen Prozentsatz zwischenzeitlich alle Anträge geprüft und an die L-Bank zur Auszahlung an die Unternehmen weitergeleitet. Diesen Prozess so schnell und effizient aufzubauen, war für alle Beteiligten ein Herkulesakt.

Wie haben Sie das geschafft, diesen Berg an Anträgen abzuarbeiten?

Wir haben den Prozess von Anfang an automatisiert, um sicherzustellen, dass die betroffenen Unternehmen ihre Soforthilfe schnell bekommen. 177 engagierte IHK-Mitarbeiter aus der gesamten Region haben sich bereit erklärt, die Anträge bis spät abends und über das Wochenende abzuarbeiten.

Sieben Seiten müssen die Unternehmer ausfüllen. Viele sagen, dass das ohne Steuerberater gar nicht zu schaffen ist.

Was im Antrag neben den Angaben zum Unternehmen noch auszufüllen ist, ist überschaubar. Dass das für die Antragsteller kein Problem ist, haben wir vor allem daran gemerkt, dass schon wenige Minuten nach Start des Programms und innerhalb weniger Stunden mehrere Tausend Anträge hochgeladen waren.

Wir haben extra eine Telefon-Hotline geschalten, bei der sich Unternehmer von kompetenten Mitarbeitern zum Ausfüllen der Anträge kostenlos beraten lassen können. Es gibt ein paar wenige, die dazu einen Anwalt oder einen Steuerberater einschalten. Die überwiegende Mehrheit hat den Antrag jedoch selbstständig ausgefüllt, uns bei Rückfragen angerufen und den ausgefüllten Antrag auf der Seite hochgeladen. Wir hatten in Spitzenzeiten mehrere Tausend Anrufer am Tag.

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Bei einem solchen Berg an Anträgen: Nach welchen Kriterien können Sie prüfen?

Die IHK prüft auf Plausibilität, das bedeutet konkret: Ist der Antrag vollständig, hat der Antragsteller unterschrieben, hat das Unternehmen den Liquiditätsengpass plausibel beschrieben? Wenn die Angaben nicht stimmen oder unplausibel sind, erhält der Antragsteller den Antrag zurück und kann nachbessern. Der Antragsteller muss am Ende erklären, dass seine Angaben richtig sind. Das alles ist wichtig, denn die Soforthilfe soll da ankommen, wo sie gebraucht wird: Bei den Unternehmen, die aufgrund der Coronakrise massive Einsatzeinbußen haben und ihre Kosten nicht mehr decken können.

Die IHK zahlt die Soforthilfe ja nicht aus, sondern leitet die Anträge nur an die L-Bank weiter. Die Unternehmer, mit denen wir gesprochen haben, haben von der L-Bank noch keine Rückmeldung. Können Sie schon absehen, wann das Geld tatsächlich auf dem Konto landet?

Die Menge der Anträge, die die L-Bank von allen IHK und Handwerkskammern aus Baden-Württemberg übermittelt bekommt, ist enorm. Wir haben von vielen Unternehmen trotzdem die Rückmeldung bekommen, dass das Geld schnell überwiesen war. Um den Prozess noch weiter zu beschleunigen, kann die Soforthilfe nun auch vor der Zustellung des Bewilligungsbescheides der L-Bank erfolgen. In diesem Fall ist es eine vorläufige Zahlung, die aber den Bestimmungen des nachfolgenden Bescheides unterliegt.

Bei der IHK haben Sie den Überblick: Wie sehr leidet die Wirtschaft im Kreis Böblingen bis jetzt unter der Corona-Krise?

Alle Branchen sind betroffen. Am meisten leidet die Gastronomie, die Hotellerie und der Einzelhandel – mit Ausnahme der Supermärkte, Drogerien, Apotheken und Baumärkte. Auch andere Branchen, wo es einen engen Kontakt zum Kunden gibt, zum Beispiel Kosmetikstudios, sind stark betroffen. Viele teilen uns ihre Sorge mit, dass sie nicht mehr lange durchhalten können. Aber auch mittlere und große Betriebe haben Probleme.

Woran merken Sie das?

Es werden zwar immer noch Exportdokumente in der IHK-Bezirkskammer ausgestellt, aber es werden weniger. Problematisch ist, dass die internationalen Lieferketten an vielen Stellen nicht mehr funktionieren, weshalb Produktionen ins Stocken geraten und auch der internationale Warenverkehr komplizierter geworden ist.

Reichen da die Hilfsprogramme aus, oder müsste man schon jetzt nachlegen?

Der Schritt der Bundesregierung, Kreditgarantien zu 100 Prozent staatlich abzusichern, ist ein wichtiges Signal. Der Schnellkredit steht mittelständischen Unternehmen mit mehr als zehn Beschäftigten zur Verfügung, die mindestens seit dem 1. Januar 2019 am Markt aktiv gewesen sind. Das Kreditvolumen pro Unternehmen beträgt bis zu drei Monatsumsätze des Jahres 2019, maximal 800 000 Euro für Unternehmen mit mehr als 50 Mitarbeitern, maximal 500 000 Euro für Unternehmen mit bis zu 50 Beschäftigten.