Chef vom Dienst: Tobias Schall (tos)

Wir waren vorher bei den Unworten des Jahres. Wir hätte noch ein anderes.
Ach ja?

Wie wäre es mit „Zielvereinbarung“?
Wieso sollte das denn ein Unwort sein?

Es hat während Olympia und im Nachgang für große Aufregung gesorgt – und vor allem gab es auch heftige Kritik von manchen Sportverbänden an diesen Vorgaben.
Ich bitte Sie. Das ist doch Realität in jedem Unternehmen. Das ist bei Verlagen genauso selbstverständlich wie im Sport. Man setzt sich Ziele, und die werden schriftlich vereinbart. Ich wüsste nicht, was daran verwerflich sein sollte.

Der DLV geißelte die Vereinbarungen als nicht geeignetes Steuerungsinstrument im Sport und als intransparent.
Das Gegenteil ist doch der Fall. Mit den Zielvereinbarungen haben wir das alte System abgelöst, in dem es viel weniger Transparenz gab. Heute sind die Zahlen völlig offen und die Kriterien kann jeder nachlesen.

Auch der DTTB hat eine grundlegende Reform der Sportförderung gefordert.
Wir haben uns intensiv ausgesprochen. Der DTTB möchte über das Fördersystem für die übernächste Olympiade sprechen, also den Zeitraum von 2017 bis 2020 und klären, was man verbessern könnte. Das werden wir auch gemeinsam tun. Aber es ist zweifelsfrei so, dass unser Steuerungsmodell mit den Zielvereinbarungen nicht nur Bestand hat, sondern auch von den Verbänden getragen wird.

Die Förderung nimmt zum Beispiel keinerlei Rücksicht auf die Verbreitung einer Sportart, auf die Konkurrenzsituation oder auf die Wirkung für den Breitensport, wie der DTTB kritisierte. Der Bob- und Schlittenverband erhält umgerechnet 335 Euro pro Mitglied, im Tischtennis sind es 1,34 Euro.
Eine Medaille im Rodeln ist genauso viel wert wie eine von Timo Boll oder Dimitrij Ovtcharov. Wenn wir anfangen, die Sportarten nach Wertigkeit zu sortieren, führt das zu einer Entsolidarisierung im Sport. Man kann doch auch nicht die Zahl der Menschen, die eine Sportart weltweit ausüben, zur Grundlage der Mittelverteilung hierzulande machen.

Eines der großen Themen der Mitgliederversammlung ist die olympische Nachlese. Welche Lehren zieht der DOSB?
Wir haben sehr gut abgeschnitten, im Vergleich zu Peking haben wir 44 statt 41 Medaillen gewonnen, auch bei den Finalplatzierungen waren wir erheblich besser. Aber gleichzeitig ist Fakt, dass wir nur noch in 17 statt wie vor vier Jahren in Peking in 22 Sportarten Medaillen gewonnen haben. Wir werden an unserer breiten Aufstellung nichts ändern. Aber in den Sportarten, in denen wir die Erwartungen nicht erfüllt haben, müssen wir einen Neuaufbau starten.

Vonseiten der Athleten, vor allem von Diskus-Olympiasieger Robert Harting, gab es heftige Kritik an der mangelhaften finanziellen Ausstattung der Athleten.
In unserem System kann es keine lebenslange Rente für erfolgreiche Sportler geben. Ich halte das auch nicht für erstrebenswert. Unsere Aufgabe ist es, den Athleten eine duale Karriere zu ermöglichen. Das ist anstrengend für die Sportler, aber es ist mit dem Willen aller Beteiligten möglich. Heute steigen aber tatsächlich noch zu viele Athleten an der entscheidenden Schnittstelle aus, beim Übergang von der Schule in Studium oder Beruf. Das zu verbessern, wird einer unserer Schwerpunkte der nächsten Jahre sein.