Exklusiv Wirtschafts- und Finanzminister Nils Schmid beteuert im StZ-Interview, dass das Land fest zur LBBW stehe. Sie habe strategische Bedeutung für die Mittelstandsfinanzierung.

Stuttgart – - Der Unterhalt einer Bank ist im Zuge der Finanzkrise deutlich teurer geworden. Hohe Erwartungen an künftige Ausschüttungen der Landesbank LBBW seien deshalb unangebracht, meint Wirtschafts- und Finanzminister Nils Schmid (SPD). Er rechnet für 2013 mit knapp 180 Millionen Euro. Der Betrag ist aber nicht repräsentativ, weil er noch Nachzahlungen enthält. Für 2014 sind im Landeshaushalt von der LBBW 120 Millionen Euro eingeplant. Schmid sieht die Landesbank-Beteiligung in erster Linie als strategisches Investment. Sie diene der Förderung des Mittelstandes.
Herr Schmid, die EU-Kommission hat der LBBW erlassen, sich in eine Aktiengesellschaft umzuwandeln. Sie darf Anstalt bleiben. Ist das eine durchweg gute Nachricht?
Ich bin froh über diese Entscheidung. Wir haben bei der Landesbank Führungs- und Kontrollregeln, wie sie für Kapitalgesellschaften gelten, eingeführt und gelebt. Die Einbindung unabhängigen Sachverstandes hat sich sehr bewährt. Eine Rechtsformänderung wäre ein pure Formalität gewesen, noch dazu eine kostspielige.
Das Land will seinen 40-prozentigen Anteil an der Bank also auf keinen Fall verkaufen? In einer AG wäre es leicht, externe Kapitalgeber mit hereinzunehmen.
Darin kann ich keine Vorteile erkennen. Gerade in den Krisenzeiten, die die LBBW durchlebt hat, war es extrem hilfreich, dass die Eigentümer eng beieinander standen: der Sparkassenverband, die Stadt Stuttgart und wir als Land. Das ist eine gute Aufstellung, die auch so bleiben soll.
Zu Oppositionszeiten hatte die SPD die Vorstellung, es reiche eine Sperrminorität für das Land. Der Verkaufserlös wurde in ihrem Haushaltskonzept 2005/2006 schon verplant. Ist das Schnee von gestern?
Seit der Finanzmarktkrise hat sich die Welt grundlegend geändert. Gerade eine Bank, die den Mittelstand finanziert, lebt davon, dass sie öffentliche Eigentümer hat. Nur deshalb konnte die LBBW die schwierige Phase seit 2008 überstehen. Deshalb rütteln wir nicht an der Eigentümerstruktur.
Strengere Regulierungsvorschriften und sonstige Auflagen verteuern den Bankbetrieb ganz erheblich. Kann sich Baden-Württemberg dauerhaft leisten, fast fünf Milliarden Euro in der LBBW zu binden?
Eben wegen der neuen Regulierungsvorschriften war es so wichtig, dass die Landesbank ihre Bilanzsumme von fast 450 Milliarden Euro auf noch knapp 300 Milliarden reduziert, um das Eigenkapital zu stärken. Die Frage ist jetzt: Wie wird das wertvolle Eigenkapital eingesetzt? Das muss der Vorstand sehr sorgfältig abwägen. Ich bin aber überzeugt, dass die Bank mit dem nun verankerten Geschäftsmodell – Mittelstandsfinanzierung, Privatkundengeschäft und Begleitung der Unternehmen ins Ausland – sehr gut aufgestellt ist. Sie hat strategische Bedeutung für die baden-württembergische Wirtschaft. Deshalb ist uns die Landesbeteiligung auch etwas wert – genauso wie bei der EnBW.
Sie hatten vehement davor gewarnt, dass die auch von der SPD gewünschte Finanztransaktionssteuer sich sehr negativ auf die Bankbranche auswirken könnte.
Die Finanztransaktionssteuer wird kommen, und das ist gut so. Meine Anregungen sind mit aufgenommen im Koalitionsvertrag. Dort steht ausdrücklich, dass bei der beabsichtigten Einführung der Steuer Rücksicht auf die Kreditversorgung der Realwirtschaft genommen werden muss.
Geplant war, dass die LBBW von den fünf Milliarden Euro Rettungsbeihilfe im nächsten Jahr eine Milliarde an die Eigentümer zurückzahlt. Wird das Geld fließen?
Ja. Von der Milliarde erhält das Land anteilsgemäß 400 Millionen Euro. Die sind jetzt in den Nachtragshaushalt eingestellt worden. Die verbleibenden rund vier Milliarden Euro halte ich aber auch für ein wirklich gutes Investment. A la longue wird die LBBW eine vertretbare Ausschüttung an den Landeshaushalt liefern.
Welche Erwartung haben Sie konkret? Wie hoch sollte die Verzinsung des eingesetzten Kapitals sein?
Wir planen da sehr konservativ. Künftig wird die Bank ihr Eigenkapital aus eigener Kraft stärken müssen. Deshalb ist es wichtig, dass nicht zu viel vom Gewinn ausgeschüttet wird. Vergessen Sie nicht: Auch vor der Finanzkrise haben sich die damaligen Träger mit einer sehr maßvollen Verzinsung begnügt. Das Land hat jährlich eine Ausschüttung von etwa 100 Millionen Euro erhalten.
Wie hoch werden die Zinszahlungen und die Provision für den Risikoschirm für 2013 und 2014 sein, die in die Landeskasse fließen?
Die Zahl für 2013 ist nicht repräsentativ. In ihr sind noch Zinsnachzahlungen auf einen Teil der stillen Einlagen enthalten. Wir rechnen mit circa 42,5 Millionen Euro an Zinsen, hinzu kommen etwa 136 Millionen Euro als Provision für das abgeschirmte Wertpapierportfolio der Bank. Für 2014 sind im Haushalt 120 Millionen Euro eingestellt. Entscheidend ist aber, dass die LBBW in der Lage ist, dauerhaft schwarze Zahlen zu schreiben.
Was ist mit den restlichen vier Milliarden Euro, die die Eigentümer zur Rettung des Instituts 2009 eingeschossen haben? Darf die Bank das Geld auf unbegrenzte Zeit behalten? Der Landtag hatte der Kapitalerhöhung in der Erwartung zugestimmt, dass bis Ende 2017 alles zurückgezahlt ist.
Die Welt hat sich seit 2009 erheblich geändert. In absehbarer Zeit dürfen wir keine weitere Rückzahlung erwarten.
Sie klingen so zufrieden. Ist das Land der LBBW-Eigentümer mit der größten Langmut? Die Stadträte und auch viele Sparkassenchefs sind da deutlich ungeduldiger.
Ich bin halt vom Naturell her gelassener (lacht). Im Ernst: Das Land ist in einer anderen Rolle als die anderen Eigentümer. Ich verstehe, dass es für die Stadt Stuttgart nicht selbstverständlich ist, eine Landesbank mitzutragen. Das muss man ihr hoch anrechnen. Es ist absolut legitim, dass die Stadt von der Bank auch einen Beitrag zur Finanzierung ihres Haushaltes will. Bei den Sparkassen ist die Situation ähnlich.
Sie als Finanzminister und Vize-Aufsichtsratschef repräsentieren de facto das Land als LBBW-Eigentümer. Die Grünen halten sich bei dem Thema tendenziell zurück, der Ministerpräsident beschäftigt sich öffentlich selten mit der Bank. Deshalb bekommen Sie auch die Schelte ab, wenn es Kritik an der Landesbank gibt – Stichwort Wohnungsverkauf. Sind Sie mit der Rollenverteilung eigentlich zufrieden?
Die Landesregierung ist ja mit zwei Aufsichtsräten bei der Bank vertreten, ich stimme mich natürlich mit dem Kollegen Klaus-Peter Murawski von den Grünen eng ab. Der Wohnungsverkauf war umstritten. Es ist schon in Ordnung, wenn Regierungsmitglieder solche Aufsichtsratsmandate wahrnehmen und dann entsprechend auch in der Verantwortung stehen. Damit muss man als Politiker leben.
Wenn man die Pressemitteilung der Bank zur Vertragsverlängerung von Vorstandschef Hans-Jörg Vetter bis 2017 liest, könnte man fast denken, er hat seinen Vertrag selbst verlängert. Sind Sie mit den Leistungen von Herrn Vetter derart zufrieden, dass man ihm praktisch freie Hand lässt?
Achtung. Es ist schon so, dass die Eigentümer über die Bestellung des Vorstandes entscheiden. Herr Vetter hat zu der Vertragsverlängerung aber einen wesentlichen Beitrag erbracht: Er hat sehr gute Arbeit geleistet.
Die EU verlangt nun weiterhin, dass ein Teil der Aufsichtsräte mit externen Kandidaten besetzt wird. Ist das für Sie in Ordnung?
Vollkommen. Die Praxis werden wir gerne fortführen.
Nicht alle Eigentümervertreter sind rundum zufrieden mit der Arbeit des Chefkontrolleurs Hans Wagener. Er begreife sein Amt als geheime Kommandosache, heißt es.
Ein Vorsitzender, der von außen kommt, ist natürlich eine Umstellung gegenüber früher. Mit Herrn Wagener haben wir aber einen sehr qualifizierten Aufsichtsratsvorsitzenden gewonnen. Ich sehen keinen Anlass für Kritik.
Auch nicht beim Thema Compliance? In dem Strafprozess gegen die Ex-Vorstände wird ja eine strittige Bilanzierungspraxis verhandelt werden, die Herr Wagener bis 2004 als Abschlussprüfer der Bank gebilligt hat.
Wir haben die Rolle von Herrn Wagener compliance-rechtlich geprüft. Da gab es kein Problem.
Die externen Landesvertreter Hans-Jochem Steim und Norbert Quack sind ja noch unter der Mappus-Regierung in dem Aufsichtsrat berufen worden. Wollen Sie die Mandate neu besetzen?
Nein, die beiden sind bis Anfang 2015 gewählt, bis zum Ende der laufenden Aufsichtsratsperiode. Erst dann wird neu besetzt. Wir können nicht auf der Strecke Personen austauschen. Das wäre schon wegen der EU-Auflagen undenkbar gewesen.
Anfang Februar beginnt der Prozess gegen die Ex-Vorstände wegen des Vorwurfs der Bilanzfälschung. Vermutlich werden sich diese mit dem Argument verteidigen, sie hätten nichts getan, was nicht auch den Kontrollgremien der Bank bekannt war. Unter Umständen könnten die Eigentümervertreter auf diese Weise mit auf die Anklagebank gezerrt werden. Ist Ihnen als langjähriger Verwaltungsrat davor bange?
Überhaupt nicht. Die Vorwürfe tangieren die Eigentümer nicht. Es geht um Bilanzierungsfragen. Das ist Sache des Vorstandes.
Ein Anklagepunkt betrifft 2008 und die Frage, wurde die dramatische Lage der Bank damals verschleiert? Liegt auch das außerhalb der Verantwortung der Eigentümer?
Die Frage nach dem Kapitalbedarf könnte allenfalls die damalige Trägerversammlung tangiert haben. Aber da hatten wir seinerzeit als Opposition keine Vertreter drin.
Sie hatten es begrüßt, dass der Vizechef Michael Horn kürzlich vom Aufsichtsrat vorläufig freigestellt wurde. Ist das nicht schon eine Art Vorverurteilung?
Nein, absolut nicht. Der Prozess wird sehr zeitaufwendig sein. Allein dadurch wäre es schwierig gewesen, Herrn Horn aktiv im Amt zu lassen.