Die Kunden fordern zwar faire Produktionsbedingungen, wollen aber gleichzeitig vor allem billige Kleidung kaufen. Das führt zu einer ganzjährigen Rabattschlacht, kritisiert Olymp Chef Mark Bezner.

Chefredaktion: Anne Guhlich (agu)
Stuttgart – - Herr Bezner, die deutschen Modehersteller tun sich derzeit schwer: Strenesse hat Insolvenz angemeldet, auch Hugo Boss kämpft. Sie dagegen erreichen Ihre Wachstumsziele. Was machen Sie anders?
Unser gemeinsames Problem ist das Marktumfeld. Der Absatz für Bekleidung ist auch 2016 im stationären Modeeinzelhandel noch mal um zwei Prozent zurückgegangen. Das Jahr war geprägt von vielen Insolvenzen auch bei den Händlern. Pohland, Boecker, Wöhrl und Sinn Leffers mussten Insolvenz anmelden. Allesamt große Spieler unter den Händlern und wichtige Partner auch für Olymp. Uns ist es trotzdem gelungen zu wachsen, weil wir bei der Wertigkeit unserer Produkte auch unter Preisdruck keinerlei Kompromisse machen. Die beste Produktqualität bringt Ihnen aber nichts, wenn Ihre Kollektion modisch nicht auf den Punkt ist. Außerdem haben wir in den vergangenen Jahren massiv in die Bekanntheit unserer Marke investiert. Zudem profitieren wir von unseren eigenen Läden.
Genau die eigenen Läden sind es aber, die Hugo Boss irgendwann auf die Füße gefallen sind. Jetzt müssen wieder Läden geschlossen werden. Haben Sie nicht die Befürchtung, dass Ihnen das gleiche passieren könnte?
Nein, wir sind anders aufgestellt. Den größten Umsatz machen wir nach wie vor über unsere Handelspartner wie Breuninger, Peek & Cloppenburg oder unsere Fachhändler wie Breitling. Die Erlöse, die wir mit unseren eigenen Handelsaktivitäten erzielen, liegen bei unter 20 Prozent. Bei Hugo Boss lag dieser Anteil ja zuletzt bei rund 60 Prozent. Im Gegensatz zu den großen Modemarken betreiben wir unsere Läden nicht als Flagshipstores. Das heißt: Uns geht es nicht um Vorzeigeläden, die wir in besonders teuren Lagen eröffnen, wohl wissend, dass wir dort angesichts der hohen Mieten wohl nie Geld verdienen werden. Bei all unseren Läden gilt der Grundanspruch, dass der Shop positiv zum Geschäftsergebnis beizutragen hat.
Ist es Ihr Ziel, dass der Umsatz mit eigenen Läden unter der 20-Prozent-Marke bleibt?
Ich kann mir nicht vorstellen, dass wir irgendwann in Bereiche von 40 oder sogar 50 Prozent kommen. Im Gegenteil: Wir sind im vergangenen Jahr mit zwei Neueröffnungen nur sehr verhalten expandiert und in diesem Jahr wollen wir nach gegenwärtigem Stand wiederum nur zwei Läden aufmachen.
Das heißt, dass Ihr Konzept mit den eigenen Läden nicht aufgegangen ist?
Nein, das heißt es nicht. Aber Sie haben richtig beobachtet, dass gerade viele Flächen von Mitbewerben wieder geschlossen werden. Das betrifft nicht nur Hugo Boss, sondern auch Esprit, Tom Tailor oder Gerry Weber. Ich gehe davon aus, dass sich die frei werdenden Flächen auch irgendwann auf die Mietpreise auswirken werden. Da halte ich es nicht für sinnvoll, wenn wir uns bei den hohen Mietpreisen, die derzeit herrschen, fest an bestimmte Ladenlokale binden. Solche Mietverträge laufen ja dann in der Regel über zehn Jahre.
Andererseits drängen aber auch immer neue Mitbewerber auf den Markt. Allein in Stuttgart hat die Verkaufsfläche in den vergangenen Jahren extrem zugenommen. Vor allem Billigketten wie Primark oder Reserved drängen auf den Markt. Inwiefern greifen diese Ketten auch den Premiumherstellern Kunden ab, wenn man bedenkt, dass die Menschen immer preissensibler werden?
Es stimmt, dass im Moment einfach viel zu viel Ware im Markt ist. Das führt zu den ruinösen Marktverhältnissen, bei denen es nur noch darum geht, den Preis des Wettbewerbers zu unterbieten. Es gibt längst nicht mehr nur den Sommer- oder den Winterschlussverkauf, sondern auch Saisonopening-Rabatte oder Aktionen wie den Black Friday. Im Grunde genommen herrscht im Modehandel inzwischen das ganze Jahr über eine aggressive Rotpreis-Atmosphäre. Das fällt vielen Marktteilnehmern das Überleben immer schwerer und darum sehen wir die oben angesprochenen Insolvenzen.
Einerseits wollen die Menschen wenig Geld ausgeben und andererseits fordern sie, dass Textilhersteller am besten in Deutschland fertigen. Sehen Sie da eine Diskrepanz?
Bei vielen Menschen steht natürlich das Bedürfnis ein Schnäppchen zu machen im Vordergrund. Die wenigsten recherchieren, welche Wertschöpfungskette tatsächlich hinter einem Produkt steht.
Mit was für einem Wachstum rechnen Sie für 2017 bei diesen Rahmenbedingungen?
Wir wollen beim Umsatz im niedrigen einstelligen Prozentbereich wachsen.
Sie waren aber auch schon mal ehrgeiziger.
Das bin ich immer noch, davon können Sie ausgehen. Es ist nur gerade schwierig, überhaupt eine Prognose abzugeben. Es gab noch nie so viele Unsicherheiten auf unseren Absatzmärkten.
Zum Beispiel?
England ist für uns ein sehr wichtiger Markt. Dort sind wir vom Brexit betroffen. Da das Britische Pfund so stark gefallen ist, waren wir jetzt bereits gezwungen, unsere Preise dort um zehn Prozent anzuheben. Leider führt das nicht gerade zu steigenden Absätzen. Aufgrund der steigenden Beschaffungskosten müssen wir auch in Deutschland die Preise in Summe im einstelligen Prozentbereich anziehen und den einen oder anderen Artikel auf die nächste Preisstufe hieven.
Inwiefern wirken sich die Wahlen in Frankreich in diesem auf Ihr Geschäft aus?
Wir verzeichnen eine geringere Nachfrage in Frankreich, weil die Händler dort vor Wahlen extrem zurückhaltend sind. Dafür sind wir von den Entwicklungen in den USA weniger betroffen, da wir diesen Markt aufgrund eines Markenrechtsproblems bislang nicht bedienen
Der neue Präsident würde Sie jedenfalls nicht von einem Markteintritt abhalten?
Nein, im Gegenteil: Der amerikanische Markt ist sehr interessant für uns. Ich habe auch persönlich eine hohe Affinität zu dem Land, weil ich dort studiert habe. Und der Präsident hat ja seine eigene Hemdenkollektion, sodass er meine Produkte nicht zur Schau stellen würde.
Ist es ein Problem für Sie, wenn Menschen, deren Gesinnung Sie nicht teilen, öffentlich Ihre Produkte tragen?
Es gibt gewiss einige solcher Menschen. Wir haben aber so eine Marktdurchdringung, dass sich das nicht vermeiden lässt.
Für andere Kunden machen Sie dafür Maßanfertigungen wie etwa für Ex-Porsche-Chef Wendelin Wiedeking.
Das würde ich aber nicht so laut sagen. Das weckt Begehrlichkeiten. Es stimmt aber, dass ich für eine Handvoll befreundeter Kunden eine Ausnahme mache und auf deren besondere modische Ansprüche und Herausforderungen Rücksicht nehme.
Was ist mit dem Ministerpräsidenten?
Den habe ich noch nicht hier eingekleidet, obwohl das bei all seinen Vorgängern der Fall war. Bei Winfried Kretschmann bekomme ich das aber sicher auch noch hin.
Grundsätzlich gehört das Land Baden-Württemberg aber schon zu Ihren Kunden, weil sie ja die Beschäftigten von Polizei, Justizanstalten, Feuerwehren und Behörden ausstatten. Merken Sie es eigentlich, wenn eine Regierung wechselt oder ein Sparprogramm bei den Beamten fährt?
Die Länder Baden-Württemberg, Bayern und Nordrhein-Westfalen sind unsere treuen Kunden. Dort wird noch wert auf eine gute Qualität bei der Bekleidung ihrer Beschäftigten gelegt. Bei anderen Bundesländern merken wir tatsächlich, dass sie immer stärker unter Sparzwang stehen und die erste Devise der Einkäufer lautet, dass sie das günstigste Kaufen sollen. Insofern sehen wir in dem Bereich Uniformhemden derzeit kein übermäßiges Wachstumspotenzial.