Exklusiv I Bauprojekte kosten oft zu viel und dauern zu lang. Mit digitalen Hilfen wäre das anders, sagt SAP-Vorstand Bernd Leukert.

Geld/Arbeit: Daniel Gräfe (dag)

Stuttgart -

 
Herr Leukert, Sie sind zuständig für Innovationen. Haben Sie heute schon einen Ideenblitz gehabt?
Ideenblitze habe ich jeden Tag. Aber meine Aufgabe ist vorrangig, Ideen auch zu verwirklichen. Und das ist bisweilen ein langer Weg.
Fangen wir doch mit einer aktuellen Idee von Ihnen an.
Ich habe mir heute Gedanken gemacht, wie sich SAP ein Stück vom großen Kuchen des digitalen Marketings abschneiden kann, ohne das Kerngeschäft zu verlassen. Dazu möchte ich Gespräche mit Buch- und Medienverlagen führen. Diese könnten ihre Werbung viel individueller gestalten, die erforderliche Technik haben wir. Das funktioniert aber nur in enger Zusammenarbeit.
Lassen sich in der Welt des Internets neue Geschäftsmodelle ohne Partnerschaften überhaupt noch entwickeln?
Das ist möglich, dauert aber viel zu lange. Deshalb arbeiten Automobilkonzerne mit Mobilitätsdienstleistern zusammen. Oder Maschinenbauer kaufen sich in Start-ups ein. Um erfolgreich zu sein, sind heute Kompetenzen sowohl in der Industrie als auch in der Informationstechnologie nötig.
In welcher Branche könnte es künftig neue Geschäftsmodelle geben?
Ein Beispiel ist die Baubranche. Hier liegt noch großes Potenzial brach. Würde man den Bau nicht nur digital planen, sondern auch digital umsetzen, ließen sich viele Fehler vermeiden.

Was meinen Sie damit?
Nehmen Sie den Raum, in dem wir gerade sitzen. Der Bauherr bespricht dafür mit dem Architekten den Plan: Wo sind die Fenster, an welchen Stellen sind Steckdosen erforderlich, wo kommen Klimaanlage, Beamer, Lampen oder Schalter hin. Und doch gibt es bei der Umsetzung Probleme, weil Handwerker unter Zeitdruck stehen und Menschen Fehler machen. Bisher fehlt meist die Verbindung zwischen dem digitalen Bauplan und der digitalen Unterstützung durch die Baumaschine. Warum sollte eine Bohrmaschine nicht über W-LAN mit dem digitalen Bauplan verbunden sein und genau die Stellen anzeigen, wo ein Loch gebohrt oder eine Leitung verlegt werden soll? Wäre die digitale Welt mit der physischen verknüpft, gäbe es weniger Baumängel und Bauprojekte lägen häufiger im Zeitplan oder wären schneller zu realisieren.
Es gibt derzeit etliche Bau-Großprojekte im Land, darunter in Hamburg, Berlin und Stuttgart, bei deren Umsetzung es massive Probleme gibt. Mit einem höheren Grad der Digitalisierung könnten Großprojekte demnach schneller und zuverlässiger umgesetzt werden?
In einer idealen digitalen Welt könnte die Umsetzung dem Plan exakt folgen und wäre auch mit den wichtigsten gesetzlichen Regelungen verknüpft. Dann könnten zum Beispiel Handwerker automatisch benachrichtigt werden, wenn zum Beispiel eine Beleuchtung nicht der Brandschutzordnung entspricht.
Ließen sich damit auch die Kosten besser einhalten?
Ja, weil man in der digitalen Welt viel mehr simulieren kann. Natürlich muss dazu zuerst die digitale Planung exakt sein, bevor es an die Umsetzung geht.
Muss das Handwerk in Deutschland bei der Digitalisierung aufholen?
Das Handwerk muss sich viel stärker digitalisieren und die Digitalisierung noch viel stärker als Chance begreifen. Informationstechnologie ist sprichwörtlich ein neues Werkzeug. Die Auszubildenden müssen Fehlerprotokolle auslesen und Softwarepatches – also Fehlerkorrekturen – aufspielen können. Egal, ob Warn- oder Klimaanlagen, Heizungen oder Licht: Gebäudetechnik läuft zusehends über Software. Auch die Berufstätigen müssen sich weiter fortbilden. Hierfür brauchen wir flexible Ausbildungsplattformen mit digitalen Kursen. Ohne permanentes Lernen geht es auch im Handwerk nicht mehr.
Wie gut sind eigentlich die mittelständischen Firmen im Südwesten digital aufgestellt?
Besonders die Weltmarktführer im Land müssen verhindern, dass Technologieunternehmen ihre Geschäftsmodelle untergraben und Dienstleistungen zu wesentlich günstigeren Preisen anbieten. Denn das ist in der digitalen Welt von heute einfach. Sie müssen sich deshalb selbst starke und zuverlässige Technologiepartner suchen, sich dabei aber auf ihre Kernkompetenzen konzentrieren und nicht versuchen, selbst zum Softwareunternehmen werden zu wollen.