Grün-Schwarz ist für CDU-Spitzenkandidat Guido Wolf ausgeschlossen, Schwarz-Grün hingegen nicht: in Hessen funktioniere das „sehr geräuschlos“. Ein Bündnis kann sich Wolf mit FDP, SPD und Grünen vorstellen: Er habe da „keine Priorität“.

Stuttgart – - So schwer wie Guido Wolf hatte es vielleicht noch nie ein CDU-Spitzenkandidat im Südwesten. Im StZ-Interview äußert sich der 54-Jährige zu den miesen Umfragewerten, seinem Anteil daran und zum Verhältnis zu Angela Merkel. Über deren Auftritte im Wahlkampf freue er sich nach wie vor, Panik nehme er keine wahr.
Herr Wolf, Haben Sie schon einmal bereut, die CDU-Mitgliederbefragung gegen Herrn Strobl gewonnen zu haben?
Keine Sekunde. Mir war immer klar, dass das kein Spaziergang wird hin zur Landtagswahl, sondern dass wir hart kämpfen müssen, werben müssen für unsere Konzepte für eine bessere Politik.
Kann man vom schwierigsten Wahlkampf in der Geschichte der Landes-CDU sprechen?
Mit Superlativen muss man immer vorsichtig sein. Aber es dürfte mit Sicherheit einer der schwierigsten Wahlkämpfe sein, die die CDU in Baden-Württemberg jemals zu führen hatte.
Wenn Ihnen vor einem Jahr jemand vorhergesagt hätte, dass die CDU heute in den Umfrage um 30 Prozent, teilweise sogar hinter den Grünen liegen würde - den hätten Sie für verrückt erklärt, oder?
Ich hätte zumindest die Stirn gerunzelt und überlegt, was ihn veranlassen mag, dieses zu vermuten. Aber es ist in der Tat so, dass sich die Parteienlandschaft in den letzten Monaten erheblich verändert hat.
Wie schaffen Sie es ganz persönlich, trotz dieser Werte kämpferisch und optimistisch zu bleiben?
Indem ich meiner Linie treu bleibe, indem ich auf die Kraft der Argumente setze, indem ich mich von den Umfragen nicht irritieren lasse. Ich muss immer wieder darauf hinweisen: die Wahl wird am 13. März entschieden. Jetzt geht es darum, bis zum letzten Tag, bis zur letzten Stunde zu kämpfen und zu werben und unter die Menschen zu gehen.
Inwieweit gehen die Werte auf das Konto des Spitzenkandidaten? In Rheinland-Pfalz steht Frau Klöckner etwas besser da.
Zum einen ist die Entwicklung der letzten Wochen, was die Zustimmung zur CDU angeht, in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt durchaus vergleichbar, wenn auch auf unterschiedlichem Niveau. Das zweite ist: Baden-Württemberg hatte immer schon – denken Sie an die die neunziger Jahre – ein gewisses Potenzial an Wählerinnen und Wählern, das sich mit dem Gedanken trägt, gegebenenfalls auch Denkzettel zu verpassen. Aber entscheidend ist, dass wir als CDU gerade die letzten Tage nutzen, um für die bessere Politik zu werben. Um auch deutlich zu machen, dass jetzt nicht die Stunde ist, Denkzettel zu verpassen, sondern angesichts der historischen Herausforderung der CDU das Vertrauen zu schenken. Die CDU hat in der Vergangenheit immer wieder unter Beweis gestellt, dass sie die richtige politische Kraft ist, um historische Herausforderungen zu meistern.
Früher lag die CDU im Land immer oberhalb des Bundestrends, inzwischen unterhalb. Inwieweit hinterfragen Sie sich da?
Es ist immer schwieriger, aus der Opposition heraus Politik zu gestalten und Wahlkampf zu führen. Da ist auch meine Rolle in Baden-Württemberg nicht gerade leicht. Aber die CDU ist geschlossen, wir kämpfen um eine eigenständige Mehrheit. Ich bin rund um die Uhr im Einsatz, um für unsere Argumente zu werben. Für mich als Herausforderer ist es enorm wichtig, tagtäglich neue Menschen zu erreichen und im direkten Gespräch zu gewinnen.
Der Denkzettel, den Sie ansprechen, gälte Angela Merkel. Müssen Sie jetzt ausbaden, was die Kanzlerin in der Flüchtlingspolitik angerichtet hat?
Ich warne davor, jetzt in ein Schwarze-Peter-Spiel einzutreten. Die Bundeskanzlerin ist mit harter Arbeit und viel Überzeugungskraft unterwegs, um eine europäische Lösung herbeizuführen. Sie hat die dafür notwendige Autorität und Akzeptanz in Europa. Aber wir spüren natürlich auch, dass es zunehmend Menschen gibt, die an einer europäischen Lösung insgesamt gewisse Zweifel haben oder die darauf hinweisen, dass es ein langer Weg sein wird, bis die europäische Solidarität erreichbar ist. Deshalb ist es auch wichtig, Zwischenschritte aufzuzeigen. Es ist unsere Verantwortung, darauf zu achten, dass die Akzeptanz der Menschen für Europa nicht weg bricht.
Ein solcher Zwischenschritte waren die von Ihnen vorgeschlagenen Tageskontingente. Die sind aber schon wieder kassiert.
Ich habe den Eindruck, dass vieles in dieser Krise immer wieder neu diskutiert wird, was schon abgehakt schien. Wenn wir uns die Situation auf der Balkanroute vor Augen führen, dann hat die Kanzlerin jetzt sehr deutlich zum Ausdruck gebracht: es kann nicht darum gehen, durchzuwinken, sondern wir müssen jetzt Griechenland helfen, dass die Flüchtlinge dort Unterkunft und Verpflegung bekommen. Sie hat darüber hinaus deutlich gemacht, dass es für politisch verfolgte Menschen einen Anspruch gibt, Zuflucht zu finden, aber nicht darauf, diese Sicherheit in einem bestimmten Land zu finden. Das ist eine klare Differenzierung.
Frau Merkel will von den Zwischenschritten, von denen Sie sprechen, nichts wissen.
Es ist kein Widerspruch, dass Julia Klöckner und ich aus der Perspektive der Länder sagen, es muss solche Zwischenschritte geben. Das ist eine Ergänzung. Wer unsere Erklärung genau liest, kann zu keinem anderen Schluss kommen.
Sie freuen sich also nach wie vor über und auf die Auftritte von Frau Merkel im Wahlkampf?
Natürlich. Die gemeinsamen Auftritte sind mir sehr wichtig.
Aber für sie zu beten überlassen Sie anderen?
Ich bete auch, pflege aber nicht in der Öffentlichkeit darüber zu sprechen, für wen.
Die CDU droht nach allen Seiten Stimmen zu verlieren - an die AfD, die Grünen, die Nichtwähler, die FDP. Wie wollen Sie den Trend drehen?
Es ergeben sich primär Verschiebungen innerhalb der Lager. Was die Grüne hinzugewinnen, verliert die SPD schmerzlich. Die Grünen saugen die SPD geradezu aus. Es mag auch den einen oder anderen CDU-Wähler geben, der mal bei den Grünen landet; nennenswerte Anteile sind das nicht. Unsere Verluste gehen sehr stark auf das Konto der AfD, teilweise auch der FDP – zumal sie sich jetzt klar zu uns bekannt hat und niemand mehr befürchten muss, die FDP zum Steigbügelhalter für Grün-Rot zu machen. Wir werden noch stärker deutlich machen, dass die AfD keine wirkliche Alternative ist, dass sie rechtspopulistisch und in Teilen rechtsradikal unterwegs ist. Das kann nicht die Antwort sein in einer historisch so großen Herausforderung.
Kommt in der CDU allmählich Panik auf?
Im Gegenteil, ich erlebe sehr viel Motivation. Natürlich macht sich der eine oder andere Kandidat Gedanken mit Blick auf den eigenen Wahlkreis. Aber ich spüre allüberall große Lust auf Wahlkampf und sehr viel Zuspruch. Die Häuser sind voll, die Stimmung ist gut, die Resonanz positiv. Das hebt sich wohltuend ab von der Stimmung von vor fünf Jahren.
Die Gangart ist zuletzt deutlich verschärft worden, bis hin zur Warnung der Jungen Union vor einem Ministerpräsidenten Özdemir. Gefällt Ihnen das alles?
Die JU hat immer schon eigene Kampagnen durchgeführt. Sie spitzt in der ihr eigenen Art zu. Das wird nichts daran ändern, dass ich meinen Wahlkampf immer hart an der Sache ausrichte und Respekt vor dem politischen Mitbewerber wahre. Wir alle wissen nicht, über welche Konstellationen wir uns am Wahlabend unterhalten werden müssen.
Wie gehen Sie mit den hohe Beliebtheitswerten von Winfried Kretschmann um?
Das ist ein völlig gängiges Phänomen. Das ist der Rollenverteilung geschuldet. Aber es gibt auch viel Kritik an den politischen Themen.
Zum Beispiel?
In der Bildungspolitik ist die Unzufriedenheit riesengroß, da gilt die Kompetenzzuschreibung der CDU. Oder Innere Sicherheit: die Menschen haben den Eindruck, es ist unsicherer geworden in Baden-Württemberg. Auch der Verkehrsminister ist immer wieder Thema in Diskussionen. Je näher wir an den Wahltermin rücken, desto mehr gewinnen solche Themen an Bedeutung gegenüber der Flüchtlingsfrage.
Für die Wirtschaft sind die Grünen offenbar kein Schreckgespenst mehr.
Zwischen Schreckgespenst und Wirtschaftsmotor liegen Welten. Die Grünen werden sicher nicht mehr als Schrecken wahrgenommen, aber die Wirtschaft vermisst Impulse aus der Landespolitik. Sie beklagt eine Infrastrukturpolitik, die nicht auf Ausbau setzt, sie beklagt den Nachholbedarf bei schnellen Datenleitungen, sie beklagt eine Regulierungswut von Grün-Rot durch eine Vielzahl von Gesetzen. Auch die Qualitätsfragen in der Bildung sind für die Wirtschaft entscheidend.
Welche Koalition würden Sie bevorzugen – Schwarz-Grün oder ein Bündnis mit SPD und FDP?
Für mich gibt es da keine Priorität. Ich habe seit vielen Wochen eine klare Haltung: Wir kämpfen jetzt erst mal für uns, damit wir so stark werden, dass gegen uns nicht regiert werden kann. Dann loten wir mögliche Koalitionsmodelle aus. FDP, SPD und Grüne sind für uns potenzielle Partner. Mit der FDP gibt es viel Übereinstimmung, wir haben in der Vergangenheit gut zusammengearbeitet. Aber wir haben Anfang der neunziger Jahre auch schon mit der SPD zusammen regiert, als klares Signal gegen die „Republikaner”. Schwarz-Grün funktioniert in Hessen sehr geräuschlos. Auch Schwarz-Rot-Gelb könnte ich mir vorstellen – als parteiübergreifenden Schulterschluss, der angesichts der großen Aufgaben ein richtiges Signal wäre. Entscheidend ist, in den nächsten fünf Jahren gute Politik machen zu können.
Als Juniorpartner der Grünen stünden Sie im Fall des Falles nicht zur Verfügung – nur Sie persönlich, oder auch Ihre Partei nicht?
Dafür stehen wir nicht zur Verfügung. Aber da machen wir uns keine Sorgen: Wir werden am Wahlabend vor den Grünen liegen, sodass sich die Frage nicht stellen wird.
Täte es der CDU gut, wenn sie nach fünf Jahren wieder regieren dürfte? Oder könnte sie noch Zeit brauchen, um sich weiter zu erneuern?
Die Niederlage bei der letzten Landtagswahl war kein Betriebsunfall, sondern ein klarer Auftrag. Wir haben uns in Inhalten und Rollen neu definiert. Wir haben die Zeit genutzt, eine ganz neue Diskussionskultur zu entfalten. Deshalb sind wir nach fünf Jahren erneuert und fit, um wieder Regierungsverantwortung zu übernehmen.
Also ist die Erneuerung abgeschlossen?
Erneuerung ist nie abgeschlossen. Wer keinen Bedarf mehr sieht, täglich an sich zu arbeiten, sich weiterzuentwickeln, der hat es aufgegeben, Zukunft zu gestalten.