Uwe Kammann, der Geschäftsführer des Grimme-Instituts, vermisst bei der Programmreform der ARD das überraschende Element.

Kultur: Ulla Hanselmann (uh)

Stuttgart - Uwe Kammann, der Geschäftsführer des Grimme-Instituts, vermisst bei der Programmreform der ARD das überraschende Element.

 

Herr Kammann, fünfmal Talk in einer Woche - ist das zu viel des Guten?

Das ist reine Inflation, und die bringt immer eine Entwertung mit sich. Das können die verschiedenen Temperamente der Talkmaster nicht ausgleichen.

Was hätten Sie anders gemacht?

Man könnte die Talkshows mit anderem Rhythmus stärker rotieren lassen, mit nur zwei oder drei Terminen einer Marke im Monat. Etwas rarer zu machen steigert den Wert eminent. Die Gefahr, dass sich die Themen überschneiden und die immergleichen Personen auftauchen, ist jetzt einfach riesengroß. Ein Fernsehprogramm braucht mehr Abwechslung.

Wie etwa durch das Filmexperiment "Dreileben", mit dem die ARD ihre Programmreform eingeläutet hat?

Solche überraschenden Elemente sind das, was wir verstärkt brauchen. Ein Vollprogramm, wie es die ARD anbietet, sollte in meinen Augen flexibler sein, es sollte stärker atmen können, wenn Sie so wollen, und weniger seriell und formatiert daherkommen.

Mit Ausnahmeereignissen allein erzielt man aber nicht kontinuierlich gute Quoten, und die braucht es, um die Marktführerschaft zu erreichen.

Natürlich ist es richtig, ein großes Publikum anzustreben. Doch geht es nicht um absolute Rekordzahlen an allen Plätzen, sondern es geht auch um Erfolg mit besonderen Themen bei unterschiedlichen Zielgruppen. Deshalb muss man die Quoten immer relativieren und differenzieren.

Werden Günther Jauch und Thomas Gottschalk für mehr Highlights in der ARD sorgen?

Damit setzt das Erste klar auf Stars und Prominenz und forciert das Denken in Markenzeichen. Die Weiterentwicklung eines eigenen Profils kann ich darin nicht erkennen.

Immerhin handelt es sich um Markenzeichen, die bei anderen Sendern Topquoten garantieren.

Jauch steht bei RTL für den Erfolg, jetzt muss er auf zwei Hochzeiten tanzen, ein vielleicht nicht ganz glücklicher Spagat. Bei Gottschalk stellt sich die Frage, ob dies der ideale Sendeplatz für ihn ist. Er muss jetzt sehr aktuell sein, doch seine Late-Night-Erfahrungen waren nicht wirklich positiv. Sprich: die ARD ist ziemlich mutig, ihn an diesem Platz einzusetzen. Aber als Publikumsliebling wird er anfangs auf jeden Fall große Neugier auslösen.

Falls es schiefgeht: Die nächste ARD-Reform kommt bestimmt?

In zwei, drei Jahren sicher. Ich glaube nicht, dass das jetzige Modell lange Bestand haben wird.

Der Medienbeobachter

Medien Uwe Kammann (62) ist seit 2005 Geschäftsführer des Grimme-Instituts, das seine Aufgabe darin sieht, das Medienangebot einzuordnen und zu bewerten. Vorher war er Leiter des Medienfachdienstes beim Evangelischen Pressedienst.

Jury Kammann war unter anderem Jurymitglied beim Deutschen Fernsehpreis, dem Robert-Geisendörfer-Preis und dem Preis der Kriegs-blinden.