Die Eignerfamilien des Sägen-Weltmarktführers Stihl haben ihre Anteile an die Nachkommen-Generation verschenkt, um Belastungen durch die geplante Erbschaftsteuer-Neuregelung zu umgehen. Ein Gespräch mit dem Beiratsvorsitzenden Nikolas Stihl und dessen Vater Hans-Peter.

Beim Thema Erbschaftsteuer steht die Politik unter Druck. Bis Ende Juni muss nach Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts eine Reform stehen. Einer der offenen Streitpunkte ist die künftige Steuerbegünstigung für Firmenerben. Wie stark tangiert Sie als Familienunternehmen die Gesetzesreform?
Junior: Wir haben die Nachfolgefrage für unsere Familie weitestgehend gelöst. Daher betrifft uns das Gesetz direkt nicht. Aber natürlich treibt uns das Thema um, denn nach allem, was bekannt ist, hat es das Potenzial, die Firmenlandschaft in Deutschland komplett umzukrempeln und das wirtschaftliche Rückgrat Deutschlands – die Familienunternehmen – nachhaltig zu schädigen. Ich sagte das schon einmal: Die Politik schlachtet die Gans, die die goldenen Eier legt. Wenn die Pläne nicht grundsätzlich überdacht werden, wird die Firmenlandschaft in zehn bis zwanzig Jahren anders aussehen. Ob das gut ist, weiß ich nicht. Klar ist jedenfalls, dass die größten deutschen Familienunternehmen von 2006 bis 2012 etwa 300 000 neue Jobs in Deutschland geschaffen haben, die Dax-Konzerne im gleichen Zeitraum aber rund 100 000 Arbeitsplätze abgebaut haben.
Was schlagen Sie vor?
Junior: Der ganze Ansatz muss sich ändern. Es ist falsch, dass man irrwitzig hohe Steuersätze ansetzt und dann diverse Ausnahmeregelungen einführt. Warum ändert man den Ansatz nicht komplett? Eine Flattax, also eine für alle gleich hohe Steuer, im niedrigen einstelligen Prozentbereich bringt unterm Strich sicherlich genauso viel Steueraufkommen für den Staat.
Senior: Die jetzt anstehende Gesetzgebung hat ja auch bereits Folgen gehabt. Eine große Zahl der Familienunternehmen hat eine vorgezogene Erbfolge vorgenommen, um zukünftige steuerliche Risiken zu vermeiden. Auch wir bei Stihl sind diesen Weg gegangen, das heißt, wir haben unsere Firmenanteile an unsere Nachkommen verschenkt. Damit erwischt uns diese unsinnige Gesetzgebung wenigstens erst zu einem späteren Zeitpunkt.
Das heißt, der Generationswechsel ist, zumindest was die Unternehmensanteile betrifft, schon vollzogen?
Junior: Ja, unsere Kinder – die vierte Generation – sind bereits maßgeblich am Unternehmen beteiligt. Egal, was jetzt bei der Gesetzgebung herauskommt. Wir können der Entwicklung gelassen entgegensehen – sicherlich die nächsten 30 Jahre.
Hat die vierte Generation ein Interesse am Unternehmen, oder zeichnen sich andere Neigungen ab?
Junior: Das Interesse ist da, aber um genaue Voraussagen zu treffen, wer welchen Weg gehen wird, ist es noch viel zu früh. Wir reden über junge Menschen, die Anfang 20 oder jünger sind.
Senior: Eine Sache möchte ich noch mal herausstreichen. Die Familienmitglieder gehen grundsätzlich nicht ins aktive Management der Unternehmensholding. An diesem Weg, für den wir uns 2002 entschieden haben, halten wir fest. Familienmitglieder können sich im Beirat bewähren und so über die strategische Ausrichtung bestimmen. Nur in absoluten Ausnahmefällen besteht auch für sie die Möglichkeit, operativ im Unternehmen tätig zu werden.
Die Stihl-Holding hat mittlerweile elf Familiengesellschafter aus vier Familienstämmen. Wird es mit mehr Köpfen im Beirat nicht immer schwerer, eine einheitliche Linie zu finden?
Senior: Wir haben uns schon frühzeitig vorbereitet. Jeder Familienstamm muss einen Sprecher bestimmen, der im Beirat die Meinung seines Familienstamms vertritt. So vermeiden wir eine Kakofonie zu vieler Einzelmeinungen. Außerdem fallen Entscheidungen normalerweise im Konsens. Es gibt die Möglichkeit, jemanden zu überstimmen, was aber bislang nur sehr selten vorgekommen ist.
Bei strittigen Entscheidungen kann es schon einmal um Millionen gehen. Gibt so etwas nicht böses Blut?
Senior: Es könnte theoretisch schon sein, dass einmal einer „böse“ ist und aus dem Club der Stihl-Eigner austreten will. In so einem Fall müsste er aber ziemlich lange warten, bis er sein Geld ausbezahlt bekommt.
Warum?
Senior: Bis das Kapital ausgezahlt wird und er frei darüber verfügen kann, dauert es mindestens zehn Jahre.
Da bräuchte man also dann einen langen Atem und einen guten Plan B . . .
Junior: Man kann als Teil der Eigner-Familien die Verantwortung nicht einfach abdrücken, wenn einem etwas nicht passt. Das geht nicht.
Senior: Wer die Vorteile eines Familienunternehmers genießt, muss sich auch in die Pflicht nehmen lassen. Wir müssen eine verschworene Gemeinschaft sein.
Hat sich das Stihl-Management-Modell, wonach familienfremde Manager das Unternehmen operativ führen, die Familie über den Beirat aber die strategische Ausrichtung vorgibt, bewährt?
Senior: Anfangs hatten wir keine so glückliche Hand. Unsere erste Personalentscheidung mussten wir nach Kurzem korrigieren. Aber momentan würde ich sagen, dass wir den besten Vorstand haben, den das Unternehmen jemals hatte.
Junior: Das zeigt sich auch daran, dass wir den Vertrag des Vorstandsvorsitzenden, Bertram Kandziora, erst kürzlich vorzeitig verlängert haben. Seit Herr Kandziora 2002 zu Stihl kam, hat sich der Umsatz verdoppelt, und wir sind profitabel gewachsen. Im Markt stehen wir auch dank technischer Führerschaft in vielen Bereichen besser da als je zuvor.
Dennoch hat Stihl später und nicht so entschlossen wie mancher Konkurrent auf akkugetriebene Geräte gesetzt. Heute ist das der am schnellsten wachsende Marktbereich . . .
Junior: Wir sind seit 2009 in dem Akku-Segment tätig. Wir haben mit einer kleinen und feinen Produktpalette angefangen und sind im Profi-Segment sehr ordentlich etabliert. Die Musik bei Akkugeräten spielt im Consumer-Markt. Hier werden wir sehr bald preislich viel attraktiver.
Kündigen Sie damit Preissenkungen für die kommende Saison an?
Senior: Nur so viel. Es stehen neue Produkte vor der Tür, die noch besser auf den Verbraucher zugeschnitten sind. Auf der anderen Seite werden wir das Profi-Segment deutlich ausbauen.
Probiert die Familie Stihl die ihren Namen tragenden Produkte eigentlich auch selber aus?
Senior: Natürlich. Das machen mein Sohn und ich auch gerne gemeinsam. Einmal jährlich haben wir einen Praxistag draußen im Wald. Da wird dann gesägt, oder wir schneiden Hecken und blasen Laub weg. Wir testen die eigenen Neuentwicklungen, aber nehmen auch die Konkurrenzprodukte in die Hand.
Stihl hat einen enormen Auslandsanteil. Rund 90 Prozent des Umsatzes werden im Ausland gemacht. Wie wichtig ist der deutsche Markt für Sie?
Senior: Wir werden uns noch stärker in Richtung Ausland orientieren und weniger in Richtung Inland. Im Inland nimmt uns die Politik die Mittel weg, die wir eigentlich brauchen, um die Firma weiterzuentwickeln.
Heißt das, dass Sie in Deutschland nicht mehr investieren wollen? Sie haben ja gerade ein neues Entwicklungs- und Logistikzentrum fertiggestellt?
Senior: Nur noch rund 4500 von über 14 000 Beschäftigten arbeiten im Inland. Unser größtes Produktionswerk liegt in den USA – ein erfolgreiches Kettenwerk in der Schweiz. Wir haben in den vergangenen Jahrzehnten jede Menge Produktion aus Deutschland heraus verlagert – in die USA, nach Brasilien, in die Schweiz, aber auch nach China.
Junior: Wobei das nicht heißt, dass wir uns aus Deutschland verabschieden. Wir haben über 30 Prozent der Belegschaft in Deutschland, erzielen aber nur etwa 10 Prozent unseres weltweiten Umsatzes hier.
Folgt die Beschäftigung also den Umsätzen in die verschiedenen Märkte?
Junior: Selbstverständlich wollen wir ein deutsches Unternehmen bleiben. Keiner verpflanzt leichtfertig ein ganzes Unternehmen ins Ausland. Wie gesagt: Wir haben 30 Jahre Zeit zu schauen, ob die Politik reagiert und für den Mittelstand schädliche Gesetzesvorhaben wie etwa die geplante Erbschaftsteuerreform wieder einkassiert. Wir verlagern nicht leichtfertig Produktion ins Ausland. Im Gegenteil: Wir bekennen uns zum Standort Deutschland. Das kann man auch daran erkennen, dass wir gerade erst einen Standortsicherungsvertrag für die deutschen Werke abgeschlossen haben.
Senior: Aber der geht nur bis zum Jahr 2020.
Junior: Damit sind die nächsten fünf Jahre gesichert. Das Prinzip, das über allem steht, ist der Fortbestand der Firma.
Im Moment laufen gerade Tarifverhandlungen mit der IG Metall. Auf welchem Weg sehen Sie die Tarifpolitik?
Junior: Die Forderungen der Gewerkschaft sind schlicht überzogen. Ich bin aber davon überzeugt, dass man sich im Laufe der Verhandlungen auf einem vernünftigen Niveau trifft. Wenn man sich die Gewerkschaften weltweit anschaut und die IG Metall, dann sind wir mit der IG Metall so schlecht nicht bedient.
Senior: Die IG Metall ist zwar eine kämpferische Organisation, die gern kräftig auf die Pauke haut. Allerdings hat sie in der Vergangenheit auch immer wieder vernünftige Tarifabschlüsse ermöglicht. Ich als alter Tarifhase kann das aus eigener Erfahrung sagen.
Stihl-Mitarbeiter können jedes Jahr mit zehn Prozent verzinste Genussrechte zeichnen. Bleibt der Zinssatz angesichts der niedrigen Kapitalmarktzinsen bestehen?
Junior: Das halten wir durch, auch für das vergangene Geschäftsjahr. Wir nehmen die Zinsen nicht von irgendeinem Bankkonto, sondern aus unserem Ergebnis.
Senior: Abmachungen sind einzuhalten, auch von uns.
Vor wenigen Tagen haben Sie ihren 84. Geburtstag gefeiert. Wie sehen Ihre Zukunftspläne aus?
Senior: Ich komme immer noch mehrmals die Woche ins Büro, das ich mir übrigens seit mehr als einem halben Jahrhundert mit meiner Schwester Eva teile, mit der ich hervorragend zusammenarbeite. Und ich gedenke auch weiterhin, mich im Beirat und als Berater einzubringen – solange das meine Gesundheit zulässt.