Hans Herrmann und Pascal Wehrlein unterhalten sich über die Formel 1. Es geht um echte Kerle und die Computergeneration.

Sport: Dominik Ignée (doi)

Stuttgart - Hans Herrmann (88) und Pascal Wehrlein (21) sind Schwaben, die die Formel 1 aus ganz unterschiedlichen Zeiten kennen. Im Generationen-Interview sprechen sie vor dem Ungarn-Grand-Prix am Sonntag über die 50er Jahre und die Gegenwart. Nichts ist im Rennzirkus mehr so wie es einmal war.

 
Herr Herrmann, Sie verfolgen die Formel 1. Wie schlägt sich Pascal Wehrlein in seinem Debütjahr?
Hermann: Ich schaue besonders auf ihn. Ich war ja in einer ähnlichen Situation, als ich in der Serie anfing. Also beobachte ich, wie er sich verhält und reinkommt. Er macht das sehr gut. Und ich nehme an, er wird sich steigern.
Schöne Worte von einem Formel-1-Veteranen.
Wehrlein: Sehr schön. Vor allem vom Hans.
Was Pascal Wehrlein heute ist, waren damals auch Sie: ein Mercedes-Junior.
Herrmann: Nach dem Krieg hat der bekannte Rennleiter Alfred Neubauer wieder damit begonnen, ein Team aufzubauen. In Juan Manuel Fangio hat er den besten Rennfahrer der Welt geholt, weil Mercedes ja auch wieder Autos verkaufen musste. Hinzu kam Karl Kling - und ich als Nachwuchsmann. In Reims, beim Großen Preis von Frankreich, absolvierte ich mein erstes Rennen. Fangio siegte, ich fiel aus. Doch gelang mir die schnellste Rennrunde. So fing es an.
Damals gab es drei Silberpfeile, heute nur zwei. Es wäre doch was, als Dritter neben Lewis Hamilton und Nico Rosberg mitzufahren?
Wehrlein: Ich werde es Toto Wolff vorschlagen.
Sie schielen auf ein Mercedes-Cockpit, wenn die Lehrzeit beim Manor-Team vorüber ist.
Wehrlein: Natürlich. In diesem Jahr fahren wir noch hinten. Aber es ist ja klar, dass ich nicht meine ganze Karriere in diesen Regionen mitfahren will. Ich möchte Rennen und Weltmeisterschaften gewinnen. Und mein Traum war es immer, einen Mercedes zu steuern. Ich wohne eine Auto-Stunde von Stuttgart entfernt, bin Schwabe. Auch deshalb bin ich ein Fan der Marke.
Ihre Formel 1, Herr Herrmann, hat mit der heutigen nichts mehr gemein.
Herrmann: Die Rennerei früher war saugefährlich. Zu meiner Zeit in den 50er und 60er Jahren sind viele Kollegen tödlich verunglückt. Dreijahresverträge gab es bei uns nicht. Ich hatte einen Einjahresvertrag, weil man ja wusste, dass jedes Jahr zwei oder drei Piloten sterben. Das Risiko war hoch und das Geld sehr knapp. Heute ist es umgekehrt.
Herr Wehrlein, Sie sind auf dem Hockenheimring einen Mercedes Baujahr 1955 gefahren.
Herrmann: Es war der W 196.
War das eine Herausforderung für Sie?
Wehrlein: Was mich erschreckt hat, als ich mich in das Auto gesetzt habe, war die Tatsache, dass da nichts zum Anschnallen drin war. Die sind damals mit 300 Sachen ohne Gurte herumgefahren. Unvorstellbar! Ein total anderes Fahrgefühl. Die Lenkung in dem alten Auto hat Spiel, und man hält dieses riesige Lenkrad in den Händen. Auch das Bremsen ist der Wahnsinn. Einmal haben mir beim Runterschalten die Hinterräder blockiert, da dachte ich kurz: hui-hui-hui.

Herrmann: Stimmt: Wir hatten damals noch ein Lenkrad. Ihr haltet heute einen Computer in den Händen. Wenn ich in einem Rennwagen von heute sitzen würde, wüsste ich nicht, was ich mit diesen 25 Computer-Knöpfen anfangen soll. Davon abgesehen würde ich wegen meiner Fülle in solch ein Auto gar nicht mehr reinpassen. Bei uns war das noch ein ganz normales handwerkliches Autofahren. Heute ist alles durch die Elektronik und den Computer vereinfacht, aber das wäre nichts für mich: Ich bin ja schon froh, dass ich mit meinem Telefon telefonieren kann (hält sein Handy in die Höhe).

Wie fährt sich ein Formel-1-Auto von heute?
Wehrlein: Es ist schwierig, in einem aktuellen Formel-1-Rennwagen zu sitzen. Man muss permanent mitdenken, man muss die Knöpfe im Kopf haben und wissen, was man jetzt verstellen muss, um das Auto schneller zu machen. Wir können während der Fahrt noch so viel verändern - das macht es extrem kompliziert. Bei uns wird immer in den Vordergrund gerückt, dass wir eine Computer-Generation sind, aber wir fahren immer noch Rennen und das Risiko ist auch noch da. Auch wenn es nicht mehr so hoch ist.
Spielt Angst bei Ihnen eine Rolle?
Wehrlein: Angst spielt bei mir gar keine Rolle, denn ich habe ein großes Ziel vor Augen. Selbst wenn etwas passieren sollte, so habe ich doch meinen Traum leben können. Deshalb mache ich mir da keinen Kopf. Man hat es am Ende sowieso nicht in der Hand. Herrmann: Am Start kamen mir schon mal Gedanken: Wer wird es heute sein? Der vor dir? Der neben dir? Ich nicht! Hätte ich so gedacht, hätte ich sofort die Konsequenzen ziehen und aufhören müssen. Aber wenn die Startflagge kam, waren alle Gedanken weg. Und los ging es.
Alfred Neubauer galt als harter Rennleiter. Da durfte man sich als junger Fahrer nicht viel erlauben.
Herrmann: Ich war einer, der abends nicht immer gleich im Hotel war. Neubauer hat mit mir einiges erlebt. Einmal wollte er mich aus dem Team werfen. Aber ein Ingenieur hat den Chef wieder beruhigt und es so geregelt, dass ich bleiben durfte.
Was hatten Sie denn verbrochen?
Hermann: Ich war nicht so diszipliniert, wie Neubauer es wollte – ohne da jetzt zu sehr ins Detail zu gehen.
Hatte es etwas mit Frauen zu tun?
Herrmann: Na, mit dem Essen hatte es nichts zu tun (lacht).
Wie diszipliniert ist Pascal Wehrlein?
Wehrlein: Rausschmeißen wollte mich Toto noch nie, aber es gab schon Anrufe von ihm, wenn ich etwas gemacht hatte, das ihm nicht passte. Ich denke da an manche Funksprüche, die ich im vergangenen Jahr in der DTM von mir gab. Solche Dinge sagt man einfach so aus den Emotionen heraus, aber man kann damit dem Team auch schaden. Dann gibt es den Anruf von Toto, und man wird wieder richtig zurechtgewiesen. Wegen Mädchen gab es noch nie Ärger.
Herr Herrmann, was haben Sie von ihren Teamkollegen Fangio und Kling damals gelernt?
Herrmann: Fangio hat mir viele Tricks verraten, er hatte mir auch mal mit Reifen ausgeholfen. Wir waren ein Bombenteam. Heute ist das nicht möglich. Wehrlein: Heute sind wir alle gläserne Fahrer. Der Ingenieur sieht alles am Laptop. Man geht überhaupt nicht mehr zu anderen Fahrern hin und gibt Tipps. Niemals. Der Konkurrenzkampf einfach zu groß.