Der Islamismus bedroht die freiheitlichen Gesellschaften in Europa. Und er wird auch zum Problem für friedliebende, rechtstreue Muslime, die hier leben. Die Gewalt im Namen Allahs bringt deren Religion in Verruf und behindert die Integration, meint StZ-Autor Armin Käfer.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Armin Käfer (kä)

Stuttgart - Vor lauter Corona und der bisweilen hysterischen Debatten über pandemiebedingte Freiheitsbeschränkungen, über mutmaßlichen Rassismus und rechte Chatgruppen bei der Polizei ist eine Gefahr etwas in Vergessenheit geraten: Islamistischer Terror bedroht Europa von innen heraus. Nun zieht sich erneut eine Spur der Gewalt quer durch den Kontinent: von Frankreich, wo ein couragierter Lehrer enthauptet und kurz darauf Kirchenbesucher ermordet worden sind, bis nach Wien, das von einem brutalen Anschlag geschockt ist. Die Fälle verbindet stets das gleiche Motiv: der Hass auf europäisches Denken.

 

Ideologisch inspirierte Bluttat

Warum ausgerechnet Österreich zum Schauplatz einer solchen ideologisch inspirierten Bluttat wurde, kann allenfalls für einen Moment überraschen. Der Alpenstaat ist kein isoliertes Idyll ohne jegliche Bezüge zu den historischen und politischen Verwerfungen, denen diese Gewalt erwachsen ist. Bei dem Täter scheint es sich um einen Terroristen zu handeln, der auf spezielle Weise als „homegrown“ gelten kann, wie das andernorts heißt: als heimisch, weil in Wien geboren – und doch nicht zuhause. Seine Wurzeln liegen auf dem Balkan, was für Österreich eine Art Kolonie vor der eigenen Haustür gewesen ist. Das Zusammenleben mit Muslimen waren die Österreicher im Unterschied zu ihren deutschen Nachbarn schon zu Zeiten gewohnt, als es dort noch einen Kaiser gab. Der Islam war schon vor dem Ersten Weltkrieg offiziell als Religion anerkannt. Der Umgang mit Islamisten erweist sich aber als Bruchstelle der Regierung von Konservativen und Grünen – was bei uns kaum anders wäre.

Islamkritiker werden massiv bedroht

Für die politischen Kräfte links der Mitte ist dieser Aspekt ihrer Multikulti-Illusionen der „blindeste Fleck“ des eigenen Weltbilds. Diese Erkenntnis verdanken wir keinem Kritiker des Milieus, sondern dem sozialdemokratischen Juniorstar Kevin Kühnert. Welche Risiken das Zusammenleben sehr unterschiedlicher Kulturen bergen können, wurde lange ignoriert. In jüngster Zeit haben sich neben Kühnert auch Kollegen von den Grünen und der Linkspartei zu dieser Lebenslüge bekannt, spät zwar, aber immerhin. Es wäre fatal, würden sie dieses Thema allein den Rechtspopulisten überlassen. Vor dem Islamismus und seinen Biotopen im eigenen Land die Augen zu verschließen, käme einer Kapitulation gleich.

Ungeachtet der Tatsache, dass vom Rechtsextremismus akut eine eminente Gefahr für unsere Gesellschaft ausgeht, war der Islamismus allenfalls aus dem öffentlichen Diskurs und von den TV-Bildschirmen, aber nicht aus dem realen Leben verschwunden. Beim Bundesamt für Verfassungsschutz bindet diese Klientel nach wie vor die meisten Kräfte. Die islamistische Szene wächst unaufhörlich – und mit ihr auch die Zahl der Personen, die bereit sind, für ihre verqueren Überzeugungen andere Menschen zu töten, zumindest aber deren Tod billigend in Kauf zu nehmen. Islamkritiker werden auch hierzulande massiv bedroht, etliche von ihnen benötigen sogar Polizeischutz.

Integrationsdefizite rechtfertigen keine Gewalt

Es geht hier nicht darum, sämtliche bei uns lebenden Muslime in Mithaftung zu nehmen. Die Scheidelinie verläuft dort, wo die Werte und Regeln einer freiheitlichen Demokratie nicht selbstverständlich akzeptiert werden. Wer dies aber tut und notfalls auch bereit ist, sie zu verteidigen, kann privat glauben und anbeten, was er will. Für einen zivilisierten Islam gibt es sehr wohl Platz in Europa, nicht jedoch für hasserfüllte Islamisten, deren Überzeugungen dem frühen Mittelalter verhaftet bleiben. Mängel bei der Integration, Fälle von Diskriminierung oder verletzte religiöse Gefühle dürfen nicht unter den Tisch gekehrt werden. Sie sind aber unter keinen Umständen eine Rechtfertigung für Terror und Gewaltverbrechen.