Das neue Modell für den Religionsunterricht steht. Doch der größte muslimische Verband macht nicht mit. Auch die Opposition im Landtag meldet Gesprächsbedarf an.

Stuttgart - Der islamische Religionsunterricht in Baden-Württemberg wird zum kommenden Schuljahr auf eine neue Stufe gestellt. Das Land gründet zusammen mit zwei muslimischen Verbänden eine Stiftung Sunnitischer Schulrat. Diese übernimmt die Trägerschaft für den Unterricht. Der Vorstand erteilt die Lehrbefugnisse und stellt die Bildungspläne auf. Er besteht aus fünf Personen, die von den muslimischen Verbänden benannt werden. Bei drei Mitgliedern muss das Land zustimmen. Ihre Teilnahme zugesagt haben der Landesverband der Islamischen Kulturzentren und die Islamische Gemeinschaft der Bosniaken.

 

Der größte Verband, Ditib, ist nicht dabei, auch nicht die Islamische Glaubensgemeinschaft Baden-Württemberg (IGBW). „Das ist bedauerlich, aber das Modell wird deshalb nicht in Frage gestellt“, sagte Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne). Beide muslimische Verbände halten es für verfassungswidrig, eine staatliche Einrichtung zur Erteilung von Religionsunterricht zu errichten.

„Dieses Modell hebelt die Neutralitätspflicht des Staates aus und greift massiv in die Religionsfreiheit und das Selbstbestimmungsrecht der Religionsgemeinschaften ein“, teilen die beiden Verbände in einer gemeinsamen Erklärung mit. Der Entwurf der Landesregierung „geht weit über die Schmerzgrenze hinaus und ist für uns nicht vertretbar“, so die Verbände. Auch einer gerichtlichen Prüfung würde er nicht standhalten.

Kretschmann zeigt sich überrascht

Die Landesregierung sieht die Stiftung als Träger des islamischen Religionsunterrichts, weil es auf muslimischer Seite keinen Ansprechpartner im Sinne einer Religionsgemeinschaft gebe. Die Verbände betrachten sich als Religionsgemeinschaften. Doch das Land akzeptiert das nicht. „Die Verbände haben Probleme damit, dass wir sie als Religionsgemeinschaften nicht anerkennen“, sagte Kretschmann bei der Präsentation des Stiftungsmodells. Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU) deutete an, dass den Verbänden nicht gefallen habe, dass der Religionsunterricht auf der Grundlage der freiheitlich demokratischen Grundordnung erteilt werden soll.

Kretschmann zeigte sich nach den langen mühsamen Verhandlungen überrascht von der Absage. Er betonte aber an die Adresse von Ditib und IGBW: „Die Tür steht offen.“ Mit dem neuen Modell könne man jedoch anfangen und dafür sorgen, „dass die Kinder Religionsunterricht bekommen“.

Gegenwärtig erhalten gut 6000 Schüler im Land an 86 Schulen islamischen Religionsunterricht, sagte Kultusministerin Eisenmann. Es gebe das Interesse von 50 weiteren Schulen, das Angebot auszubauen. Bisher scheiterte dies aber am Lehrermangel. Islamischen Religionsunterricht erteilen nur hierzulande ausgebildete staatlich geprüfte Lehrer. Das bleibt auch so. Eine neue Organisationsstruktur ist nötig, weil der bisherige Modellversuch zum Schuljahresende ausläuft. Das Modell zum islamischen Religionsunterricht sunnitischer Prägung gibt es in Baden-Württemberg bereits seit dem Schuljahr 2006/2007.

SPD und FDP fordern Gespräche

Im Jahr 2015 wurde ein Projektbeirat für den islamischen Religionsunterricht eingerichtet, in dem das Land und die vier muslimischen Verbände zusammenarbeiten. Die Verbände hatten gehofft, die Trägerschaft selbst übernehmen zu können.

Dass der Unterricht an Attraktivität verlieren könnte, wenn der mächtige Moscheeverband Ditib nicht dahinter stehe, befürchten Kretschmann und Eisenmann nicht. „Am Unterricht ändert sich nichts“, sagte Kretschmann. „Die Nachfrage wird sich nicht ändern“, erwartet Eisenmann. Der Unterricht sei hochakzeptiert und trage zur Integration bei. In der Präambel der Stiftungssatzung heißt es, „Der Religionsunterricht trägt zur religiösen Verständigung und zum Zusammenhalt in einer pluralen Gesellschaft bei.“ Das Land finanziert die Stiftung mit jährlich 300 000 Euro.

Gesprächsbedarf melden SPD und FDP an. Sie verlangen Auskunft im nächsten Bildungsausschuss. Es sei nicht transparent wie die Stiftung genau funktionieren solle und welche Alternativen geprüft wurden. Für die FDP betont Nico Weinmann, es dürfe in dem Unterricht „nicht zu einer integrationsfeindlichen Indoktrinierung kommen“. Ob das Modell dem genüge, müsse die Regierung im Ausschuss erklären.