An der Uni Stuttgart geht es im Rahmen der Islamwoche um verschiedene Aspekte des Glaubens. Der Gefängnisseelsorger Martin Hussamedin Meyer sprach über sein Verständnis des Islam – und berichtete, wie er mit jungen Strafgefangenen über die Scharia diskutiert.

Lokales: Christine Bilger (ceb)

Stuttgart - Herr Meyer sagt „Salem aleikum – Friede sei mit Euch.“ Er will, dass diese Worte nicht nur von den Lippen kommen, sondern auch von Herzen. Denn Herr Meyer weiß, worauf es im Islam ankommt. Das hat er auf seinen Reisen erfahren, als er den Islam kennenlernte. Aus Martin Meyer wurde Martin Hussamudin Meyer. Er wurde Muslim und ist nun Imam. Und als solcher stellt er in seinen Vortrag am Freitag bei der Islamwoche an der Universität Stuttgart den Friedensgruß „Salem aleikum“ in den Mittelpunkt seiner Ausführungen. Eingeladen hat die Muslimische Studenten-Union.

 

Die Friedensbotschaft verwundert zunächst, denn eigentlich ist der Imam und Gefängnisseelsorger geladen, um über die Radikalisierung Jugendlicher zu sprechen. Doch das eine geht nicht ohne das andere, das wird im deutlich. „Ihr werdet das Paradies nicht betreten, bis ihr nicht glaubt, Ihr werdet nicht glauben, bis ihr Euch nicht gegenseitig liebt“, zitiert Meyer einen der Leitsätze seiner Religion, die hassfrei sei.

Viele sehen sich als Muslime, kennen den Islam aber nicht

Doch als er nach dem Studium ins Rhein-Main-Gebiet kam, habe er zum ersten Mal Gruppen erlebt, die sagten, sie seien nun Salafisten, sie würden den „richtigen“ Islam leben. Er habe zum ersten Mal gehört, dass Muslime darüber sprachen, ob Anschläge auf Amerikaner, die Hilfsgüter in den Irak bringen, erlaubt seien. Das hätte er genauso wenig für möglich gehalten wie die Gründung eines sogenannten Multi-Kulti-Zentrums in Ulm, das Martin Hussamedin Meyer als „Keimzelle unzähliger terroristischer Gruppen in Deutschland“ bezeichnet. Bevor er diese Strömungen gesehen habe, hätte er nie gedacht, dass man eines Tages über die zunehmende Radikalisierung unter jungen Muslimen sprechen werde, erklärte der Imam seinem Publikum im Vaihinger Vorlesungssaal.

Bei seiner Arbeit treffe er viele dieser Männer, die aus Familien kommen, in denen der Vater fehle, und oft schon in jungen Jahren viele Straftaten auf dem Kerbholz haben. Meyer ist muslimischer Gefängnisseelsorger in Wiesbaden. „Viele junge Männer sitzen dort, und sie verstehen sich als Muslime“, erzählt er. Deswegen habe ihn die Direktorin vor sieben Jahren geholt. „Aber die jungen Leute wussten vom Islam fast gar nichts.“ In diesem Zusammenhang äußert der Imam sein Bedauern, dass es kaum Islamunterricht gebe. Weil die jungen Männer so unkundig seien, wüssten sie nicht, dass für die Hasslehren des „Islamischen Staates“ keine religiöse Grundlage bestehe. Viele von ihnen seien bereit, auszureisen und den IS in Syrien zu unterstützen. „Aber der IS ist kein islamischer Staat, sondern ein barbarischer, satanischer“, sagt Meyer.

Der Imam diskutiert mit Gefangenen über die Scharia

„Wenn die Männer im Gefängnis sagen, sie seien für die Einführung der Scharia, dann erkläre ich ihnen, einige von ihnen wären dann nun hingerichtet und nicht im Gefängnis. Anderen wären zumindest die Hände abgeschlagen.“ Das wirke, die Jugendlichen würden ins Grübeln kommen. Er hoffe, mit seiner Arbeit manchen von diesem Weg abbringen zu können. „Es ist ein Schrei nach Anerkennung, wenn sie sich diesen Leuten anschließen. Bei den Salafisten kann man wahnsinnig schnell aufsteigen, das kennen sie aus ihrem bisherigen Leben nicht“, beschreibt Meyer die Faszination des Salafismus für die jungen Männer. Er gebe ihnen Erfolgserlebnisse – so habe ihm ein junger Strafgefangener die Hand geküsst, weil er im Freitagsgebet in der Vollzugsanstalt zum Gebetsrufer werden durfte. „Da ist etwas geschehen mit dem Mann.“ Meyer hofft, dass sein Schützling bald „Salem aleikum“ mit Herz und Mund sagen wird.